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2.2 Das Drift-Diffusionsmodell  

Das Drift-Diffusionsmodell wertet das nullte und erste Moment der Transportgleichung aus. Das nullte Moment erhält man, indem man $\Phi=1$ setzt. Die Transportgleichung reduziert sich somit auf

 \begin{eqnarray}
\frac{\partial c}{\partial t}+\mathrm{div}\, (c \cdot \vec{v})=-R_{net}\; .
\end{eqnarray} (2.9)

Der erste Summand auf der rechten Seite (2.8) verschwindet wegen $\mathrm{grad}_{k}\Phi=0$, der zweite Summand wird dargestellt als die Netto-Rekombinations/Generationsrate Rnet. Sie gibt die Anzahl der pro Zeit und Volumen rekombinierenden Ladungsträger an. Werden Ladungsträger generiert, so ist Rnet<0, was einer positiven rechten Seite von (2.9) entspricht. Geht man von den Teilchenströmen auf Ladungsströme über, so lautet die Kontinuitätsgleichung für Löcher

 \begin{eqnarray}
\mathrm{div}\, \vec{J}_p + q \cdot \frac{\partial p}{\partial t}=-q\cdot R_{net}
\end{eqnarray} (2.10)

und die Kontinuitätsgleichung für Elektronen

 \begin{eqnarray}
\mathrm{div}\, \vec{J}_n - q \cdot \frac{\partial n}{\partial t}= q\cdot R_{net}\; .
\end{eqnarray} (2.11)

Der Vorzeichenwechsel ergibt sich aus der Definition der Elektronenstromrichtung.

Die unbekannten Größen in den Kontinuitätsgleichungen sind die Stromdichten $\vec{J}_{n,p}$ der Ladungsträger. Sie werden durch Auswertung der Transportgleichung mit dem ersten Moment $(\Phi=\vec{u})$ bestimmt. Die grundlegende Annahme dabei ist, daß man die Teilchengeschwindigkeit $\vec{u}$ als Summe einer mittleren Geschwindigkeit $\vec{v}$ und einer ungerichteten Geschwindigkeit $\vec{c}$ darstellen kann

 \begin{eqnarray}
\vec{u}=\vec{v}+\vec{c}\; .
\end{eqnarray} (2.12)

Die Transportgleichung ist im Fall des ersten Momentes eine Vektorgleichung und nimmt folgende Form an

 \begin{eqnarray}
\frac{\partial(c\cdot \vec{v})}{\partial t} + \mathrm{div}\, \l...
 ...t c_j\rangle\right)=c\cdot \frac{\vec{F}}{m^\ast} + \vec{S}_v\; .
\end{eqnarray} (2.13)

Den Ausdruck im Divergenzoperator erhält man unter Berücksichtigung

 \begin{eqnarray}
\langle u_i \cdot u_j \rangle = \langle v_i \cdot v_j \rangle + \langle c_i \cdot c_j \rangle\; ,
\end{eqnarray} (2.14)

wobei gilt

 \begin{eqnarray}
c \cdot \langle v_i\cdot c_j\rangle= v_i \int c_j\cdot f \cdot ...
 ... \cdot \mbox{d}^3 c=v_i \cdot c \cdot \langle c_i \rangle = 0\; .
\end{eqnarray} (2.15)

Der erste Ausdruck (2.13) ergibt sich durch Mittelung von $\langle \vec{u}\rangle = \vec{v}$.

Der zweite Summand im Divergenzoperator von (2.13) läßt sich durch die Temperatur T beschreiben

 \begin{eqnarray}
m^{\ast} \cdot c \cdot \langle c_i \cdot c_j\rangle = \int m \c...
 ...cdot c_j \cdot f \cdot \mbox{d}^3 u =c \cdot k_B \cdot T_{ij}\; .
\end{eqnarray} (2.16)

Der Temperaturtensor Tij kann als Näherung diagonalisiert werden. Durch Mittelwertbildung über die Raumrichtungen erhält man schließlich die Temperatur als skalare Größe

 \begin{eqnarray}
T_{ii}= T_{ij}\cdot \delta_{ij}\simeq\frac{1}{3}(T_{11}+T_{22}+T_{33})=T\; .
\end{eqnarray} (2.17)

