1.2.2 Hybrider Mock-Gummel-Algorithmus



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1.2.2 Hybrider Mock-Gummel-Algorithmus

 

In [82] wurde eine Verbesserung des Mock-Algorithmus vorgeschlagen, von der behauptet wird, daß dadurch die Genauigkeitsprobleme behoben werden, ohne die Stabilität zu beeinträchtigen. Die Erweiterung besteht darin, nach der Lösung der Kontinuitätsgleichung der Gesamtstromdichte (nach Mock) die Poissongleichung zuzüglich zu lösen, sodaß die zeitdifferenzierte Poissongleichung als Prädiktorschritt und die Poissongleichung selbst mit dem geeignet gewichteten Gummel-Term als Korrektorschritt aufzufassen ist. Das Problem dieses hybriden Algorithmus ist jedoch ebenfalls die Genauigkeit, denn wie aus dem Artikel hervorgeht, wird die nicht iterierte Form des Mock-Algorithmus verwendet (Kap. 5, Glg. (3.1)-(3.3) in [69]). In dieser Form wird pro Zeitschritt lediglich eine einzige entkoppelte Iteration des nichtlinearen Gleichungssystems durchgeführt. Eine Kontrolle des Residuums der Einzelgleichungen erscheint in dieser Form nicht möglich und kann durch die oben genannte Erweiterung nicht grundlegend verbessert werden.
Die Anforderungen an einen leistungsfähigen entkoppelten Algorithmus zur Lösung des nichtlinearen Systems der zeitabhängigen Halbleitergleichungen sind somit: absolute Stabilität der Zeitdiskretisierung und beliebige Genauigkeit im Rahmen eines Verfahrens erster Ordnung. Anders gesagt, der nichtlineare Gleichungslöser darf bezüglich der Lösungsgenauigkeit keine a-priori schlechteren Resultate liefern als das Newton-Verfahren angewendet auf die gekoppelten Gleichungen.
Dazu betrachtet man die iterierte Form des Mock-Algorithmus (Kap. 5, Glg. (3.4)-(3.6) in [69]). In dieser Form werden die zeitdiskreten Halbleitergleichungen wie im Gummel-Algorithmus entkoppelt und iterativ, also durch ein Fixpunkt-Verfahren gelöst. Mit fortlaufender Iteration konvergiert dieses Verfahren gegen die exakte Lösung des impliziten Systems. Insbesondere gilt (Kap. 5, Glg. (3.16) in [69]) für die Norm des Residuums der zeitdifferenzierten Poissongleichung im Zeitpunkt mit

worin der Iterationszähler des Mock-Algorithmus und eine unbekannte Konstante ist. Demnach kontrahiert das Residuum der zeitdifferenzierten Poissongleichung mit einem Faktor, der proportional dem Zeitschritt ist. Das erklärt die beobachtete langsame Konvergenz des Algorithmus bei großen Zeitschritten.
Die langsame Konvergenz bei großen Zeitschritten ist das erste Problem. Das zweite ist, daß auch der iterierte Mock-Algorithmus asymptotisch nicht die richtigen Stationärwerte liefert. Der Grund ist eine Fehlerakkumulation in der zeitdifferenzierten Poissongleichung. Dafür wiederum ist der Grund die Proportionalität des Stabilisierungsterms zum Zeitschritt . Diese Unbeschränktheit bewirkt, daß für große Zeitschritte und für eine konstante (eine von der Größe der Zeitschritte unabhängige) Fehlertoleranz in der zeitdifferenzierten Poissongleichung das Residuum der Poissongleichung akkumulieren kann.
Die eben skizzierten Mängel können in ähnlicher Weise wie in [82] durch einen einfachen hybriden Algorithmus, d.h. durch einen Korrekturschritt mit Hilfe des Gummel-Algorithmus, beseitigt werden. Das Verfahren besteht darin, mittels des Mock-Algorithmus eine Anfangslösung für jeden Zeitschritt zu schaffen. Die Trajektorie des Gummel-Algorithmus wird dadurch auf eine stabile Bahn ,,gelenkt``. Die endgültige Lösung des nichtlinearen Gleichungssystems wird schließlich durch den Gummel-Algorithmus gefunden. Es hat sich im Verlauf zahlreicher numerischer Experimente als zweckmäßig herausgestellt, den Mock-Algorithmus abzubrechen, sobald die Norm des Potential-Inkrements in der zeitdifferenzierten Poissongleichung eine halbe Temperaturspannung unterschreitet. In vielen Fällen erfordert dies den bloßen Mehraufwand von einer einzigen Gummel-Iteration, der Effekt ist aber, daß das nichtlineare Gleichungssystem mit einer vom aktuellen Zeitschritt unabhängigen Genauigkeit gelöst wird. Dieser Effekt könnte auch durch fortlaufende Änderung der Lösungsgenauigkeit der Poissongleichung erreicht werden. Man läuft aber dann in die Gefahr von Konvergenzstagnationen. Darüber hinaus ist zu bemerken, daß Gummel-Iterationen hinsichtlich des numerischen Aufwands effizienter sind als Mock-Iterationen. Nicht nur erfordert die Matrixassemblierung weniger arithmetische Operationen, auch der iterative Gleichungslöser für das symmetrische lineare Gleichungssystem (ICCG) konvergiert für die Poissongleichung schneller als für das zeitdifferenzierte Gegenstück.
Unbeantwortet bleibt die grundlegende Frage nach der Stabilität dieses Algorithmus, da die vorangegangene Argumentation heuristisch ist. Generelle Stabilitätsbeweise sind für das nichtlineare zeitdiskrete System der Halbleitergleichungen derzeit nicht vorhanden. Der Algorithmus mit der größten Stabilität scheint das einfache implizite Euler-Verfahren mit gekoppelter Lösung durch das Newton-Verfahren. In [122] werden beispielsweise Stabilitätsprobleme von diversen Zeitschritt-Verfahren (z.B. [10]), die auf dem Sektor der Halbleiternumerik als etabliert gelten, vorgeführt. Die transienten Simulationen, die im Rahmen dieser Arbeit an MOS/MES-Bauelementen durchgeführt wurden und an denen dieser Algorithmus erprobt wurde, haben jedoch eine unbedingte Stabilität bei gleichzeitig hoher Effizienz gezeigt. Am Ende soll bemerkt werden, daß der Bauelement-Simulator TOSCA [31] in seiner transienten Version über eine modifizierte Version des Mock-Algorithmus verfügen soll, über dessen genaue Funktionsweise allerdings bis dato nichts publiziert worden ist.



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Martin Stiftinger
Fri Oct 14 21:33:54 MET 1994