Primäre Punktdefekte können sich während des Ausheilvorganges zu größeren Komplexen zusammenfügen und sekundäre Defekte bilden. Um diese Gitterschäden verstehen und einteilen zu können, muß die Tiefenverteilung jener Energie vorliegen, die durch die Ionen in Form von nuklearen Stößen an das Material abgegeben wird (,,Deposited damage energy``, siehe Kapitel 5.2.3). In [Jon88, Sch91, Zie92, Rim95] werden die sekundären Defekte in fünf Kategorien eingeteilt:
Für diese Art von Gitterfehler benötigt man viel höhere Annealing-Temperaturen, als bei zur Gänze amorphisierten Schichten. Eine völlige Ausheilung ist erst über 1000C\ möglich. Weiters wird in [Sch91] gezeigt, daß die Bildung dieser Art von Gitterschäden sehr stark von der Gesamtzahl der Punktdefekte abhängt. Der kritische Wert , bei dem sekundäre Defekte der Kategorie I auftreten, ist bei Silizium für Bor und für Antimon [Sch91]. Der Anstieg von mit der Ionenmasse liegt darin begründet, daß schwerere Ionen dichtere Stoßkaskaden erzeugen (siehe Abbildung 2.27) und dadurch die Bildung von lokalen amorphen Clustern begünstigen. Diese heilen aber bei rund 200C aus. Zurück bleiben nur noch wenige, mobile Zwischengitteratome, die dann bei höheren Temperaturen sekundäre Defekte bilden können.
Dieser Mechanismus erklärt, warum bei MeV-Implantationen von schweren Ionen diese Art von Defekten gefunden werden, bei mittleren Energien jedoch nicht. Im ersteren Fall nehmen durch die hohen Energien die Kaskadendichten ab, mehr primäre Punktdefekte überleben und können sich daher zusammenschließen, im letzteren Fall hingegen, steigt so stark an, daß schon vor Erreichen dieses Wertes, amorphe Schichten gebildet werden (vgl. Kategorie II und III) [Sch91].
Es existiert ein entscheidender Unterschied im Annealing-Verhalten einer kontinuierlicher amorphen Schicht und isolierter Punktdefekte entlang der Ionentrajektorie. Erstere läßt sich viel leichter durch Festphasenepitaxie (Solid-Phase epitaxy) in einen defektfreien Zustand überführen [Sei71b], wobei die Rekristallisierung typischerweise an der Grenzschicht zwischen kristallinem und amorphen Silizium beginnt. Die treibende Kraft für diese Umwandlung ist der Unterschied in der freien Energie eines Siliziumatoms. Diese ist in der amorphen Phase um eV/Atom größer als in der kristallinen. Die Bewegungsgeschwindigkeit des Interfaces in Richtung des amorphen Teiles hängt dabei von der Temperatur, der Dotierstoffkonzentration und der Kristallorientierung ab [Cse78, Rim95].
In [Jon88] wird gezeigt, daß diese Art von Schäden durch geeignete Prozeßführung meist vermeidbar sind.
Abschließend soll noch angemerkt werden, daß die Defekte aus den Gruppen III, IV und V nicht auftreten, wenn man die richtige Kombination aus Ionenenergie, Dosis und Substrattemperatur wählt. Es ist jedoch nicht möglich, Schäden der Kategorie II zu vermeiden, sobald sich eine amorphe Schicht (vergraben oder nicht) ausgebildet hat.
Auch dieses Kapitel demonstriert sehr deutlich, daß einige wichtige Effekte, die für das spätere Verhalten der ULSI Bauelemente von Bedeutung sind, von der Lage und Ausdehnung eventueller amorpher Schichten abhängen.