GTO-Thyristoren (Gate-Turn-Off-Thyristoren) sind abschaltbare Halbleiterbauelemente. Während konventionelle Thyristoren durch Richtungsumkehr von Hauptstrom und Hauptspannung abgeschaltet werden können, läßt sich der Stromfluß des GTO-Thyristors durch einen Rückwärts-Steuerstrom unterbrechen. In konventionellen, großflächigen Thyristorstrukturen bewirkt der Gatestrom aufgrund des lateralen Spannungsabfalls eine extreme Einschnürung des Anodenstroms , was zur lokalen Überhitzung und in der Folge zur Zerstörung des Bauelements führt [97]. Ab einer gewissen Größe des Steuerstroms erreicht der Gate-Emitter-Übergang den Durchbruch [80]. Dadurch ist dem zum Abschalten wirksamen Steuerstrom eine Grenze gesetzt, die gleichzeitig die Existenz eines maximalen abschaltbaren Anodenstroms bedeutet. Um einen hohen Abschaltstrom zu erreichen, wird die Emitterbreite verkleinert. GTO-Thyristoren werden deshalb aus vielen Zellen aufgebaut. Jede Zelle stellt einen funktionsfähigen GTO-Thyristor dar. Das gesamte Bauelement ist aus vielen, parallel geschalteten Teilthyristoren aufgebaut. Die Emitter sind als Streifen in komplizierten, ineinandergreifenden Gate-Emitter-Geometrien realisiert. Die Zellbauweise stellt hohe Anforderungen an die Prozeßtechnologie und Kontaktierung. Wenn der Gesamtstrom sich ungleichmäßig auf die Einzelzellen aufteilt, unterscheiden sich die Abschaltzeiten der einzelnen Streifen. Dann muß eine Zelle von dem Augenblick an, wo die anderen abgeschaltet sind, den gesamten Anodenstrom führen, was zur Zerstörung des Thyristors führen kann. Die Überlegenheit des Konzepts der schmalen Emitterstreifen erlaubt eine bessere Kontrolle des Stromflusses bei gleichbleibenden Durchlaßverlusten [67], [69].
GTO-Thyristoren müssen beschaltet werden, weil die Nichteinhaltung kritischer Spannungs- und Stromänderungen beim Ein- und Ausschalten zur Zerstörung führen können. Schaltet man einen Thyristor ein, zündet der Thyristor zunächst nur in einem kleinen Teil des Emitters. Der stromführende Bereich breitet sich relativ langsam über die gesamte Emitterfläche aus () [80]. Die Größe des primären Zündkanals und die langsame Zündausbreitung bestimmen den zulässigen -Wert. Im Fehlerfall kommt es zu einer lokalen Überhitzung. Ein steiler Anodenspannungsanstieg kann ein ungewolltes Zünden oder - während des Abschaltens - Wiederzünden des Thyristors weit unter der statischen Kippspannung bewirken. Nimmt nämlich die Anodenspannung im blockierten Thyristor zu, verbreitert sich die Raumladungszone zwischen den Basisgebieten durch Abfließen von Ladungen. Die Sperrschichtkapazität zwischen den Basisgebieten wird aufgeladen. Der Ladestrom fließt in der p-Basis als Majoritätsträgerstrom auf den Emitter zu und bewirkt - wie ein von der Gatespannung getriebener Einschaltstrom - Ladungsträgerinjektion, die zum Zünden des Thyristors führen kann. Der kapazitive Strom ist proportional der Spannungssteilheit , sodaß ein bestimmter -Wert die gleiche Wirkung hat wie ein bestimmter Zündstromwert. Eine wirksame Gegenmaßnahme sind Emitterkurzschlüsse. Sie bewirken das Abfließen des durch den Anodenspannungsanstieg verursachten Strom über die p-Basis am Emitter vorbei [67], [69]. Im Gegensatz zum Transistor begrenzt ein GTO-Thyristor Kurzschluß- und Überströme nicht. Wegen der ansteigenden Speicherladung ist ein GTO-Thyristor nur schwierig aus Überströmen abzuschalten.
Im Durchlaßzustand sind alle drei pn-Übergänge des Thyristors vorwärtsgepolt. Die schwach dotierten Gebiete der Mittelzone werden mit Ladungsträgern überschwemmt. Je nach dem Konzentrationsniveau der injizierten Ladungsträger werden drei Arbeitsbereiche unterschieden [80]. Hat der Anodenstrom die Größenordnung des Haltestroms, herrscht in beiden Basiszonen schwache Injektion. Der Minoritätsträgerstrom fließt als reiner Diffusionsstrom. Im unteren Betriebsstrombereich (der Anodenstrom ist etwa um den Faktor kleiner als der übliche Nennstrom) herrschen in der n-Basis bereits Hochinjektionsverhältnisse. Der Hauptteil des technisch genutzten Strombereichs ist durch starke Injektion in beiden Basiszonen gekennzeichnet. Die Elektronen- und Löcherkonzentration haben dieselbe Größenordnung . Sie ist wesentlich größer als die durch die Dotierung bestimmte Gleichgewichtskonzentration der Majoritätsträger. In diesem Zustand verhält sich der Thyristor wie eine pin-Diode [80], [97], [132], [183], [189].
Solange der Rekombinationsstrom der Basisgebiete dominiert, zeigt der Anodenstrom eine exponentielle Abhängigkeit von der Anodenspannung. Hochstromverhältnisse zeichnen sich durch einen quadratischen bis linearen Strom-Spannungs-Zusammenhang aus [97]. Erstere Beziehung wird wirksam, wenn der injektionsbedingte Minoritätsträgerstrom der hochdotierten Randgebiete dem Rekombinationsstrom in den Mittelgebieten größenordnungsmäßig vergleichbar wird. Der physikalische Grund liegt darin, daß diese in den Randgebieten schließlich rekombinierenden Stromanteile das Mittelgebiet ungeschwächt durchfließen. Sie extrahieren beim Verlassen ebensoviele Ladungsträger wie sie beim Betreten injizieren. Die Bilanz der Ladungsträger wird durch diese Stromanteile nicht erhöht, sie verbrauchen aber Spannung [183]. Aufgrund von Träger-Träger-Streuung steigt der Anodenstrom ab Ladungsträgerkonzentrationen von schwächer als quadratisch [80]. Dieser Effekt wird bei extremer Strombelastung noch durch eine Verminderung der Trägerlebensdauer infolge von Auger-Rekombination verstärkt [3].