3.3 Ausgleichsvorgänge



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3.3 Ausgleichsvorgänge

 

Wird der stationäre Zustand in einem Bauelement gestört, z.B. durch Änderung eines Kontaktpotentials, so reagiert das Gesamtsystem von Elektronen, Löchern und Störstellen mit einem Ausgleichsvorgang, der so beschaffen ist, daß er seiner Ursache entgegenwirkt, oder anders gesagt, daß ein neuer stationärer Zustand erreicht wird. Diese qualitative Formulierung läßt sich quantitativ durch eine gewöhnliche Differentialgleichung präzisieren:

 

Unbekannt sind in dieser Gleichung , und . Diese Gleichung tritt als neue Gleichung zu den transienten Halbleitergleichungen hinzu und kann als Kontinuitätsgleichung der Ladung der Störstellen betrachtet werden.
Von besonderem Interesse, weil zum physikalischem Verständnis am anschaulichsten beitragend, sind spezielle analytische Lösungen von (3.32). Unter vereinfachenden Annahmen der Zeitverläufe von und ist das möglich. Dazu ist zu bemerken, daß die zeitlichen Änderungen der Ladungsträgerkonzentrationen in kleinen () Bauelementen sehr rasch, d.h. im Pikosekundenbereich, verlaufen, während die Umladung der Störstellen, abhängig von ihrer Lage im verbotenen Band, um viele Größenordnungen länger dauern kann. Dies soll nun etwas genauer beleuchtet werden.
Zuerst wird die transiente Emission erörtert. Folgendes Szenario soll vorgestellt werden: Akzeptorartige Störstellen mit der Konzentration und dem diskreten Energieniveau befänden sich im Gleichgewicht mit dem Leitungs- und Valenzband und seien mit besetzt. Die Löcherdichte sei vernachlässigbar klein. Zum Zeitpunkt werde das Ferminiveau der Elektronen in sehr kurzer Zeit so weit abgesenkt, daß es für einige unter dem Niveau liegt. Die Störstellen sind nun nicht mehr im Gleichgewicht mit den Energiebändern. Einfangprozesse von Löchern sind vernachlässigbar. Die Störstellen emittieren nun Elektronen ins Leitungsband, um das Quasi-Ferminiveau in Übereinstimmung mit demjenigen der Elektronen zu bringen. Die Störstellen werden deshalb entleert gemäß der Differentialgleichung

mit der Lösung

 

Die Emissionsstromdichte ergibt sich zu

Dabei sei weiters angenommen, daß die emittierten Elektronen das Quasi-Ferminiveau der Elektronen nur unwesentlich beeinflussen. Simmons und Wei haben in [100] den Fall diskreter Grenzflächen-Störstellen untersucht. Dabei wurde der Begriff der Gleichgewichts- bzw. Nicht-Gleichgewichts-Ladungsdynamik geprägt. Um diese Terminologie zu verstehen, sei darauf hingewiesen, daß im oben angeführten Beispiel die Änderung des Quasi-Ferminiveaus der Elektronen als sehr schnell vorausgesetzt wurde, sodaß das Quasi-Ferminiveau der Störstellen dieser Änderung durch Emission nicht folgen kann. Dieser Fall entspricht somit der Emission im Nicht-Gleichgewicht. Geht dagegen die Änderung der Elektronenkonzentration ,,langsam`` vor sich, so bewegen sich die Quasi-Ferminiveaus der Elektronen und Löcher synchron, und man spricht sinngemäß von einer Emission im Gleichgewicht. Die Frage nach der Grenze dazwischen ist leicht beantwortet: Nicht-Gleichgewichts-Emission tritt ein, sobald

gegeben ist. Die Konstante , desgleichen , ist die Zeitkonstante des Nicht-Gleichgewichts-Emissionsprozesses und ist unabhängig von der Elektronen- bzw. Löcherkonzentration bzw. . Ist das Quasi-Ferminiveau der Elektronen einmal einige unter (und bleibt darunter), so bleibt der Emissionsvorgang durch etwaige weitere Änderungen von unbeeinflußt.
Im Gegensatz dazu ist die Zeitkonstante des Ladungsträgereinfangs

von den Ladungsträgerkonzentrationen abhängig. Bekanntlich können die Ladungsträgerkonzentrationen in Halbleiter-Bauelementen über viele Größenordnungen örtlich und zeitlich variieren. Demnach sollten für beliebig hohe Ladungsträgerkonzentrationen die Einfangprozesse beliebig rasch verlaufen können. Dies ist unrealistisch und resultiert aus der Annahme der Shockley-Read-Hall-Theorie, daß beim Ladungsträgereinfang kein Einfangverzug existiert. Es ist hingegen anzunehmen, daß für beliebig große Ladungsträgerkonzentrationen die Einfangrate sättigt [17].
Der große Dynamikbereich des Ladungsträgereinfangs suggeriert, daß zur genauen Analyse eine selbstkonsistente Lösung der dynamischen Störstellengleichung (3.32) zusammen mit den zeitabhängigen Halbleitergleichungen erforderlich ist.



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Martin Stiftinger
Fri Oct 14 21:33:54 MET 1994