Die Bandstruktur von Silizium und die möglichst allgemeine Implementierung in einem Monte-Carlo-Programm ist ganz entscheidend für die physikalische Aussagekraft der ermittelten Ergebnisse. Einerseits ist die Bandstruktur im allgemeinen anisotrop und setzt sich aus mehreren Bändern sowohl des Valenz- als auch des Leitfähigkeitsbandes zusammen und erfordert bei einer vollständigen Berücksichtigung der Dynamik einen sehr hohen Speicherbedarf und einen erhöhten Rechenbedarf zur Lösung der Bewegungsgleichungen, da stets in Richtung des elektrischen Feldes interpoliert werden muß. Andererseits muß man, um den Hochenergieanteil der Elektronen möglichst genau bestimmen zu können, die Aufspaltung in einzelne Bänder berücksichtigen. Die Bandstruktur beeinflußt nicht nur die Dynamik der einzelnen Ladungsträger, sondern darüberhinaus hängen auch die Streuraten von dem quantitativen Verhalten der Zustandsdichte ab.
Wenn das Verhalten von Elektronen nur bei kleinen Energien untersucht werden
soll, so ist es ausreichend, das Leitfähigkeitsband in der Umgebung dessen
Minimums nach einer Taylorreihe zu entwickeln. Dabei erhält man
folgende, parabolische Abhängigkeit der Energie vom Wellenvektor,
mit der effektiven Masse , die bei isotropen Materialeigenschaften als
gegeben ist. Wählt man nun das Minimum des Leitfähigkeitsbandes als relativen
Bezugspunkt, so kann Null gesetzt werden. Eine sehr effiziente
Erweiterung dieses Einbandmodells findet sich bei [53]. Mithilfe einer
Störungsrechnung [53][54][55][56] kann folgende
Näherung für die Energierelation
geschrieben werden, sodaß sich eine nichtparabolische Abhängigkeit ergibt. Die
Konstante wird als Nichtparabolizitätskonstante bezeichnet und kann
näherungsweise mit der Bandlücke
zwischen den Valenzband und dem
Leitfähigkeitsband
bestimmt werden.
In Silizium ist das Minimum des Leitfähigkeitsbandes nicht im
Mittelpunkt der Brillouinzone lokalisiert. Man spaltet die effektive Masse
des Elektrons in eine longitudinale und eine transversale Komponente
auf, sodaß die Energie nun mit der Bandformfunktion
als
geschrieben werden kann, wobei die effektive Masse nun als Tensor definiert ist,
Man kann also Gleichung 3.5 auch in Tensorschreibweise
angeben, wobei
Zur Berechnung von hochenergetischen Elektronen ist dieses Verfahren nicht geeignet. Entweder bezieht man die volle anisotrope Bandstruktur mit ein, oder man entwickelt analytische Mehrbandmodelle, die im wesentlichen die Merkmale der Zustandsdichte in Silizium enthalten. Damit erreicht man, daß zwar die Dynamik der Elektronen nur isotrop berücksichtigt wird, jedoch die Abgeschlossenheit der einzelnen Bänder in bezug auf den Wellenvektor erhalten bleibt. Da die Zustandsdichte
in die Streuraten eingeht, wird bei einem Einbandmodell im Hochenergiebereich die Streurate schwer überschätzt.
Ein analytisches Modell, das ein nichtparabolisches und drei
parabolische Bänder auswertet, ist von R. Brunetti et al.