Das erste Moment der Transportgleichung nimmt folgende Form an

 \begin{eqnarray}
\frac{\partial(c\!\cdot \!\vec{v})}{\partial t} + \vec{v}\!\cdo...
 ...\cdot \!\mathrm{grad}(c\!\cdot\! k_B \!\cdot \! T)+ \vec{S}_v\; .
\end{eqnarray} (2.18)

Dabei wurde folgende Relation verwendet

 \begin{eqnarray}
\mathrm{div}\, \left(c \cdot \langle v_i \cdot v_j \rangle\righ...
 ...t \vec{v}) + (c \cdot \vec{v} \otimes \mathrm{grad})\cdot v_i\; .
\end{eqnarray} (2.19)

Als nächsten Schritt wendet man die Produktregel auf den ersten Term der linken Seite (2.18) an und setzt die Kontinuitätsgleichung (2.9) ein, sodaß sich die entstehenden Terme $ \vec{v}\cdot \mathrm{div}\, \vec{J}$ aufheben. Man erhält dann

 \begin{eqnarray}
c \cdot \frac{\partial(\vec{v})}{\partial t} + (c\cdot \vec{v}\...
 ...hrm{grad}(c\cdot k_B \cdot T)+ \vec{S}_v+R_{net}\cdot \vec{v}\; .
\end{eqnarray} (2.20)

Die entstehende Gleichung ist noch immer unterbestimmt. Um sie zu lösen, sind weitere Annahmen nötig, die besonders die Streuterme $\vec{S}_v$ und Rnet betreffen. Die beiden Streuterme der rechten Seite von (2.20) kann man vereinfachen, indem man annimmt, daß sich die Stoßterme von Streuungen in das betrachtete Band (Index ib) mit jenen, die aus dem Band streuen, aufheben und der Anteil des Streuintegrals somit näherungsweise nur Stöße enthält, die im betrachteten Band (Index iv) ablaufen.

Definiert man den aus dem betrachteten Band austretenden Impulsfluß $\vec{v}\cdot R_{net}$ mit

 \begin{eqnarray}
\vec{v}\cdot R_{net}\simeq -\vec{v}\cdot\left(\frac{\partial c}{\partial t}\right)_{ib} \; ,
\end{eqnarray} (2.21)

so kann man die Streuterme von (2.20) näherungsweise durch eine gemittelte Impulsrelaxationszeit $\tau_m$anschreiben

 \begin{eqnarray}
\vec{S}_v+R_{net}\cdot \vec{v}\simeq v\left(\frac{\partial c}{\...
 ...{\partial t}\right)_{ib}\simeq -\frac{c\cdot \vec{v}}{\tau_m}\; .
\end{eqnarray} (2.22)

Gleichung (2.22) ist die Definition der Impulsrelaxationszeit. Werte für $\tau_m$ erhält man aus der Monte-Carlo Simulation, da nur sie über mögliche Verteilungsfunktionen integriert.

Im nächsten Schritt wird die Gleichung (2.22) für ein Elektronensystem angeschrieben. Dazu verwendet man die Definitionen der Stromdichte und der Ladungsträgerbeweglichkeit. Für Elektronen setzt man

 \begin{eqnarray}
c\rightarrow n \qquad \vec{J}_n = -q\cdot n \cdot \vec{v} \qquad \mu_n=\frac{q}{m^\ast}\cdot \tau_m\; .
\end{eqnarray} (2.23)

Multipliziert man (2.20) weiters mit $-\tau_m\cdot q$ so erhält man die Impulsbilanzgleichung für das Elektronensystem

 \begin{eqnarray}
n\cdot \tau_m \cdot \frac{\partial}{\partial t}\left(\frac{\vec...
 ...thrm{grad}\left(\frac{n \cdot k_B \cdot T_n}{q}\right)\right)\; .
\end{eqnarray} (2.24)

Üblicherweise werden im Drift-Diffusionsmodell und im hydrodynamischen Modell die beiden ersten Terme der linken Seite von (2.24) vernachlässigt.

