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1.3.2 Verspannte Schichten  

  Die Verwendung von GaInAs auf dem technologisch reiferen Substrat GaAs schien vielversprechender. Natürlich mußte man dabei Abschied nehmen von der fast perfekten Gitteranpassung, die eine relativ problemlose Heteroepitaxie erlaubte. Da die Gitterkonstanten von InAs und GaAs beinahe um 7% differieren, handelte man sich damit zunächst ein veritables Herstellungsproblem ein. Die eingeführte Deformation des Epitaktikums (``strained layer'' ) führte zu Problemen mit der mechanischen Langzeitstabilität und schlechten Grenzflächen; also wurden zunächst geringe In-Gehalte realisiert. Die Arbeit [176] gilt als die Erfindung des pseudomorphen  HFET.

Unter pseudomorphem Wachstum (``pseudomorphic growth'') versteht man das Aufwachsen eines Materials unter Aufrechterhaltung der Kristallstruktur des Substrats im Epitaktikum[*]. Kohärentes Wachstum  (``coherent growth'' ) hingegen bedeutet die weitreichende Koordination der Gitterebenen. In der Folge werden die beiden Begriffe synonym verwendet. Kapitel 4 befaßt sich näher mit dem Problem der Verspannung in der Heteroepitaxie. Neben der besseren Lokalisierung der Elektronen im Kanal bietet GaInAs aber auch deutlich bessere Transporteigenschaften als GaAs. Dieser Umstand ist ein Schwerpunkt der vorliegenden Dissertation und im Kapitel 6 ausgeführt.

Waren die ersten pseudomorphen HFET den gitterangepaßten ungefähr gleichwertig, so reifte in den letzten Jahren die Technik der pseudomorphen HFET . Insbesonders die InP Technologie holte stark auf und führte zu den heute besten Hochfrequenzeigenschaften. Als Beispiele sind einige Rekordwerte für $f_{\mathrm{T}}$  und die maximale Schwingfrequenz  $f_{\mathrm{max}}$  von HFET[*] in Tabelle 1.1 angegeben, wobei alle Parameter extrinsische Daten sind. Alle HFET weisen DH-HEMT Strukturen mit AlInAs/GaInAs/AlInAs Schichtenfolge  für Spacer/Kanal/Buffer auf (DH). Sie unterscheiden sich neben dem Substrat nur in der Auslegung des Kanals und der Dotierung.

   
Tabelle 1.1: Hochfrequenzeigenschaften von ``state-of-the-art'' HFET
Substrat Kanal $f_{\mathrm{T}}$(GHz)  $f_{\mathrm{max}}$(GHz)  $l_{\mathrm{G}}$(nm)  
InP lattice-matched 165 405 150 General Electric, 1989 [31]
InP pseudomorph 340 250 50 Hughes, 1992 [159]
InP graded 305 340 100 TRW, 1994 [220]
GaAs composite 160 350 130 TU München, 1996 [35]

Die angeführten Werte beruhen nicht nur auf der kontinuierlichen Reduktion der Gatelänge unter Verwendung von T-förmigen Gate-Elektroden, sondern auf vielen Detailverbesserungen wie etwa graduelle Änderungen der Materialzusammensetzung (``graded channel, buffer'') und komplizierten Dotierschemata unter Einsatz von Deltadotierung . Gatelängen von wenigen nm wurden mittels Elektronenstrahllithographie realisiert [75]. Parallel erfolgte die Entwicklung der HBT  [119]. Heutige Spitzendaten sind in Tabelle 1.2 angegeben. Alle Beispiele sind gitterangepaßte npn Strukturen und bis auf die HBT der NTT-Gruppe wurde gleiches Material für Basis und Kollektor, also SH Design verwendet. Der DH Aufbau verbessert die Spitzenwerte von $f_{\mathrm{T}}$ und $f_{\mathrm{max}}$ um gut 40 Ghz, die Kombination sogar um 130 GHz.

   
Tabelle 1.2: Hochfrequenzeigenschaften von ``state-of-the-art'' HBT
E/B Substrat $f_{\mathrm{T}}$(GHz)  $f_{\mathrm{max}}$ (GHz)  
InP/GaInAs InP 186 90 Bellcore, 1994 [192,193]
InP/GaInAs InP 161 167 Fujitsu, 1995 [187]
AlGaAs/GaAs GaAs 83 253 Matsushita, 1995 [225]
InP/GaInAs(DH) InP 228 227 NTT, 1995 [224]
InP/GaInAs(DH) InP 230 147 NTT, 1996 [142], Varianten
    225 214  
      300  

Pseudomorphe HEMT  auf InP Basis sind heute die schnellsten Transistoren, wobei fairerweise auf den relativ geringeren Reifegrad der HBT Technik hingewiesen werden muß[*]. So wurde DH Aufbau erst jüngst versucht [158], pseudomorphe HBT  stehen erst am Beginn ihrer Entwicklung [229]. Andererseits bieten HBT aber eine Reihe von prinzipiellen Vorteilen wie geringere Größe, Verlustleistung und höhere Durchbruchspannung [8,179].

Alle Daten in den Tabellen sind als eine Momentaufnahme des ``state-of-the-art'' von Transistoren zu betrachten, wie sie zur Zeit höchstens in Forschung (Astronomie, Spektroskopie) und anderen Spezialgebieten (Satellitenkommunikation, Militärtechnik) verwendet werden; die Werte im kommerziellen Einsatz liegen noch weit darunter. InP basierte Transistoren eignen sich besser für die optoelektronische Integration [74,212]. So sind derzeit schon InP HFET  und HBT  in Multi-Gigabit Transceivern für optische Datennetze im Einsatz [126,179], Millimeterwellen-Schaltungen (>40 GHz) stehen kurz vor der Markteinführung in Abstandsradarsystemen in der Verkehrstechnik [154]. Im Licht des rasanten Fortschritts ist jedoch zu erwarten, daß es in absehbarer Zeit Transistoren im Terahertzbereich geben wird. Es wurde in [54] schon gezeigt, daß HEMT Strukturen zur Detektion und als nichtlineare Elemente (Mischer, Frequenzvervielfacher) für Frequenzen im Bereich der Plasmafrequenz der Kanalelektronen (bis einige 10 THz) geeignet sind.

Obwohl die mechanische Spannung ursprünglich unerwünscht war und als ein in Kauf genommenes Übel betrachtet wurde, erkannte man auch die Möglichkeiten, damit gezielt Materialparameter zu verändern. Durch Wahl sowohl der Zusammensetzung als auch des Verspannungszustandes des aktiven Materials auf einem virtuellen Substrat  erhält man einen zusätzlichen Freiheitsgrad zur Erzielung des gewünschten Resultats. Die unmittelbar naheliegendste Anwendung ist die Verschiebung der Bandkantenenergie und damit der Wellenlänge (siehe Abschnitt 5.1.4).

Mechanische Deformation hat auch einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf die Banddiskontinuitäten an Heterogrenzflächen (Kapitel 6).


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Christian Koepf
1997-11-11