[58] entwickelt worden. Die Nachbildung der Zustandsdichte mit
mehreren, isotropen numerischen Bändern ist in [59]
beschrieben. Ausgehend von dem Argument, daß, wenn man viele
Elektronen mit einem Vielteilchen-Monte-Carlo-Algorithmus verfolgt,
die Anisotropieeffekte einer Bandstruktur nahezu vernachlässigbar
sind, beziehungsweise nicht stark ins Gewicht fallen, ist in
[51][60] ein Verfahren dargestellt, mit dem sowohl die
Zustandsdichte als auch die Ableitung der Energierelation numerisch
behandelt wird. Dabei wird eine isotrope Gruppengeschwindigkeit
zugleich mit einer isotropen Zustandsdichte
gelöst [51], wobei sich der Index auf ein Band bezieht. In dieser
Gleichung ist
die Multiplizität eines Bandes und
ein
Proportionalitätsfaktor. Da in dieser Darstellung zwei
Differentialgleichungen für eine einzige Lösungsfunktion auftreten, sucht
man mit einem willkürlichen Gewichtsfaktor
eine Lösung derart, daß der
relative Fehler
minimiert wird. Man muß also diesen Fehler in der
folgenden Beziehung mit der realen Zustandsdichte und Gruppengeschwindigkeit
mit den zusätzlichen Bedingungen minimieren:
Die Anordnung von Silizium in der Einheitszelle eines kubisch
flächenzentriertem Gitter ist in Abbildung 3.1 veranschaulicht. Die
Brillouinzone eines kubisch flächenzentrierten Gitters ist in
Abbildung 3.2 mit den wichtigsten Symmetriepunkten und -achsen
dargestellt und aus [41] entnommen. Der Punkt repräsentiert
den Mittelpunkt, lateinische Buchstaben einzelne Punkte an der
Begrenzungsfläche und die griechischen Symbole stehen für die
Symmetrieachsen. Die Koordinate des Punktes
beträgt
mit der Gitterkonstanten
. Eine
anisotrope Vollbandstruktur und ein isotropes, aus sechs kugelsymmetrischen
Leitfähigkeitsbändern bestehendes Mehrbandmodell, dessen Gewichtsfaktor
beträgt, sind in Abbildung 3.3 und 3.4 gegeben. Die
Daten einer anisotropen Bandstruktur mit empirischen Pseudopotentialen für eine
kubisch flächenzentrierte Symmetrie von Silizium sind [57][61]
entnommen. Eine genaue Diskussion, inwieweit Spin-Bahn-Kopplung, nichtlokale
Pseudopotentiale oder Hybridisierung die Bandstruktur beeinflussen, findet sich
in [62][63][64]. Eine Zusammenfassung von
Bandstrukturberechnungen von verschiedenen kristallinen und amorphen Materialien
ist in [65] gegeben.
Die Zustandsdichte und die Gruppengeschwindigkeit verschiedener Modelle für die
Bandstruktur sind in Abbildung 3.5 und 3.6 verglichen. Dabei
sind diese Größen mit einem einzelnen parabolischen, einem einzelnen
nichtparabolischen Bandmodell, einem isotropen Mehrbandmodell als auch mit
einem anisotropen Vollbandmodell [66] berechnet worden. Bei den
Einbandmodellen ist die effektive Masse als
mit
und
gegeben
[23][41]. Zusätzlich beträgt die Nichtparabolizität
. Es zeigt sich, daß ein parabolisches Band nur im Minimum
des jeweiligen Bandes mit einem realen Bandmodell übereinstimmt. Eine
Erweiterung auf Nichtparabolizität kann bis zum ersten Maximum bei ungefähr
der tatsächlichen Zustandsdichte als geeignete Näherung verwendet
werden. Die Gruppengeschwindigkeit
wird deutlich unterschätzt, je
größer die Nichtparabolizität gewählt wird, da im Gegensatz zum parabolischen
Einbandmodell noch ein zusätzlicher Divisor auftritt,
Eine gute Näherung sowohl für die Zustandsdichte als auch für die
Gruppengeschwindigkeit kann also nur dann erzielt werden, wenn der
Nichtparabolizitätsparameter klein ist oder der effektiven Masse
Tensoreigenschaften (Gleichung 3.8) zugeordnet werden. Hingegen
wird bei einem isotropen Mehrbandmodell Zustandsdichte und
Gruppengeschwindigkeit bis zu richtig reproduziert. Da bei der
Berechnung des Hochenergieanteils der Elektronen die Zustandsdichte bei den
Streuraten Eingang findet und auch die Gruppengeschwindigkeit des isotropen
Mehrbandmodell mit der realen übereinstimmt, ist mit einem isotropen
Mehrbandmodell ein vertretbarer Kompromiß zwischen numerischer Effizienz und
physikalischer Genauigkeit gegeben.