In [82] wurde eine Verbesserung des Mock-Algorithmus
vorgeschlagen, von der behauptet wird,
daß dadurch die Genauigkeitsprobleme behoben werden, ohne die
Stabilität zu beeinträchtigen. Die Erweiterung besteht darin,
nach der Lösung der Kontinuitätsgleichung der Gesamtstromdichte
(nach Mock) die Poissongleichung zuzüglich zu lösen,
sodaß die zeitdifferenzierte Poissongleichung als
Prädiktorschritt und die Poissongleichung selbst mit
dem geeignet gewichteten Gummel-Term als Korrektorschritt aufzufassen ist.
Das Problem dieses hybriden Algorithmus ist jedoch ebenfalls
die Genauigkeit, denn wie aus dem Artikel hervorgeht,
wird die nicht iterierte Form des Mock-Algorithmus verwendet
(Kap. 5, Glg. (3.1)-(3.3) in [69]). In dieser Form
wird pro Zeitschritt lediglich eine einzige entkoppelte Iteration
des nichtlinearen Gleichungssystems durchgeführt.
Eine Kontrolle des Residuums der Einzelgleichungen erscheint
in dieser Form nicht möglich und kann durch die
oben genannte Erweiterung nicht grundlegend verbessert werden.
Die Anforderungen an einen leistungsfähigen
entkoppelten Algorithmus
zur Lösung des nichtlinearen Systems
der zeitabhängigen Halbleitergleichungen sind somit:
absolute Stabilität der Zeitdiskretisierung
und beliebige Genauigkeit im Rahmen
eines Verfahrens erster Ordnung.
Anders gesagt, der nichtlineare Gleichungslöser
darf bezüglich der Lösungsgenauigkeit
keine a-priori schlechteren Resultate liefern
als das Newton-Verfahren angewendet auf die gekoppelten Gleichungen.
Dazu betrachtet man die iterierte Form des Mock-Algorithmus
(Kap. 5, Glg. (3.4)-(3.6) in [69]). In dieser Form werden
die zeitdiskreten Halbleitergleichungen wie im Gummel-Algorithmus
entkoppelt und iterativ, also durch ein Fixpunkt-Verfahren
gelöst. Mit fortlaufender Iteration konvergiert dieses
Verfahren gegen die exakte Lösung des impliziten
Systems. Insbesondere gilt (Kap. 5, Glg. (3.16) in [69])
für die Norm des Residuums der
zeitdifferenzierten Poissongleichung im
Zeitpunkt mit
worin der Iterationszähler des Mock-Algorithmus und
eine unbekannte Konstante ist.
Demnach kontrahiert das Residuum der zeitdifferenzierten Poissongleichung
mit einem Faktor, der proportional dem Zeitschritt ist.
Das erklärt die beobachtete langsame Konvergenz des Algorithmus bei
großen Zeitschritten.
Die langsame Konvergenz bei großen Zeitschritten ist
das erste Problem. Das zweite ist, daß auch der iterierte Mock-Algorithmus
asymptotisch nicht die richtigen Stationärwerte liefert.
Der Grund ist eine Fehlerakkumulation in der zeitdifferenzierten
Poissongleichung. Dafür wiederum ist der Grund die Proportionalität
des Stabilisierungsterms zum Zeitschritt .
Diese Unbeschränktheit bewirkt, daß für große Zeitschritte
und für eine konstante
(eine von der Größe der Zeitschritte unabhängige) Fehlertoleranz
in der zeitdifferenzierten Poissongleichung
das Residuum der Poissongleichung akkumulieren kann.
Die eben skizzierten Mängel können in ähnlicher Weise wie in [82]
durch einen einfachen hybriden Algorithmus, d.h. durch einen
Korrekturschritt mit Hilfe des Gummel-Algorithmus, beseitigt werden.
Das Verfahren besteht darin, mittels des Mock-Algorithmus
eine Anfangslösung für jeden Zeitschritt zu schaffen.
Die Trajektorie des Gummel-Algorithmus wird dadurch auf eine
stabile Bahn ,,gelenkt``. Die endgültige Lösung des
nichtlinearen Gleichungssystems
wird schließlich durch den Gummel-Algorithmus gefunden.
Es hat sich im Verlauf zahlreicher numerischer Experimente als
zweckmäßig herausgestellt, den Mock-Algorithmus abzubrechen,
sobald die Norm des Potential-Inkrements in der zeitdifferenzierten
Poissongleichung eine halbe Temperaturspannung unterschreitet.
In vielen Fällen erfordert dies den bloßen Mehraufwand
von einer einzigen Gummel-Iteration, der Effekt ist aber, daß das
nichtlineare Gleichungssystem mit einer vom aktuellen
Zeitschritt unabhängigen Genauigkeit gelöst wird.
Dieser Effekt könnte auch durch fortlaufende Änderung
der Lösungsgenauigkeit der Poissongleichung erreicht werden.
Man läuft aber dann in die Gefahr von Konvergenzstagnationen.
Darüber hinaus ist zu bemerken, daß Gummel-Iterationen
hinsichtlich des numerischen Aufwands effizienter sind als
Mock-Iterationen. Nicht nur erfordert die
Matrixassemblierung weniger arithmetische Operationen,
auch der iterative Gleichungslöser
für das symmetrische lineare Gleichungssystem (ICCG) konvergiert
für die Poissongleichung schneller als für
das zeitdifferenzierte Gegenstück.
Unbeantwortet bleibt die grundlegende Frage nach der
Stabilität dieses
Algorithmus, da die vorangegangene Argumentation heuristisch ist.
Generelle Stabilitätsbeweise sind für das nichtlineare zeitdiskrete
System der Halbleitergleichungen derzeit nicht vorhanden.
Der Algorithmus mit der größten Stabilität scheint das
einfache implizite Euler-Verfahren
mit gekoppelter Lösung durch das Newton-Verfahren.
In [122]
werden beispielsweise Stabilitätsprobleme von diversen
Zeitschritt-Verfahren (z.B. [10]),
die auf dem Sektor der Halbleiternumerik
als etabliert gelten, vorgeführt.
Die transienten Simulationen, die im Rahmen
dieser Arbeit an MOS/MES-Bauelementen durchgeführt wurden und
an denen dieser Algorithmus erprobt wurde, haben jedoch eine
unbedingte Stabilität bei gleichzeitig hoher Effizienz
gezeigt.
Am Ende soll bemerkt werden, daß der Bauelement-Simulator
TOSCA [31]
in seiner transienten Version über eine
modifizierte Version des Mock-Algorithmus verfügen soll,
über dessen genaue Funktionsweise allerdings bis dato
nichts publiziert worden ist.