DIE MIKROELEKTRONIK hat einen Punkt erreicht, an dem quantenmechanische Effekte einen wesentlichen Einfluss auf die elektrischen Eigenschaften von Halbleiterbauelementen haben. Einer der wichtigsten dieser Effekte ist das quantenmechanische Tunneln von Ladungsträgern durch Schichten dünner Dielektrika. Einerseits führt dies zu einem erhöhten Leistungsverbrauch von Halbleiterbauelementen und limitiert dadurch die Dicke des Gatedielektrikums. Andererseits werden Tunneleffekte in nichtflüchtigen Speicherbauelementen verwendet um Ladung auf einen isolierten Speicherknoten zu transferieren.
Der Tunneleffekt basiert auf dem Übergang von Ladungsträgern von einer Elektrode durch eine klassisch isolierende Region auf eine andere Elektrode. Dieser Prozess wird durch drei Faktoren beeinflusst: Der energetischen Verteilung der Ladungsträger in beiden Elektroden, dem quantenmechanischen Transmissionskoeffizienten der Energiebarriere, und vorhandenen Störstellen im Dielektrikum die den Tunnelprozess beeinflussen.
Die energetische Verteilung der Ladungsträger in den Elektroden ist von fundamentaler Bedeutung für den Tunnelstrom. Üblicherweise wird eine FERMI-DIRAC oder MAXWELL-BOLTZMANN Verteilung angenommen. Diese Verteilungsfunktionen sind jedoch nur nahe des Gleichgewichtszustands gültig und scheitern bei der Beschreibung des Verhaltens heisser Ladungsträger. In dieser Arbeit wird eine neue Verteilungsfunktion verwendet, die auf der Konzentration, Temperatur, und Kurtosis der Ladungsträger basiert. Diese Verteilungsfunktion zeigt gute Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Monte Carlo Simulationen und reproduziert die Verteilung der hochenergetischen Ladungsträger mit hoher Genauigkeit. Die heisse MAXWELL Verteilung, die nur auf der Konzentration und Temperatur der Ladungsträger basiert, kann die Verteilung der hochenergetischen Ladungsträger nicht reproduzieren und führt zu einer stark überhöhten Tunnelstromdichte.
Der quantenmechanische Transmissionskoeffizient wird durch Lösung der SCHRÖDINGER-Gleichung bestimmt und hängt von der Form der Energiebarriere im Dielektrikum ab. Dielektrika die aus einer einzigen Schicht bestehen zeigen eine lineare Potentialvariation in der Barriere die zu einem entweder dreieckigen oder trapezförmigen Banddiagramm führt. Für diesen Fall können analytische Modelle zur Berechnung des Transmissionskoeffizienten hergeleitet werden die auf der WENTZEL-KRAMERS-BRILLOUIN-Näherung oder der GUNDLACH-Formel beruhen.
Der stetige Miniaturisierungsprozess elektronischer Bauelemente führt jedoch zu einer entsprechenden Reduzierung der Dicke der Gatedielektrika in MOS Bauelementen, was für das fast ausschliesslich verwendete Material SiO zu unzulässig hohen Leckströmen führt. Als Abhilfe wurden geschichtete Dielektrika aus Materialien mit höheren Dielektrizitätskonstanten vorgeschlagen.
In derartigen geschichteten Dielektrika hat das Banddiagramm einen nichtlinearen Verlauf und Modelle, die auf einer dreieckigen oder trapezförmigen Energiebarriere basieren, sind nicht mehr gültig. Stattdessen muss die SCHRÖDINGER-Gleichung mit Hilfe der Transfer-Matrix oder der Quantum Transmitting Boundary Methode gelöst werden. Diese Methoden wurden untersucht, wobei sich die Quantum Transmitting Boundary Methode auf Grund der höheren numerischen Stabilität und der Eignung für mehrdimensionale Probleme als vorteilhaft herausgestellt hat.
Nichtflüchtige Speicherbauelemente müssen bis zu 10 Schreib- und Löschvorgänge bei Spannungen in der Höhe von 8-12V fehlerfrei ausführen. Diese wiederholte Belastung des Dielektrikums führt zur Bildung von Defekten, die störstellenunterstütztes Tunneln bei niedrigen Feldstärken ermöglichen. Diese Generation von Störstellen wird als einer der Hauptgründe für die Verschlechterung der Isolationseigenschaften des Dielektrikums angesehen. Störstellenunterstütztes Tunneln wird in dieser Arbeit als zweistufiger Prozess modelliert, bei dem Energie durch die Emission von Phononen frei wird. Die Besetzungsdichte der Defekte wird durch eine Ratengleichung beschrieben. Um diese Geichung zu lösen wird ein iteratives Modell verwendet.
Die beschriebenen Modelle wurden in den Bauelementsimulator MINIMOS-NT implementiert. Zahlreiche Anwendungen wurden untersucht, wobei eine Unterscheidung zwischen MOS Transistoren und nichtflüchtigen Speicherbauelementen gemacht wurde. Die Anwendbarkeit alternativer Dielektrika wurde untersucht und an Hand eines MOS Kondensators mit ZrO Dielektrikum mit Messungen verglichen. Weiters wurden nichtflüchtige Speicherbauelemente wie EEPROMs und alternative Strukturen untersucht. Mit Hilfe der implementierten Modelle kann MINIMOS-NT für die Modellierung des Tunnelstroms in beliebigen Halbleiterbauelementen verwendet werden.
A. Gehring: Simulation of Tunneling in Semiconductor Devices