Für diesen Fall existiert im Rahmen der Bethe-Bloch-Theorie [Ahl80] eine fundierte theoretische Behandlung, diese gilt aber nur bei hohen Energien (Mega-Elektronenvolt (MeV) Bereich), wo das Ion als vollständig ionisiert angenommen werden kann. Diese Arbeit wurde von Biersack [Bie80] an die Erfordernisse der Simulation der Ionenimplantation angepaßt.
Aber gerade im interessanten Energiebereich zwischen einigen Kilo-Elektronenvolt (keV) und einigen hundert keV finden sich in der Literatur nur phänomenologische Modelle [Lin54, Lin61, Bri72, Bie80] oder Kombinationen von grundlegenden physikalischen Zusammenhängen und der Anpassung an experimentelle Daten [Zie85]. Im Folgenden soll kurz auf das Modell von Ziegler-Biersack [Zie85] eingegangen werden, denn es liefert für beliebige Ion-,,Target``-Kombinationen und (fast) beliebige Energien den elektronischen Bremsquerschnitt (,,Electronic stopping power``) .
ist definiert als Energieverlust infolge elektronischer Prozesse je Weglängeneinheit, dividiert durch die atomare Dichte N des ,,Targets``,
und somit ergibt sich der elektronische Energieverlust zu
mit als zurückgelegte Weglänge.
Es zeigt sich, daß die kinetische Energie der Ionen eine entscheidende Rolle spielt, und es erweist sich als günstig, die Diskussion in einen Bereich für leichte und schwere Ionen aufzuteilen.
Die weitaus meisten experimentellen Daten liegen für Protonen (Wasserstoff-Ionen) und -Teilchen (Helium-Ionen) vor, und da die ,,He-Stopping power`` zuverlässig in äquivalente ,,H-Stopping power`` umgerechnet werden kann, läßt sich eine rein empirische Formel für die ,,Proton-Stopping power`` angeben:
Die Parameter a bis h sind für jede ,,Target``-Atomart verschieden
und wurden in [Zie85] tabelliert. In [And77] wird gezeigt, daß
bei niederen Energien folgende Potenzgesetze anwendbar sind,
die bei einer Energie von 25keV pro atomarer Masseneinheit stetig in
Gleichung 2.28 übergehen. Kritisch anzumerken bleibt, daß aus
der Literatur nicht zu entnehmen ist, bis zu welcher unteren Energiegrenze
diese Potenzgesetze gültig sind.
Für schwerere Elemente lassen sich drei Energiebereiche detektieren:
kann näherungsweise die Wechselwirkung zwischen einem Teilchen und einem
Elektronengas beschrieben werden [Lin54] und daraus ergibt sich eine
,,Electronic stopping power`` proportional zur
Teilchengeschwindigkeit ,
Der Proportionalitätsfaktor k und dessen Korrekturwert findet
sich in [Lin61] bzw. [Hob93].
ist die Beschreibung wesentlich komplizierter (
Fermi-Geschwindigkeit), und es können nur semi-empirische Modelle
angegeben werden. Ziegler und Biersack [Zie85] modifizierten hierzu das
Modell von Brandt und Kitagawa [Bra82], indem sie ein
Skalierungsgesetz,
verwendeten. steht für die relative effektive Ladung (das Ion ist
vollständig ionisiert für und neutral für )
und für die effektive Ladung des Ions. Wenn also die
effektive Ladung bekannt ist, kann der elektronische Bremsquerschnitt
des Teilchens mit der Ordnungszahl bei einer bestimmten
Geschwindigkeit aus der ,,Proton-Stopping power`` im selben
,,Target`` bei derselben Geschwindigkeit berechnet werden. Die Berechnung
von ist ausführlich in [Zie85] dargestellt.
Das hier diskutierte Modell gilt allerdings nur für einatomige ,,Targets``, wohingegen das Braggsche Gesetz eine Berechnung auch in zusammengesetzten Materialien (z.B. ) ermöglicht, indem die Beiträge jeder Atomart, gewichtet mit dem relativen Vorkommen im ,,Target``, addiert werden.
Abbildung 2.18: Qualitative Darstellung der nuklearen
() und elektronischen ,,Stopping power`` () als eine
Funktion der Ionengeschwindigkeit (). Die
Werte fuer sind in
Tabelle 2.3 zusammengestellt.
Tabelle 2.3: Charakteristische Energien fuer
Abbildung 2.18 in Silizium.
Faßt man nun die gewonnenen Erkenntnisse in einer schematischen Darstellung zusammen (siehe Abbildung 2.18), so zeigt sich, daß sowohl die nukleare als auch die elektronische Abbremsung zu Beginn annähernd proportional zur Geschwindigkeit sind, ein Maximum erreichen und anschließend kontinuierlich abnehmen. Welche der beiden Wechselwirkungsmechanismen überwiegt, hängt dabei entscheidend von der Energie und der Masse des implantierten Ions und von der Masse und der Ordnungszahl des ,,Target``-Atoms ab. Jedoch läßt sich sagen, daß elektronische Abbremsung bei höheren Energien pro Einheitsmasse des Ions dominiert, die nukleare hingegen bei niederen Energien pro Einheitsmasse. In diesem Zusammenhang sind die Energien (siehe Abbildung 2.18) interessant, deren Werte in Tabelle 2.3 für die wichtigsten Ionenarten in Silizium angegeben sind [May70].