In Kapitel 2 werden wichtige physikalische Grundlagen zusammengefaßt, sofern sie zum Verständnis der Herleitung des thermoelektrischen Transportmodells in Kapitel 3 oder zur Diskussion der Thermoelektrizität und der hydrodynamischen Transporttheorie in den Kapiteln 4 und 5 benötigt werden. Es muß darauf hingewiesen werden, daß Ergebnisse der Quantenmechanik, der kinetischen Theorie sowie der klassischen und irreversiblen Thermodynamik lediglich festgestellt werden. Ihre Herleitung wird im Rahmen dieser Arbeit nicht gegegeben.
Zunächst werden quantenmechanische Grundlagen der konventionellen, semiklassischen Transporttheorie dargestellt, insbesonders die Bandstruktur und die effektive Masse. Zur Behandlung der Transportphänomene mit Hilfe der Boltzmann Transportgleichung wird das Banddiagramm sowie die Dynamik des Kristallelektrons als Quasiteilchen benötigt. Es werden einige Aspekte der Relaxationszeitnäherung sowie der Momentenentwicklung der Boltzmanngleichung dargestellt. Der Schwerpunkt der Behandlung der Thermodynamik liegt auf der Darstellung der Gibbsfunktion bzw. Gibbs Fundamentalform, der Erweiterung der klassischen zur irreversiblen Thermodynamik und die Erläuterung der drei Postulate der irreversiblen Thermodynamik.
In Kapitel 3 wird ein Modell für den gekoppelten Transport von Ladungsträgern und Wärme hergeleitet. Zu diesem Zweck wird von ersten Prinzipien der irreversiblen Thermodynamik ausgegangen. Die Strategie zur Ableitung eines geschlossenen Gleichungssystems ist der kontinuumsmechanischen Hydrodynamik entnommen [35], [82], [86], [157].
Aus den Maxwellgleichungen werden zuerst Kontinuitätsgleichungen für Ladungsträgerkonzentrationen hergeleitet. Der erste Hauptsatz der Wärmelehre wird in vektoranalytischer Darstellung für kontinuierliche Systeme formuliert. Setzt man alle Bilanzgleichungen in die Gibbs Fundamentalform ein, erhält man die Entropiebilanzgleichung des Halbleiters. Die rechte Seite der Entropiebilanzgleichung stellt die Entropiequelle dar, in der sich konjugierte thermodynamische Flüsse und Kräfte identifizieren lassen. In den phänomenologischen Gleichungen werden thermodynamische Flüsse in Abhängigkeit thermodynamischer Kräfte dargestellt. Auf diese Weise ist es möglich, die mathematische Form des Wärmeflusses und der Elektronen- bzw. Löcherstromdichten herzuleiten. Sie braucht nicht vorausgesetzt werden [200]. Die endgültige Form des thermoelektrischen Transportmodells erhält man mit der Definition phänomenologischer Transportkoeffizienten (elektrische Leitfähigkeiten, thermoelektrische Kräfte, Wärmeleitfähigkeit) und der Wahl von Zustandsfunktionen (Boltzmannstatistik). Es werden zwei Varianten diskutiert. Die Darstellung empirischer Modelle für die in den thermoelektrischen Bestimmungsgleichungen auftretenden physikalischen Transportparameter bildet den Abschluß des Kapitels. Besondere Bedeutung kommt dem Modell der thermoelektrischen Kraft zu. Die Berücksichtigung von Hochdotierungseffekten stellt eine entscheidende Verbesserung dar.