Vernachlässigt man den ersten Term, so wird sich dies nur im Falle einer transienten Simulation auswirken. Die Vernachlässigung ist gerechtfertigt, wenn man annimmt, daß die Impulsrelaxationszeit im Bereich von Picosekunden liegt und man daher bei den heute üblichen angelegten Signalen ein quasistationäres Verhalten voraussetzten kann. Dies bedeutet, daß sich das angelegte Signal nur so rasch ändern darf, daß die Ladungsträger noch genug Zeit finden, sich dem geänderten Signal anzupassen und einen neuen Gleichgewichtszustand einzunehmen.

Den zweiten Term bezeichnet man als konvektiven Term. Das Vernachlässigen des zweiten Terms bewirkt, daß sich im Falle eines reinen stationären Diffusionsproblems ($\vert\vec{E}\vert\!=\!0, T_n\!=\!\mathrm const$) bei beliebig großen Konzentrationsgradienten keine endliche Driftgeschwindigkeit $\vec{v}\!=\!\vec{v}_{sat}$ einstellt [53]. Physikalisch betrachtet, sollte jedoch die maximal erreichbare Diffusionsgeschwindigkeit durch die mittlere thermische Geschwindigkeit begrenzt werden, um noch sinnvolle Relaxationsvorgänge im Rahmen des Kontinuummodells beschreiben zu können. Der Fehler, der sich bei Vernachlässigen des konvektiven Terms ergibt, ist jedoch bei den meisten praktischen Bauteilsimulationen relativ gering.

Drückt man das Feld $\vec{E}$ durch den Gradienten des Potentials

\begin{eqnarray}\vec{E}=-\mathrm{grad}\;\psi 
\end{eqnarray} (2.25)

aus, so erhält man die übliche Gleichung für die Stromdichte $\vec{J}_n$ der Elektronen, wie sie im Drift-Diffusionsmodell und im hydrodynamischen Modell verwendet wird

 \begin{eqnarray}
\vec{J}_n=q\cdot\mu_n\cdot n\cdot \left(-\mathrm{grad}\;\psi + ...
 ...thrm{grad}\left(\frac{n \cdot k_B \cdot T_n}{q}\right)\right)\; .
\end{eqnarray} (2.26)

Faßt man die mikroskopischen und makroskopischen Kräfte zu einer resultierenden Kraft auf die Ladungsträger zusammen, so kann man diese Kraft $\vec{F}_{res}$ folgendermaßen anschreiben

 \begin{eqnarray}
\vec{J}_n=-q\cdot\mu_n\cdot n\cdot \vec{F}_{res}\quad \mathrm{m...
 ...thrm{grad}\left(\frac{n \cdot k_B \cdot T_n}{q}\right)\right)\; .
\end{eqnarray} (2.27)

Die Annahme, daß die mikroskopische Kraft auf die Ladungsträger ausschließlich durch das elektrische Feld verursacht ist, ist nur eine Näherung. Berücksichtigt man weiters die Änderung der Bandkantenenergie sowie den Gradienten der kinetischen Energie, so kann man die mikroskopische Kraftkomponente $\vec{F}_i$ auf den Ladungsträger folgendermaßen ausdrücken

 \begin{eqnarray}
\vec{F}_i=\frac{\partial}{\partial x_i}\cdot (\varepsilon(\vec{k},\vec{r})+E_b(\vec{r})-q\cdot\psi(\vec{r}))\; .
\end{eqnarray} (2.28)

Die daraus resultierende Berechnung der treibenden Kraft für die Stromgleichung ist in [40] hergeleitet. Als Ergebnis dieser allgemeinen Formulierung erhält man für Elektronen (sb=-1) und Löcher (sb=1)

 \begin{eqnarray}
\vec{F}_{res}= s_b\cdot\mathrm{grad}\left(\frac{E_b}{q}-\psi\ri...
 ...} \cdot \mathrm{grad}\left(\frac{c \cdot T_n}{N_{b,0}}\right)\; .
\end{eqnarray} (2.29)

Die Größe Nb,0 entspricht der Zustandsdichte der betrachteten Ladungsträger bei einer Gittertemperatur von 300K. Der zweite Summand von (2.29) läßt sich aufspalten zu

 \begin{eqnarray}
\frac{k_b}{q}\cdot \frac{N_{b,0}}{c} \cdot \mathrm{grad}\left(\...
 ...hrm{grad}\; N_{b,0} + \frac{k_B}{q} \cdot \mathrm{grad}\; T_n\; .
\end{eqnarray} (2.30)

