Die MONTE CARLO Methode [72] zur Analyse des Ladungsträgertransports in Halbleitern [96, 97] basiert auf der Simulation stochastischer Bewegungen (random walk) von Teilchen. Die Bewegung der Ladungsträger wird von äußeren elektrischen Feldern bestimmt und durch Streuung begrenzt. Während der freien Bewegung der Teilchen zwischen den Streuprozessen erfüllen die Teilchen die klassischen Bewegungsgleichungen. Streumechanismen werden durch quantenmechanische (Streu-)Wahrscheinlichkeitsgesetze determiniert. Mittels FERMI's Goldener Regel können die energieabhängigen Streuraten berechnet werden. Es konnte gezeigt werde, daß die Kombination klassischer Bewegungsgleichungen mit der Beschreibung von Streuprozessen eine Lösung der BOLTZMANN-Transportgleichung bedeutet [71].
Der verwendete MONTE CARLO Simulator wurde von G. ZANDLER im Rahmen einer Kooperation mit dem WALTER SCHOTTKY Institut (WSI, München) zur Verfügung gestellt [139]. Er berücksichtigt die Inter- und Intratalstreuung von Elektronen bzw. Löchern der G-, L- und X-Täler des Leitungsbandes, der Bänder für leichte und schwere Löcher und des Split-Off Bandes. Die implementierten Streumechanismen beinhalten die Streuung am Gitter (optische und akustische Phononen), an Störstellen, Grenzflächen sowie Legierungsstreuung. Auch ein Modell für Stoßionisation ist berücksichtigt. Alle Parameter sind material- und dotierungsabhängig.
Die SCHRÖDINGER-Gleichung ist nicht berücksichtigt. Dies würde die ohnehin sehr hohe Rechenzeit der MONTE CARLO Simulation auf unpraktikable Werte erhöhen.
Da die Rechenzeiten auch auf modernen Rechnern immer noch extrem hoch sind, ist die MONTE CARLO Simulation für die routinemäßige Bauelemententwicklung heute noch nicht einsetzbar. Auf einer Workstation mittlerer Auslegung können die Simulationszeiten je nach Struktur, äußerer Beschaltung des simulierten Bauelements, Anzahl der berücksichtigten Teilchen und der Iterationen pro Arbeitspunkt einer Kennlinie, sehr stark schwanken. Bei einem einfachen rauscharmen DH-HFET wurden im Rahmen dieser Arbeit bei VDS = 2 V und VGS = 0 V mit 20000 Teilchen für 5000 Iterationen ca. 6 Stunden benötigt, für einen komplizierteren DH-HFET für Leistungsanwendungen bei gleichen Bedingungen dagegen bis zu drei Tagen. Auf Großrechnern (Vektorrechner) können im gleichen Zeitraum bei denselben Strukturen 200000 Teilchen bei 10000 Iterationen gehandhabt werden. Im Zuge der Entwicklung immer schnellerer Prozessoren und der Verfügbarkeit immer größerer Hauptspeicher könnte jedoch auch diese rechenintensive Simulationsmethode durchaus in absehbarer Zeit für die Bauelemententwicklung interessant werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die MONTE CARLO Methode primär eingesetzt um die Verteilung der Ladungsträger auf die verschiedenen Täler des Leitungsbandes und die zugehörigen Geschwindigkeiten in Abhängigkeit vom lokalen elektrischen Feld für die Verbesserung des Beweglichkeitsmodells zu evaluieren (s.a. Kapitel 3.3). Weiterhin wurde allgemein die Verteilung verschiedener Größen (Potential, Ladungsträgerdichte, elektrisches Feld, u.a.) im Bauelement für eine Plausibilitätsbetrachtung der ersten Simulationsergebnisse des Simulators MINIMOS NT analysiert. Die Simulation ganzer Kennlinien brachte keine gute Übereinstimmung mit Meßwerten. Eine Anpassung der Kennlinien durch Variation der Eingabeparameter wurde aufgrund der extrem langen Rechenzeiten nicht durchgeführt.
Neben den Parametern für das Beweglichkeitsmodell konnten noch weitere Ergebnisse der MONTE CARLO Simulation für die Entwicklung von MINIMOS NT verwendet werden. So wurde das Verhalten eines DH-HFET bei Variation von Oberflächenladungen an den Halbleiteroberflächen (Grenzflächen zur SiN-Passivierung) untersucht [10, 128, 132]. Es zeigte sich, daß die Bauelementeigenschaften bis zu einer Dichte der Oberflächenladungen von NSS = 1012 cm-2 nicht beeinflußt werden. Oberhalb dieses Wertes nimmt der Drainstrom mit der Oberflächenladungsdichte ab. Da sich die Oberflächenladungen wie ionisierte Akzeptoren verhalten und daher eine negative Ladung tragen, beeinflußen sie den Potentialverlauf an der Oberfläche stark. Mit zunehmender Flächendichte reicht ihr Einfluß immer weiter in das Bauelement hinein und vergrößert die Verarmungszone unter dem Gate. Dies zeigt sich in der Verringerung des Drainstroms (Abb. 5.17).
Abbildung 5.17: Normierter Drainstrom IDSS in Abhängigkeit von der Oberflächenladungsdichte, normiert auf IDSS ohne Oberflächenladungen.
Die Natur der Oberflächenladungen ist noch nicht genügend untersucht worden. Da es zum einen sehr schwierig ist, den Einfluß der Oberflächenladungen auf das elektrische Feld und damit auf die Bauelementeigenschaften zu berechnen [128] und sie zum anderen nur schwer meßbar sind, bleiben die Oberflächenladungen weiterhin ein Parameter, der in gewissen Grenzen zur Anpassung von simulierten Kennlinien an Meßergebnisse verwendet werden kann. Auch der Vergleich von Simulation und Messung bei MESFETs [15] zeigt, daß das von Oberflächenladungen gesteuerte Oberflächenpotential sehr wichtig für die Simulation realistischer Kennlinien ist. Aufgrund dieser Ergebnisse wurden auch in MINIMOS NT die Behandlung von Oberflächenladungen implementiert.