7.6 Die Gesamtstromgleichung bei verkoppelten Bauelementen



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7.6 Die Gesamtstromgleichung bei verkoppelten Bauelementen

Da im GUMMEL-Schema die Poissongleichung ohne Kopplung mit den Kontinuitätsgleichungen gelöst wird, kann keine Abhängigkeit des Kontaktstroms vom Potential in das Gleichungssystem eingebracht werden. Darum ist es nicht möglich, mit dem GUMMEL-Schema Simulationen verkoppelter Strukturen durchzuführen, außer man verwendet spezielle Techniken als Hilfsmittel.

Anders liegt der Fall bei der Gesamtstromgleichung. Hier ist eine Abhängigkeit des Kontaktstroms vom Potential dadurch gegeben, daß die linearisierten Kontinuitätsgleichungen in der Gesamtstromgleichung stecken. Bei geschickter Durchführung, wobei besonders darauf zu achten ist, welche Kontaktgrößen in das bauelementübergreifende Gesamtstromgleichungssystem aufzunehmen sind, kann man daher transiente Simulation verkoppelter Bauelemente in einer Art GUMMEL-Zyklus bzw. in einem analog entkoppelten Verfahren durchführen. Dabei wird jeweils eine Gesamtstromgleichung für alle Bauelemente gemeinsam gelöst, gefolgt von den Ladungsträgergleichungen in den einzelnen Bauelementen.

Am Kontakt muß dabei folgendermaßen verfahren werden:

  1. Während die Kontinuitätsgleichungen gelöst werden (jede in ihrem Bauelement, in allen Schichten verkoppelt, aber nach Bauelementen entkoppelt), wird der entsprechende Kontaktstrom aufintegriert und auf den neuesten Stand gebracht. Mit den Kontinuitätsgleichung(en) der Elektronen wird also der Elektronenstrom berechnet, und mit den Kontinuitätsgleichungen der Löcher der Löcherstrom. Die entsprechenden Größen am Kontakt (, ) werden dabei auf den neuesten Stand gebracht.
  2. In dem anschließenden Schritt, in dem die Gesamtstromgleichung über alle Bauelemente verkoppelt gelöst wird, werden diese Ladungsträgerströme fest gelassen.

    Die Gesamtstromgleichung über verkoppelte Bauelemente besteht aus folgenden Teilen:

    1. In Halbleitern ist sie die Poisson-Gleichung mit den Zusatztermen, die die linearisierte Änderung des Leitungsstroms beschreiben (Gleichung 3.63). Die rechte Seite besteht in den Kontrollfunktionen der Poissongleichung und integriert sich am Kontakt zur Oberflächenladung auf.
      Die Ableitungen in der Matrix beschreiben die Änderung dieser Oberflächenladung mit der Potentialänderung, zuzüglich der während des Zeitschritts durch das geänderte Potential verursachten Leitungsstrom-Ladung. Es wird also der linearisierte Anteil des Zeitschritt-Integrals der Elektronen- und Löcherströme bei der Gesamtstromgleichung kurzfristig (bis zur nächsten Iteration) in der Oberflächenladung gespeichert.
      Dadurch ergibt sich für den gesamten Kontaktstrom eine vollständige Ableitung nach dem neuen Potentialfeld, indem die Elektronen- und Löcherstromkomponente zwar fixiert sind, ihre Ableitungen jedoch über den Umweg des Oberflächenladungsintegrals trotzdem im Gesamtstrom berücksichtigt werden.
      Für eine konsistente Iteration ist gesorgt, wenn die Oberflächenladung dann im nächsten Schritt vollkommen neu ermittelt wird.
    2. In Isolatoren ist die Gesamtstromgleichung einfach die Poisson-Gleichung ohne Leitungsstrom. Der dielektrische Fluß wird im Oberflächenintegral der Ladung aufsummiert und trägt zur Verschiebungsstromdichte bei.
    3. In nichtidealen Leitern (Ohmschen Leitern) ist die Gesamtstromgleichung die Laplace-Gleichung des Leitungsstroms. Der Leitungsstrom wird in der Kontaktgröße aufsummiert und trägt zum Gesamtstrom bei.
    4. In Induktoren ist die Gesamtstromgleichung die Laplace-Gleichung des Pseudo-Induktionsstroms, der ebenfalls an den Kontakten aufintegriert wird und zum Gesamtstrom beiträgt.
  3. Nach dem Lösen der Gesamtstromgleichung enthält die Größe daher nicht nur die Oberflächenladung, sondern auch die durch die Gesamtstromgleichung vorweggenommenen Änderungen der Ladungsträgerströme. Dieser Fehler bleibt bis zur nächsten Iteration der Gesamtstromgleichung erhalten. Der Fehler verschwindet erst dann völlig, wenn eine gekoppelte Lösung für den entsprechenden Zeitschritt erreicht ist.
Das folgende Bild 7.8 soll einen intuitiven Überblick über die Kontaktgrößen bei einer Iteration der Gesamtstromgleichung geben.

 

Die Gesamtstromgleichung vereinigt die dunkel hinterlegten Terme in einer Gleichung. Der Operator steht dabei symbolisch für die Linearisierung der Abhängigkeit der integralen Kontaktgröße nach dem Potential im Inneren des Halbleiters, wobei alle anderen Größen im Halbleiter (Trägerdichten und -temperaturen) festgehalten werden.

Bildet man in einem Gesamtsystem mit allen Gleichungen den Näherungsausdruck erster Ordnung

 

so wird in der Gesamtstromgleichung derselbe Ausdruck verwendet, wobei allerdings die Größen und als Ergebnisse des vorherigen Lösens der Kontinuitätsgleichungen feststehen, während alle anderen Terme durch die in Bild 7.8 dargestellte Form über den Umweg der Oberflächenladung am Kontakt in den Kontaktstrom gelangen.

Numerische Experimente zur Konvergenzuntersuchung der entkoppelten Methode bei verschiedenartigsten Randbedingungen sind allerdings noch ausständig, und so soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden.



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Martin Stiftinger
Fri Oct 21 18:22:52 MET 1994