Gleichung (2.30) ist das Ergebnis für eine konstante Zustandsdichte und somit einer konstanten Gittertemperatur. Bei variabler Gittertemperatur sollte jedoch der zweite Summand der rechten Seite von (2.30) laut Herleitung aus (2.28) und [40] proportional zu

 \begin{eqnarray}
\frac{1}{N_{b,0}}\cdot \mathrm{grad}\; N_{b,0} = \frac{1}{(m^\ast)^{3/2}}\cdot \mathrm{grad}(m^\ast)^{3/2}
\end{eqnarray} (2.31)

sein. Berücksichtigt man die Abhängigkeit der Zustandsdichte von der Gittertemperatur TL, so kann man Nb,0 in (2.29) durch die temperaturabhängige Zustandsdichte Nb(TL) ersetzen

 \begin{eqnarray}
\vec{F}_{res}= s_b\cdot\mathrm{grad}\left(\frac{E_b}{q}-\psi\ri...
 ...thrm{grad}\left(\frac{c \cdot T_n}{N_b(T_L)/T_L^{3/2}}\right)\; .
\end{eqnarray} (2.32)

Gleichung (2.32) berechnet die resultierende treibende Kraft auf einen Ladungsträger, so wie sie im Bauteilsimulator MINIMOS-NT ausgewertet wird. Die Diskretisierung der Stromgleichung und damit der treibenden Kraft kann in [45] nachgelesen werden.

Die Auswirkung des kinetischen Terms $\varepsilon(\vec{k},\vec{r})$ der treibenden Kraft macht sich somit nur bei unterschiedlicher Gittertemperatur bemerkbar. Dies ist die direkte Folge einer Änderung der effektiven Masse bei lokal unterschiedlicher Gittertemperatur. Die Auswirkung ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn ein parabolischer Bandkantenverlauf angenommen wird.

Im Fall des Drift-Diffusionsmodells setzt man die Temperatur der Ladungsträger gleich der Gittertemperatur. Die Elektronenstromdichte reduziert sich bei konstanter Gittertemperatur auf

 \begin{eqnarray}
\vec{J_n}=q\cdot\mu_n\cdot n\cdot \left(-\mathrm{grad}\;\psi +\...
 ...k_B \cdot T_L}{q} \frac{1}{n} \cdot \mathrm{grad}\; n \right)\; .
\end{eqnarray} (2.33)

Somit kann man die resultierende treibende Kraft für unterschiedliche Ladungsträger und örtlich variabler Bandkantenenergie Eb im Drift-Diffusionsmodell anschreiben als

 \begin{eqnarray}
\vec{F}_{res}= s_b\cdot\mathrm{grad}\left(\frac{E_b}{q}-\psi\ri...
 ...frac{k_b\cdot T_L}{q}\cdot \frac{1}{c} \cdot \mathrm{grad}\;c\; .
\end{eqnarray} (2.34)

Der Unterschied zwischen (2.34) und (2.32) besteht darin, daß der Rotor der treibenden Kraft (2.34) im Drift-Diffusionsmodell verschwindet, während er für die treibende Kraft (2.32) im hydrodynamischen Fall nicht Null ist (Anhang B). Verschwindet der Rotor von $\vec{F}$ nicht, so ist dies gleichbedeutend, daß Stromwirbel im Bauteil auftreten können. Nur wenn der Rotor eines Vektorfeldes verschwindet, bedeutet das, daß ein Potential des Vektorfeldes angegeben werden kann. Im Fall des Drift-Diffusionsmodells bezeichnet man dieses Potential als Quasifermipotential $\varphi$. Für Elektronen lautet es

 \begin{eqnarray}
\varphi_n=-\psi + \frac{E_b}{q}+\frac{k_B \cdot T_L}{q}\cdot \mathrm{ln} (n)\; .
\end{eqnarray} (2.35)

Die treibende Kraft der Elektronen kann somit als negativer Gradient des Quasifermipotentials angegeben werden

 \begin{eqnarray}
\vec{F}_n=-\mathrm{grad}\; \varphi_n\; .
\end{eqnarray} (2.36)

Genaugenommen existiert dieses FERMI-Potential nur dann, wenn man eine konstante Gittertemperatur vorgibt. Im Fall von Bauteilselbsterwärmung wirken auf die Ladungsträger Zusatzkräfte, die von Gradienten der Ladungsträgertemperatur herrühren.

