Die thermische Gitterschwingung spielt beim nuklearen Stoß nur dann keine Rolle, wenn man den Energieübertrag zwischen Ion und Siliziumatom berechnet oder eine so hohe Implantationsdosis wählt, daß der Gitterverband stark beschädigt wird.
Versucht man allerdings ein Modell für kristalline Materialien zu entwickeln, so spielen die Lage der Gitteratome und auch die thermische Bewegung der Atome um ihre Gitterruheplätze eine entscheidende Rolle. Wie noch ausführlich gezeigt werden wird, gibt es im Kristall Vorzugsrichtungen, d.h., in manchen Richtungen kann sich das Ion ungleich leichter fortbewegen (,,Channeling``), weil es sogenannte Kanäle (,,Channels``) (siehe Abbildung 1.2) vorfindet [Tho73]. Die Gitterschwingungen spielen nun beim Hinein- und Herausstreuen (,,De-Channeling``) aus den Kanälen eine entscheidende Rolle [Hob95c] und müssen daher sorgfältig modelliert werden.
Wenn nun die ,,Wafer``-Temperatur steigt, treten zwei konkurrierende Phänomene auf. Einerseits erhöht sich die Schwingungsamplitude der Atome und andererseits wird der bei höheren Dosen entstandene Gitterschaden teilweise oder komplett ausgeheilt. Ersteres hat eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Herausstreuen der Ionen aus den Kanälen zur Folge, letzteres stellt die Kristallstruktur wieder her und erhöht dadurch die ,,Channeling``-Wahrscheinlichkeit (siehe Abbildung 2.17).
Abbildung 2.17: Channeling-Effekt bei Implantation von -Ionen in <111> c-Si bei unterschiedlichen
Wafer-Temperaturen. Die Implantationsenergie betraegt 40keV und die
Dosis [Dea68].
In Zusammenhang mit dieser Arbeit spielen die thermischen Bewegungen der Siliziumatome eine noch wichtigere Rolle, denn sie bilden die Grundlage für die ,,Trajectory-Split`` Methode (ausführlich beschrieben in Kapitel 4) [Boh95a, Boh95b, Boh95d, Boh95e], die eine drastische Beschleunigung solcher Monte Carlo Simulationen ermöglicht.
Die Schwingungsebene der Atome wird senkrecht zum Geschwindigkeitsvektor des Ions angenommen, und die Auslenkung der Atome von der Ruhelage läßt sich durch eine unkorrelierte, dreidimensionale Gaußverteilung beschreiben. Gleichung 2.23 gibt dabei die Wahrscheinlichkeitsdichte an,
wobei die Standardabweichung entsprechend dem Debye-Modell
[Bla55] mit
gewählt wurde. Die dimensionslose Funktion ist durch
gegeben. stehen für die Auslenkungen des
Atoms aus seiner Gleichgewichtslage entlang der kartesischen
Koordinatenachsen, T entspricht der absoluten ,,Wafer``-Temperatur und
gibt die relative Atommasse des ,,Target``-Atoms an.
Die absolute Debye-Temperatur fungiert als Modellparameter und wurde in [Kit86] und [Dyg92] mit Hilfe von Messungen der spezifischen Wärme bzw. ,,Channeling``-Versuchen experimentell bestimmt. Jaraiz [Jar94] ging einen anderen Weg, indem er Simulationsergebnisse von MARLOWE [Rob90] mit SIMS Messungen verglich.
In Tabelle 2.2 sind die Debye-Temperatur und die dazugehörige Standardabweichung der Auslenkung des Atoms aus der Gitterruhelage für die oben erwähnten Untersuchungen zusammengestellt.
Tabelle 2.2: Die absolute Debye-Temperatur und die dazugehoerige
Standardabweichung der Auslenkung des Atoms um die Gitterruhelage .