6.2.1 Das physikalische Problem



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6.2.1 Das physikalische Problem

Als Heteroübergang bezeichnet man einen Übergang von einem Material auf ein anderes oder von einem Legierungsverhältnis auf ein anderes. In den meisten Fällen ist (aus Gründen der technischen Herstellbarkeit) der Heteroübergang von der zweiten Art, wobei das Legierungsverhältnis (mole fraction) meist auch nicht den ganzen möglichen Bereich ausnützt.

Bei dem Materialsystem GaAs/AlGaAs zum Beispiel wird das reine AlAs meist nicht verwendet; in dem ,,low-noise`` HEMT, der in dieser Arbeit untersucht wurde, reicht der Aluminium-Anteil über AlGaAs nicht hinaus. Der Grund dafür liegt darin, daß bei einem molaren Anteil von mehr als 45% Aluminium das Material zu einem indirekten Halbleiter wird (das -Tal steigt über die anderen Täler). Um den Bandkantensprung zu vergrößern, wird, statt den Aluminium-Anteil zu erhöhen, ein Kanal verwendet, der aus InGaAs besteht. Auch hier geht der Indium-Anteil nicht über ein gewisses Maß hinaus (bei dem HEMT-Beispiel ebenfalls bis 0.2).

Der Heteroübergang kann gradiert (räumlich verteilt) oder abrupt erfolgen. In den folgenden Ausführungen wird unter ,,Übergang`` immer ein abrupter Übergang verstanden. Der gradierte Übergang ist in den Formeln von Kapitel 3 bereits enthalten und bereitet keine besonderen Probleme.

Eigentlich ist auch der abrupte Übergang nicht wirklich sprunghaft. Je nach der Qualität der Materialgrenze, nach dem Herstellungsverfahren und nach der Materialkombination beträgt die Unschärfe eine bis sehr viele Atomlagen. Innerhalb dieser Zone gibt es weder eine vernünftige Definition eines (womöglich noch parabolischen) Bandes noch einer Zustandsdichte.

Trotzdem muß man, um die Simulation zu ermöglichen, von einigen Grundannahmen ausgehen. Typischerweise werden die Bänder bis zum Übergang als parabolisch angenommen; am Übergang springt dann die Bandkantenenergie (hier ) und die Zustandsdichte (hier ) abrupt auf den jenseitigen Wert.

Mit diesen Annahmen gibt es immer noch Quantisierungseffekte, die durch die kleine Kanalbreite und durch das Feld auftreten. Diese Quantisierungseffekte sollten allerdings auch bei üblichen MOSFETs auftreten, wo das Feld, mit dem die Minoritätsladungsträger an die Oberfläche gepreßt werden, wesentlich größer ist. Trotzdem sind bei MOSFETs bei etwa Umgebungstemperatur Simulationen ohne Quanteneffekte höchst erfolgreich, und Quantisierungseffekte, wenn sie überhaupt beobachtbar sind, haben auf die Ausgangskennlinien praktisch keinen Einfluß.

Da bei HEMTs kleinere Felder auftreten und der Kanal typischerweise genügend breit ist, um bei Umgebungstemperatur die Besetzung mehrerer Energieniveaus zu gestatten, wurde vorerst auf die Implementierung wesentlich aufwendigerer Modelle mit Quantentransport verzichtet. Im Anhang ist eine Größenabschätzung für Quanteneffekte bei dünnen Schichten zu finden.

Das Problem des Heteroübergangs reduziert sich also auf einen Sprung in der Bandkantenenergie und einen weiteren Sprung in der Zustandsdichte. Die Werte der einzelnen Größen an der Grenzschicht sind als Grenzwerte bei einseitiger Annäherung an den Übergang zu verstehen, beziehungsweise als zur Grenzschicht hin extrapolierte Werte für ein idealisiertes Übergangsmodell.

Für das Potential, das über die Materialgrenze stetig verläuft, ist die Übergangsbedingung denkbar einfach zu formulieren:

 

Für die Trägerkonzentration und die Trägertemperatur muß dagegen eine Formulierung gefunden werden, die die Physik des Heteroübergangs entsprechend berücksichtigt.

Besonders wichtig ist dabei der Grenzfall eines sogenannten Pseudoübergangs, also eines Überganges, bei dem sich das Material nicht ändert. Ein solcher Übergang hat seine Bedeutung nur in der internen Struktur des Simulators und der Simulatoreingabe. Es kann, bedingt durch die Einbindung in eine TCAD-Entwicklungsumgebung, dazu kommen, daß in der Eingabe für den Simulator verschiedene Schichten (also verschiedene Segmente) spezifiziert sind, die sich aber im Material nicht unterscheiden. Im Beispiel des ,,low-noise``-HEMT liegt ein solcher Übergang zwischen dem ,,spacer layer`` (einer dünnen undotierten Zwischenschicht über dem Kanal) und dem ,,supply layer`` (der darüberliegenden dotierten Schicht) vor. Das einzige, was sich an diesem Übergang ändert, ist die Grunddotierung des Materials. Für einen solchen Pseudo-Übergang müssen die Formeln des Heteroübergangs zu demselben Resultat führen, das bei Anwendung der kontinuierlichen Modelle aus Kapitel 3 entsteht.



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Martin Stiftinger
Fri Oct 21 18:22:52 MET 1994