Die steigende Nachfrage nach elektronischen Produkten erfordert eine ständige Optimierung der Massenproduktion. Die Halbleiterindustrie als größter Zulieferer der Elektroniksparte erreicht dieses Ziel, indem sie die mikroelektronischen Bauteile immer weiter verkleinert. Als Folge dieser Verkleinerung wird die Zuverlässigkeit von elektronischen Komponenten wie dem Metall-Oxid-Halbleiter Feldeffekttransistor (MOSFET1 ) ein immer ernstzunehmenderes Thema. Die bias temperature instability (BTI) stellt eine solche Herausforderung dar. Sie tritt auf, wenn das gate eines Transistors unter erhöhter elektrischer Spannung steht. Die darauffolgende Veränderung von diversen Transistorparametern, wie zum Beispiel der Einsatzspannung, wird weiters durch eine erhöhte Temperatur verstärkt. Eine elementare Herausforderung, die zum Verständnis von BTI beitragen soll, besteht darin, dass sich die durch Stress degradierten Parameter nach Beendigung desselben wieder erholen. Man nennt diesen Vorgang auch Relaxation.
In dieser Arbeit werden die Auswirkungen von sowohl negativen als auch positiven Gatespannungen ausführlich mit unterschiedlichen Messtechniken erfasst. Neben den in der Halbleiterindustrie gebräuchlichen handelsüblichen Messinstrumenten werden mitunter auch komplett in Eigenregie entwickelte und gebaute Messinstrumente verwendet. Leider gibt es kein perfektes Setup für die Charakterisierung von BTI und jedes einzelne Equipment hat spezifische Vor- und Nachteile. Basierend auf bereits existierenden Modellen zur Beschreibung von BTI wird gezeigt, dass die Zeitverzögerung, die bei der Messung erfolgt, einen großen Einfluss auf die Beschreibung der Degradation und somit auf die vom Hersteller geschätzte Lebensdauer von Bauteilen hat. Auch aus diesem Grund wird die Relaxation hier genau untersucht. Nachdem unterschiedliches Equipment zur Charakterisierung von BTI verwendet wird und es bisher leider keine allgemein gültigen Spezifikationsrichtlinien gibt, erschwert das den Vergleich von Messdaten. Weiters unterscheidet sich die Nachbehandlung der Messdaten von Messroutinen, was mitunter eine sehr heikle Angelegenheit darstellt.
Der einfachste Weg, die Anfälligkeit eines Bauteils für BTI zu bestimmen, besteht darin, zuerst eine Referenzmessung der betroffenen Messgröße vorzunehmen. Nach erfolgtem Stress wird dann die Veränderung der Messgröße evaluiert. Dieser Vorgang wird Messen-Stressen-Messen (MSM) genannt. Durch wiederholtes abwechselndes Messen und Stressen können beliebig viele solcher Relaxationssequenzen aufgenommen werden. Die sehr kurze Zeitverzögerung der Messroutine, die Unempfindlichkeit gegenüber der Beweglichkeitsänderung in Kanal eines MOSFET’s und die Möglichkeit eine ungestresste Referenz zu erhalten, spricht für diese Technik im Vergleich zu anderen, obwohl die Stressphase bei MSM nicht aufgezeichnet werden kann. Um letzteres Handikap zu beseitigen, kann MSM mit der on-the-fly Methode, die eine Aufzeichnung der Stresssequenz ermöglicht, kombiniert werden.
Ein weiteres Hauptaugenmerk der Arbeit liegt darin, die Bedeutung von Kurzzeit- und Langzeit-verhalten der Relaxation zu untersuchen. Obwohl BTI schon seit Jahrzehnten bekannt ist, kam die Erkenntnis, dass Relaxation über einen logarithmisch gesehen großen Zeitraum stattfindet, erst vor wenigen Jahren. Das ist auch der Grund, warum lange angenommen wurde, dass NBTI ausreichend genau durch Wasserstoffdiffusion in das Oxid erklärt werden kann. Durch die modellbedingte Rückdiffusion kann die Relaxation allerdings nicht zufriedenstellend erklärt werden. Weiters ist es unmöglich mit dieser Theorie das experimentell beobachtete Verhalten von BTI abhängig von Temperatur, elektrischer Feldstärke im Oxid und Frequenz zu beschreiben.
Neuere Modellansätze bedienen sich schneller Locheinfangprozesse und der langsameren Generation von Grenzflächenzuständen, um BTI zu erklären. Eine Vielzahl an Versuchen war notwendig, bis ein passender Mechanismus gefunden wurde, der in der Lage ist, das zeitlich sehr weite Relaxationsverhalten zu erklären. Immerhin muss das Modell über Dekaden – und auch darüber hinaus – Gültigkeit besitzen. Ein passender Kandidat dafür ist die strahlungslose Multiphonon Theorie, mit der bereits -Rauschmessungen modelliert wurden. Diese Theorie basiert auf der Annahme, dass die Energie jedes Defektsystems durch ein adiabatisches Potential beschrieben werden kann. Durch das Anlegen von Stress kann ein thermodynamisch stabiles Defektpotential (1) gegenüber einem anderen höheren und deshalb unbesetzten Defektpotential (2) energetisch soweit angehoben werden, dass der thermodynamische Grundzustand von (1) nun über dem von (2) liegt. Dies ermöglicht einen Übergang von (1) zu (2), genannt Locheinfang. Während der Relaxation stellt sich wieder die energetisch niedrigere Defektkonfiguration von (1) ein, was einen Übergang zurück zu (1), also Lochabgabe, ermöglicht. Mittels eines solchen Modells konnte man bereits den Stufenprozess während der Relaxation von kleinflächigen MOSFETs als zeitlich diskret stattfindende Lochabgaben erklären. Weiters kann voraussetzt werden, dass größere MOSFETs auch eine größere Anzahl an Defekten aufweisen. Für diese Defekte kann man ferner unterschiedliche Eigenschaften, wie die energetische oder lokale Position im Oxid annehmen. Damit ist es möglich, Messungen bei unterschiedlichen Temperaturen, elektrischen Feldstärken im Oxid und auch Stresszeiten mittels der strahlungslosen Multiphonon Theorie zu modellieren, was ihre Gültigkeit in Bezug auf BTI unterstreicht.