Lösen der Boltzmanngleichung heißt berechnen, wie Elektronen in Abhängigkeit von Ort und Zeit im Momentenraum verteilt sind. Der rigoroseste Ansatz zur Lösung der Boltzmann Transportgleichung ist die Monte Carlo Methode. Sie erlaubt die direkte Lösung nach statistischen Prinzipien. Dabei werden Bahnen der Ladungsträger, die sich wiederholt aus freiem Flug und anschließender Kollision zusammensetzen, im Orts- und Impulsraum verfolgt [58], [59], [99], [111], [178]. Damit mit ausreichender Genauigkeit Mittelwerte gebildet werden können, muß eine große Anzahl von Trajektorien berechnet werden. Daraus resultiert ein hoher Rechenzeitbedarf, der die effiziente Nutzung einschränkt.
Die meisten industriell eingesetzten Bauelementesimulatoren basieren auf der numerischen Lösung eines Systems gekoppelter, nichtlinearer, partieller Differentialgleichungen in Raum und Zeit. In jüngster Zeit ist ein sich verstärkender Trend zu bemerken, den Benutzern Bauelementesimulatoren mit Transportmodellhierarchie anzubieten. Solche Simulatoren müssen neben der herkömmlichen Drift-Diffusionsnäherung mindestens ein hydrodynamisches und ein thermoelektrisches Transportmodell mit verschiedenen Randbedingungen (Stromrandbedingungen, externe Beschaltung mit Induktivitäten, Kapazitäten und Widerständen) enthalten. Es gibt vielfältige Bemühungen, nicht nur die maßgebliche Einschränkung der hydrodynamischen Gleichungen, die Annahme der konstanten, skalaren, effektiven Masse der Ladungsträger bzw. der Parabolizität der Bandstruktur aufzuheben (z.B. [37], [193]), sondern gleichzeitig Gittertemperatur und Trägertemperaturen zuzulassen und auf diese Weise den hydrodynamischen und thermoelektrischen Transport zu verbinden [38], [156], [158].
Professionelle Werkzeuge bieten darüber hinaus komfortable Benutzerschnittstellen (grafische Benutzeroberflächen), Robustheit, Stabilität des Lösungsverfahrens, optimiertes Konvergenzverhalten, hohe Lösungsgenauigkeit und vielfältige Möglichkeiten der Nachverarbeitung der Simulationsergebnisse (Grafik, Parameterextraktion usw.). Der Anwender des Bauelementesimulators kann (muß) das seiner Problemstellung adäquate Transportmodell wählen. Weil die Berücksichtigung komplexer Transportphysik bei der Simulation normalerweise mit erheblich größeren Rechnerresourcen (Rechenzeit, Speicherbedarf) bezahlt werden muß, ist auf diese Weise eine effiziente, kundenspezifische Nutzung des Bauelementesimulators möglich.
Es hat sich gezeigt, daß Bauelementesimulatoren, denen heuristische thermoelektrische Transportmodelle zugrundeliegen, den Anwenderanforderungen nicht mehr genügen. Viele Bauelementeentwickler sind deshalb dazu übergegangen, Modelle zu implementieren, die den gesamten klassischen Phänomenbereich der Thermoelektrizität, wie Seebeckeffekt, Peltiereffekt und Thomsonwärme in konsistenter Weise berücksichtigen. Die quasistationäre Näherung des auf Prinzipien der irreversiblen Thermodynamik beruhenden thermoelektrischen Transportmodells [200] hat sich inzwischen zum Standardmodell entwickelt. Es ist mittlerweile in vielen Simulatoren enthalten (ATLAS [14], MEDICI [16], SIMUL [107], [108], TRENDY [204], [205]). Dagegen bietet der Bauelementesimulator HFIELDS [155] thermoelektrischen Transport auf hydrodynamischer Basis.
Im Verlauf dieser Arbeit wurde eine neue Version des zweidimensionalen Bauelementesimulators BAMBI [65], [66], [67], [68], [69], [105], [141] erstellt, welche die Analyse thermoelektrischer Transporteffekte ermöglicht. Im Unterschied zu [107], [108], [204], [205] löst der Prototypsimulator BAMBI-3.0 das transiente, thermoelektrische Transportproblem in voller Komplexität bei zusätzlicher, selbstkonsistenter Berücksichtigung von Hochdotierungseffekten. Die einfachere, quasistationäre Näherung der Wärmegeneration ist in BAMBI-3.0 als Sonderfall enthalten.