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2.4 Die Wärmeleitungsgleichung des Kristallgitters  

Berechnet man die Selbsterwärmung des Bauteils, so braucht man ein zusätzliches Gleichungssytem, welches die Erwärmung des Kristallgitters beschreibt. Die Wärmeleitungsgleichung ist die bestimmende Gleichung für die Gittertemperatur des Halbleiters. Die für die Bauteilerwärmung verantwortliche Energie wird dabei unterschiedlich, in Abhängigkeit vom verwendeten Halbleitergleichungssystem, berechnet.

Ausgangspunkt für die Wärmeleitungsgleichung ist die Gleichung für die Wärmestromdichte eines Festkörpers. Eine mögliche Ableitung aus der Transportgleichung kann in [1] nachgelesen werden. Als Ergebnis erhält man einen Wärmefluß $\vec{S}_L$ des Gitters, der proportional zum Temperaturgradienten des Kristallgitters ist. Die Gleichung für die Wärmestromdichte lautet

 \begin{eqnarray}
\vec{S}_L(\vec{r},t)=-\kappa_L \cdot \mathrm{grad}\; T_L(\vec{r},t)\; .
\end{eqnarray} (2.64)

Dabei ist die Wärmeleitfähigkeit des Gitters $\kappa_L$ eine Funktion der lokalen Temperatur. Sie ist für die meisten in der Halbleitersimulation verwendeten Materialien durch Messungen relativ genau bekannt. Gleichung (2.64) bezeichnet man als FOURIER'sches Gesetz.

Der Erhaltungssatz der Wärmemenge besagt, daß die aus einem Volumen pro Zeiteinheit abfließende Wärmemenge gleich der Abnahme der Wärmemenge plus der Wärmemengenerzeugung pro Zeiteinheit innerhalb des betrachteten Volumens ist

 \begin{eqnarray}
\oint_A \vec{S}_L\cdot\mathrm{d}\vec{f}=-\frac{\partial}{\parti...
 ... c_p \cdot T_L \cdot \mathrm{d}V + \int_V H \cdot \mathrm{d}V\; .
\end{eqnarray} (2.65)

Dabei entspricht die Größe $\rho_L \cdot c_p$ der Wärmekapazität pro Volumseinheit. Die Variable $\rho_L$ ist die Massendichte des Materials, cp ist die Wärmekapazität pro Masse.

Gleichung (2.65) kann mit Hilfe des GAUSS'schen Satzes

 \begin{eqnarray}
\oint_A \vec{S}_L\cdot\mathrm{d}\vec{f}= \int_V \mathrm{div}\, \vec{S}_L \cdot \mathrm{d}V
\end{eqnarray} (2.66)


zu

 \begin{eqnarray}
\mathrm{div}\, \vec{S}_L+\rho_L \cdot c_p \cdot \frac{\partial T_L}{\partial t}=H(\vec{r},t)
\end{eqnarray} (2.67)

umgeformt werden. Setzt man (2.64) in (2.67) ein, so erhält man die transiente Wärmeleitungsgleichung des Kristallgitters

 \begin{eqnarray}
-\mathrm{div}\,(\kappa_L(T_L)\cdot \mathrm{grad}(T_L(\vec{r},t)...
 ... \cdot c_p \cdot \frac{\partial T_L}{\partial t}=H(\vec{r},t)\; .
\end{eqnarray} (2.68)

Die Größe $H(\vec{r},t)$ beschreibt die Wärmequelle/Wärmesenke des Kristallgitters. Sie wird in Abhängigkeit des verwendeten Halbleitermodells berechnet.

Im Drift-Diffusionsmodell wird angenommen, daß die Ladungsträger augenblicklich mit dem Gitter relaxieren. Die Folge ist, daß die Energierelaxationszeiten im Drift-Diffusionsmodell verschwinden. Die aus dem elektrischen Feld aufgenommene Energie wird sofort an das Gitter abgegeben, was bedeutet, daß sich die Ladungsträger nicht erwärmen können. Durch die gleichzeitige Abgabe der Energie treten somit auch keine nichtlokalen Effekte auf. Die an das Gitter abgegebene Energie wird deshalb folgendermaßen beschrieben

 \begin{eqnarray}
H(\vec{r})=
\mathrm{grad}\left(\frac{E_c}{q} -\psi\right)\cdot\...
 ...\frac{E_v}{q} -\psi\right)\cdot\vec{J}_p + R_{net}\cdot E_{g}\; .
\end{eqnarray} (2.69)

Der Summand $R_{net}\cdot E_{g}$ stellt die dem Kristallgitter zugeführte Rekombinationswärme dar. Dabei wird angenommen, daß jedes rekombinierende Ladungsträgerpaar genau jene Energie an das Gitter abgibt, die der Bandkantendifferenz Eg entspricht.

Im hydrodynamischen Modell wird die Wärmequelle $H(\vec{r})$ durch den Relaxationsterm (zweiter Term auf der rechten Seite (2.59)) beschrieben, sowie die effektiven Energieanteile Hn,eff,Hp,eff, die die Trägersysteme an das Kristallgitter aufgrund von Rekombinationsprozessen abgeben

 \begin{eqnarray}
H(\vec{r}) = \frac{3\cdot k_B}{2}\cdot\left(n\cdot\frac{T_n -T_...
 ...T_p -T_L}{\tau_{\epsilon, p}}\right) - H_{n,eff} - H_{p,eff} \; .
\end{eqnarray} (2.70)

Sind die Werte der effektiven Energiegenerationsraten negativ, so wird dem Kristallgitter Energie zugeführt.

Die Erwärmung des Bauteils durch Rekombinationsprozesse ist in den meisten Fällen sehr klein, sodaß sich eine Vernachlässigung der entsprechenden Terme kaum auswirkt. Jedoch haben zusätzliche Energiequellen oder Senken oft einen erheblichen Einfluß auf die gesamte Bauteilerwärmung. Als Beispiele dafür kann man den Beschuß des Halbleiters mit Elektronenstrahlen nennen, sowie die Aussendung von intensivem Licht (LASER). Diese Effekte müssen jedoch durch zusätzliche Terme in den Gleichungen (2.69, 2.70) berücksichtigt werden.

Im transienten Fall $H=H(\vec{r},t)$ sind weiters die Ströme, Potentiale und Temperaturen von (2.69) und (2.70) zeitabhängig.


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Martin Knaipp
1998-10-09