Unter pseudomorphem Wachstum (``pseudomorphic growth'') versteht man das Aufwachsen eines Materials unter Aufrechterhaltung der Kristallstruktur des Substrats im Epitaktikum. Kohärentes Wachstum (``coherent growth'' ) hingegen bedeutet die weitreichende Koordination der Gitterebenen. In der Folge werden die beiden Begriffe synonym verwendet. Kapitel 4 befaßt sich näher mit dem Problem der Verspannung in der Heteroepitaxie. Neben der besseren Lokalisierung der Elektronen im Kanal bietet GaInAs aber auch deutlich bessere Transporteigenschaften als GaAs. Dieser Umstand ist ein Schwerpunkt der vorliegenden Dissertation und im Kapitel 6 ausgeführt.
Waren die ersten pseudomorphen HFET den gitterangepaßten ungefähr gleichwertig, so reifte in den letzten Jahren die Technik der pseudomorphen HFET . Insbesonders die InP Technologie holte stark auf und führte zu den heute besten Hochfrequenzeigenschaften. Als Beispiele sind einige Rekordwerte für und die maximale Schwingfrequenz von HFET in Tabelle 1.1 angegeben, wobei alle Parameter extrinsische Daten sind. Alle HFET weisen DH-HEMT Strukturen mit AlInAs/GaInAs/AlInAs Schichtenfolge für Spacer/Kanal/Buffer auf (DH). Sie unterscheiden sich neben dem Substrat nur in der Auslegung des Kanals und der Dotierung.
Substrat | Kanal | (GHz) | (GHz) | (nm) | |
InP | lattice-matched | 165 | 405 | 150 | General Electric, 1989 [31] |
InP | pseudomorph | 340 | 250 | 50 | Hughes, 1992 [159] |
InP | graded | 305 | 340 | 100 | TRW, 1994 [220] |
GaAs | composite | 160 | 350 | 130 | TU München, 1996 [35] |
Die angeführten Werte beruhen nicht nur auf der kontinuierlichen Reduktion der Gatelänge unter Verwendung von T-förmigen Gate-Elektroden, sondern auf vielen Detailverbesserungen wie etwa graduelle Änderungen der Materialzusammensetzung (``graded channel, buffer'') und komplizierten Dotierschemata unter Einsatz von Deltadotierung . Gatelängen von wenigen nm wurden mittels Elektronenstrahllithographie realisiert [75]. Parallel erfolgte die Entwicklung der HBT [119]. Heutige Spitzendaten sind in Tabelle 1.2 angegeben. Alle Beispiele sind gitterangepaßte npn Strukturen und bis auf die HBT der NTT-Gruppe wurde gleiches Material für Basis und Kollektor, also SH Design verwendet. Der DH Aufbau verbessert die Spitzenwerte von und um gut 40 Ghz, die Kombination sogar um 130 GHz.
E/B | Substrat | (GHz) | (GHz) | |
InP/GaInAs | InP | 186 | 90 | Bellcore, 1994 [192,193] |
InP/GaInAs | InP | 161 | 167 | Fujitsu, 1995 [187] |
AlGaAs/GaAs | GaAs | 83 | 253 | Matsushita, 1995 [225] |
InP/GaInAs(DH) | InP | 228 | 227 | NTT, 1995 [224] |
InP/GaInAs(DH) | InP | 230 | 147 | NTT, 1996 [142], Varianten |
225 | 214 | |||
300 |
Pseudomorphe HEMT auf InP Basis sind heute die schnellsten Transistoren, wobei fairerweise auf den relativ geringeren Reifegrad der HBT Technik hingewiesen werden muß. So wurde DH Aufbau erst jüngst versucht [158], pseudomorphe HBT stehen erst am Beginn ihrer Entwicklung [229]. Andererseits bieten HBT aber eine Reihe von prinzipiellen Vorteilen wie geringere Größe, Verlustleistung und höhere Durchbruchspannung [8,179].
Alle Daten in den Tabellen sind als eine Momentaufnahme des ``state-of-the-art'' von Transistoren zu betrachten, wie sie zur Zeit höchstens in Forschung (Astronomie, Spektroskopie) und anderen Spezialgebieten (Satellitenkommunikation, Militärtechnik) verwendet werden; die Werte im kommerziellen Einsatz liegen noch weit darunter. InP basierte Transistoren eignen sich besser für die optoelektronische Integration [74,212]. So sind derzeit schon InP HFET und HBT in Multi-Gigabit Transceivern für optische Datennetze im Einsatz [126,179], Millimeterwellen-Schaltungen (>40 GHz) stehen kurz vor der Markteinführung in Abstandsradarsystemen in der Verkehrstechnik [154]. Im Licht des rasanten Fortschritts ist jedoch zu erwarten, daß es in absehbarer Zeit Transistoren im Terahertzbereich geben wird. Es wurde in [54] schon gezeigt, daß HEMT Strukturen zur Detektion und als nichtlineare Elemente (Mischer, Frequenzvervielfacher) für Frequenzen im Bereich der Plasmafrequenz der Kanalelektronen (bis einige 10 THz) geeignet sind.
Obwohl die mechanische Spannung ursprünglich unerwünscht war und als ein in Kauf genommenes Übel betrachtet wurde, erkannte man auch die Möglichkeiten, damit gezielt Materialparameter zu verändern. Durch Wahl sowohl der Zusammensetzung als auch des Verspannungszustandes des aktiven Materials auf einem virtuellen Substrat erhält man einen zusätzlichen Freiheitsgrad zur Erzielung des gewünschten Resultats. Die unmittelbar naheliegendste Anwendung ist die Verschiebung der Bandkantenenergie und damit der Wellenlänge (siehe Abschnitt 5.1.4).
Mechanische Deformation hat auch einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf die Banddiskontinuitäten an Heterogrenzflächen (Kapitel 6).