Kurzfassung

Bei der Bias Temperature Instabilität (BTI) handelt es sich um einen Degradationseffekt in MOS-Feldeffekttransistoren, der stark thermisch aktiviert ist und bei hohen elektrischen Feldern im Oxid auftritt. BTI-Degradation wird meist erzeugt indem dem Gatekontakt des Transistors eine überhöhte Spannung zugeführt wird, während alle anderen Anschlüsse auf dem Massepotential liegen. Obwohl in allen Kombinationen von Spannungs- und Kanalpolaritäten beobachtbar, wird die mit Abstand stärkste Schädigung mit negativer Stressspannung in p-Kanal MOSFETs verursacht. Diese Situation wird als Negative Bias Temperature Instabilität (NBTI) bezeichnet. Näch gängiger Meinung liegt die Ursache der beobachteten Zerstörung in elektrochemischen Reaktionen an Punktdefekten die sowohl an der Oxid-Halbleiter-Grenzschicht wie auch im Oxid lokalisiert sind. Über den genauen physikalischen Vorgang der Schädigung konnte jedoch bisher keine Einigkeit erzielt werden.

Im Reaktions-Diffusions-Modell (RD-Modell) der NBTI ist die Degradation durch die fortschreitende Depassivierung von Siliziumatomen an der Oxid-Halbleiter Grenzfläche bestimmt. In dieser Region entstehen im Herstellungsprozess unabgesättigte Bindungen, die von den unterschiedlichen Strukturen im Oxid und im Substrat herrühren. In der Halbleiterbauteilfertigung werden diese offenen Bindungen durch Wasserstoffatome abgesättigt. Die Modellannahmen bestehen nun darin, dass die Anwesenheit von Defektelektronen in Kombination mit der erhöhten Temperatur die Si-H Bindungen brechen lässt und die Wasserstoffatome ins Oxid diffundieren, und dass diese Diffusion das zeitliche Verhalten der NBTI bestimmt.

Trotz seiner Beliebtheit ist weder das RD-Modell noch eine seine zahlreichen Erweiterungen in der Lage, alle experimentellen Beobachtungen konsistent zu erklären. So versagt dieser Ansatz beispielsweise völlig bei der Vorhersage der Ausheilung, die stattfindet sobald die Gatespannung reduziert wird. Das alternative Mehrzustands-Multiphonon-Modell von Grasser et al. versteht die BTI als dominiert vom Ladungsträgereinfang an Punktdefekten im Oxid. Der Ladungsaustausch mit dem Substrat wird in dem Modell als nicht strahlender vibronischer Übergang beschrieben. Zusätzlich zum Ladungsträgereinfang ist der Defekt in der Lage, zwischen zwei stabilen Konfigurationen zu wechseln, die durch eine thermische Barriere getrennt sind. Das Mehrzustands-Multiphonon-Modell ist in der Lage, das Verhalten von Bauteilen in einer Reihe von Komplexen BTI-Experimenten akkurat wiederzugeben. Aufgrund des großen Parametersatzes ist die Kalibrierung des Modells jedoch sehr aufwändig und oftmals uneindeutig. Weiters ist noch völlig unklar, welcher Punktdefekt für BTI verantwortlich ist.

In der vorliegenden Arbeit wurden beide Modelle mittels atomistischer Simulationstechniken näher untersucht. Der Reaktions-Diffusionsmechanismus wird hierbei auf Basis der Mastergleichung der stochastischen Chemie modelliert. Dabei wird deutlich, dass die übliche Beschreibung dieses Prozesses mittels Reaktionsgleichungen grob unzureichend ist. Mit dem hier präsentierten, physikalisch sinnvolleren Modell sind jedoch weder die experimentell beobachtete Degradation noch der Ausheilvorgang vorhersagbar. Dieser Umstand legt nahe, dass das RD-Modell auf physikalisch nicht haltbaren Annahmen basiert und dieses Konzept — im Speziellen die Annahme der diffusionslimitierten Degradation — einer Überprüfung auf mikroskopischer Ebene bedarf.

Mit Bezug auf das Mehrzustands-Multiphonon-Modell wird gezeigt wie einzelne Modellparameter auf Basis eines atomistischen Defektmodells mittels quantenchemischer Methoden berechnet werden können. Energieabhängige Übergangsquerschnitte werden mit unterschiedlichen Näherungen extrahiert, und die Ergebnisse gegenübergestellt. Die gewählten Defektstrukturen, die Sauerstoffvakanz und die Wasserstoffbrücke in kristallinem SiO2, dienen dabei als Anwendungsbeispiel und als Referenzdefekte für zukünftige Studien. Die Anwendung der berechneten Querschnitte in einer makroskopischen Bauteilsimulation wird demonstriert.