Wird der stationäre Zustand in einem Bauelement gestört, z.B. durch Änderung eines Kontaktpotentials, so reagiert das Gesamtsystem von Elektronen, Löchern und Störstellen mit einem Ausgleichsvorgang, der so beschaffen ist, daß er seiner Ursache entgegenwirkt, oder anders gesagt, daß ein neuer stationärer Zustand erreicht wird. Diese qualitative Formulierung läßt sich quantitativ durch eine gewöhnliche Differentialgleichung präzisieren:
Unbekannt sind in dieser Gleichung , und .
Diese Gleichung tritt als neue Gleichung zu den transienten
Halbleitergleichungen hinzu und kann als Kontinuitätsgleichung
der Ladung der Störstellen betrachtet werden.
Von besonderem Interesse, weil zum physikalischem
Verständnis am anschaulichsten beitragend, sind spezielle
analytische Lösungen von (3.32).
Unter vereinfachenden Annahmen der Zeitverläufe von und
ist das möglich. Dazu ist zu bemerken, daß die zeitlichen
Änderungen der Ladungsträgerkonzentrationen in kleinen ()
Bauelementen sehr rasch, d.h. im Pikosekundenbereich, verlaufen,
während die Umladung der Störstellen, abhängig von ihrer
Lage im verbotenen Band, um viele Größenordnungen länger
dauern kann. Dies soll nun etwas genauer beleuchtet werden.
Zuerst wird die transiente Emission erörtert.
Folgendes Szenario soll vorgestellt werden: Akzeptorartige
Störstellen mit der Konzentration
und dem diskreten Energieniveau
befänden sich im Gleichgewicht mit
dem Leitungs- und Valenzband und
seien mit besetzt.
Die Löcherdichte sei vernachlässigbar klein.
Zum Zeitpunkt werde das Ferminiveau der Elektronen
in sehr kurzer Zeit so weit abgesenkt, daß es für
einige unter dem Niveau liegt.
Die Störstellen sind nun nicht mehr im Gleichgewicht mit den
Energiebändern. Einfangprozesse von Löchern
sind vernachlässigbar. Die Störstellen
emittieren nun Elektronen ins Leitungsband, um das
Quasi-Ferminiveau in Übereinstimmung mit demjenigen
der Elektronen zu bringen. Die Störstellen werden deshalb
entleert gemäß der Differentialgleichung
mit der Lösung
Die Emissionsstromdichte ergibt sich zu
Dabei sei weiters angenommen, daß die emittierten Elektronen das Quasi-Ferminiveau der Elektronen nur unwesentlich beeinflussen. Simmons und Wei haben in [100] den Fall diskreter Grenzflächen-Störstellen untersucht. Dabei wurde der Begriff der Gleichgewichts- bzw. Nicht-Gleichgewichts-Ladungsdynamik geprägt. Um diese Terminologie zu verstehen, sei darauf hingewiesen, daß im oben angeführten Beispiel die Änderung des Quasi-Ferminiveaus der Elektronen als sehr schnell vorausgesetzt wurde, sodaß das Quasi-Ferminiveau der Störstellen dieser Änderung durch Emission nicht folgen kann. Dieser Fall entspricht somit der Emission im Nicht-Gleichgewicht. Geht dagegen die Änderung der Elektronenkonzentration ,,langsam`` vor sich, so bewegen sich die Quasi-Ferminiveaus der Elektronen und Löcher synchron, und man spricht sinngemäß von einer Emission im Gleichgewicht. Die Frage nach der Grenze dazwischen ist leicht beantwortet: Nicht-Gleichgewichts-Emission tritt ein, sobald
gegeben ist. Die Konstante , desgleichen
, ist die
Zeitkonstante des Nicht-Gleichgewichts-Emissionsprozesses
und ist unabhängig von der Elektronen- bzw. Löcherkonzentration
bzw. .
Ist das Quasi-Ferminiveau der Elektronen einmal einige
unter (und bleibt darunter),
so bleibt der Emissionsvorgang durch etwaige weitere
Änderungen von unbeeinflußt.
Im Gegensatz dazu ist die Zeitkonstante des Ladungsträgereinfangs
von den Ladungsträgerkonzentrationen abhängig. Bekanntlich können
die Ladungsträgerkonzentrationen in Halbleiter-Bauelementen
über viele Größenordnungen örtlich und zeitlich
variieren.
Demnach sollten für beliebig hohe
Ladungsträgerkonzentrationen
die Einfangprozesse beliebig rasch verlaufen können.
Dies ist unrealistisch und resultiert aus der Annahme der
Shockley-Read-Hall-Theorie, daß
beim Ladungsträgereinfang kein Einfangverzug existiert.
Es ist hingegen anzunehmen, daß für beliebig
große Ladungsträgerkonzentrationen die Einfangrate
sättigt [17].
Der große Dynamikbereich des Ladungsträgereinfangs
suggeriert, daß zur genauen Analyse eine selbstkonsistente
Lösung der dynamischen Störstellengleichung (3.32)
zusammen mit den zeitabhängigen Halbleitergleichungen
erforderlich ist.