Kapitel 4 ist der Diskussion des in Kapitel 3 hergeleiteten thermoelektrischen Transportmodells gewidmet. Zuerst wird gezeigt, daß es sich im Grenzfall stationärer Einbandleitung im homogen dotierten Halbleiter auf die klassische Theorie der Thermoelektrizität reduzieren läßt. Die in der Theorie der klassischen Thermoelektriziät übliche Formulierung der Gibbs Fundamentalform wird diskutiert. Im Rahmen einer Thermoelektrizität der Teilsysteme werden die in Kapitel 3 verwendeten Methoden jeweils auf das Elektronen-, Löcher und Phononensystem allein angewendet. Besonders wichtig ist die Interpretation der im Rahmen der irreversiblen Thermodynamik definierten makroskopischen Größen mit Hilfe von Größen der kinetischen Theorie. Zu diesem Zweck werden Beiträge vektorieller Größen zur lokalen Entropieproduktion mit Hilfe des H-Theorems auf der Grundlage der kinetischen Theorie untersucht. Der Grund für die formale Nichtüberführbarkeit der thermoelektrischen Transportmodelle auf der Basis der Hydro- bzw. Thermodynamik liegt im Unterschied der im Ansatz verwendeten Enegiebilanzgleichungen. Es kann gezeigt werden, daß die hydrodynamische Theorie der Thermoelektrizität dieselbe Wärmeflußgleichung wie die auf Prinzipien der irreversiblen Thermodynamik beruhende thermoelektrische Transporttheorie liefert, wenn die hydrodynamische Energiebilanzgleichung in geeigneter Weise ergänzt wird.
In Kapitel 5 wird ein formaler Rahmen für ein einheitliches Energietransportmodell mit gekoppelten Gitter- und Ladungsträgertemperaturen vorgestellt. Durch zusätzliche, vereinfachende Annahmen kann daraus ein hydrodynamisches und thermoelektrisches Transportmodell gewonnen werden.
In Kapitel 6 werden numerische Methoden zur Lösung des in Kapitel 3 hergeleiteten Systems nichlinearer, gekoppelter, partieller Differentialgleichungen für den thermoelektrischen Transport beschrieben. Die Diskretisierung der Gleichungen in Raum und Zeit wird diskutiert. Die Wahl des verwendeten asynchronen Lösungsverfahrens wird begründet. Die Darstellung in Kapitel 6 beschränkt sich auf numerische Probleme, die sich durch die thermoelektrischen Erweiterungen der Drift-Diffusionsnäherung neu stellen.
In Kapitel 7 werden Ergebnisse vorgestellt, die bei der Untersuchung thermoelektrischer Effekte in Leistungshalbleiterbauelementen erzielt worden sind. Das Kapitel beginnt mit einigen Bemerkungen zu Besonderheiten von Leistungshalbleitern und zur Problematik der Definition adäquater thermischer Randbedingungen. Bei der Darstellung des thermischen Durchbrennens eines GTO-Thyristors wird ein doppeltes Ziel verfolgt. Einerseits werden die im Bauelement stattfindenden Vorgänge während des 'thermal runaway' analysiert, indem zeitliche Veränderungen der inneren Verteilungen elektrischer und thermischer Größen interpretiert werden. Andererseits werden die Besonderheiten des in dieser Arbeit vorgestellten, auf Prinzipien der nichtreversiblen Thermodynamik beruhenden, selbstkonsistenten, thermoelektrischen Transportmodells im Vergleich mit einem heuristischen Modell [3] untersucht. Zu diesem Zweck werden Simulationsergebnisse miteinander verglichen, die mit dem einen und anderen Transportmodellen erzielt worden sind. Der Vergleich betrifft sowohl integrale Größen wie Verteilungen in Raum und Zeit.
Die thermoelektrische Analyse des statischen Latch-Up's in einem IGT wird durch Simulation eines Arbeitspunktes im kritischen Strombereich durchgeführt. Bei gleichbleibenden elektrischen Randbedingungen (Anodenspannung) werden die thermischen Rahmenbedingungen modifiziert. Einerseits wird die Menge der abführbaren Wärme durch die Wahl verschiedener Kühlbedingungen geändert. Andererseits werden Auswirkungen unterschiedlicher Wärmegenerationsmodelle untersucht. Die Temperaturabhängigkeit der Stromtragfähigkeit des IGT kann nachgewiesen werden, indem gezeigt wird, daß das Einsetzen von Latch-Up von der Selbsterwärmung abhängt.
Kapitel 8 gibt zum Abschluß einen kurzen Ausblick auf mögliche, weitere Arbeiten.