Die Gleichungen (2.33), (2.11), die entsprechenden Gleichungen für die Löcher und die Poissongleichung

 \begin{eqnarray}
\mathrm{div}\;\epsilon \;\mathrm{grad}\; \psi = \rho
\end{eqnarray} (2.37)

beschreiben den vollständigen Satz von Differentialgleichungen, um die unbekannten Größen $\psi,n,p$ zu lösen.

Die Größe $\rho$ in Gleichung (2.37) spezifiziert die Raumladung, die durch freie Ladungsträger (n, p) und aktive gebundene Dopanden (ND+, NA-) hervorgerufen wird

 \begin{eqnarray}
\rho=q\cdot\left(p-n+ N_D^+ -N_A^-\right)\; .
\end{eqnarray} (2.38)

In (2.38) sind mögliche vom Arbeitspunkt abhängige Dopnaden, wie sie Rekombinationsfehlstellen darstellen (Kapitel 4), nicht berücksichtigt.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den hydrodynamischen Gleichungen und den Drift-Diffusions Gleichungen besteht in der Annahme einer identischen Temperatur von Ladungsträgern und Gitter beim Drift-Diffusionsmodell. Diese Annahme kann jedoch große Auswirkungen auf die Stromverteilungen im Bauteil haben. Der entscheidende Faktor dabei ist die Diffusivität D, die angibt, wie stark die Ladungsträger bestrebt sind, auseinander zu driften, wenn ein Ladungsträgerkonzentrationsgefälle vorliegt.

Die Diffusivität ist durch die EINSTEIN-Relation definiert. Für Elektronen gilt

 \begin{eqnarray}
D_n=\frac{\mu_n\cdot k_B \cdot T_n}{q}\; .
\end{eqnarray} (2.39)

Im Fall der hydrodynamischen Gleichungen ist die Diffusivität der Ladungsträger wesentlich höher, wenn man berücksichtigt, daß die Temperatur der Ladungsträger mehrere tausend Grad betragen kann. Im Drift-Diffusionsmodell setzt man die Trägertemperatur gleich der Gittertemperatur, wodurch sich die EINSTEIN-Relation für Elektronen vereinfacht zu

 \begin{eqnarray}
D_n=\frac{\mu_n\cdot k_B \cdot T_L}{q}\; .
\end{eqnarray} (2.40)

Die Auswirkungen dieser Temperaturnäherung werden in Kapitel 6 behandelt.

Das Drift-Diffusionsmodell wertet das nullte und erste Moment der BOLTZMANN-Transportgleichung aus. Informationen von höheren Momenten werden nur indirekt berücksichtigt. So werden im allgemeinen ladungsträgertemperaturabhängige Effekte durch das lokale elektrische Feld modelliert. Bei Bauteilen, wo die Energierelaxationslänge jedoch schon in die Größenordnung typischer Bauteilabmessungen kommt, ist diese Vorgangsweise durch das Auftreten von sogenannten nichtlokalen Effekten nicht mehr gerechtfertigt. Diese Effekte beschreiben das Ladungsträgerverhalten, wobei kein Gleichgewicht zwischen dem lokalen elektrischen Feld und der Trägertemperatur vorliegt. Nichtlokale Effekte treten daher besonders in Bereichen auf, wo sich das elektrische Feld abrupt ändert. Steigt das elektrische Feld sprunghaft an, so nehmen die Ladungsträger nicht sofort die Gleichgewichtstemperatur an, die sie hätten, wenn sie in einem Bauteil mit homogenem, elektrischen Feld driften würden. Stattdessen steigt die Trägertemperatur langsam an, was Auswirkungen auf andere Effekte mit sich bringt. So wird beispielsweise die Beweglichkeit durch die Ladungsträgertemperatur modelliert. Bei steigender Ladungsträgertemperatur nimmt die Beweglichkeit ab. Auf der anderen Seite ist die Driftgeschwindigkeit proportional zur treibenden Kraft, die wiederum vom elektrischen Feld abhängt. An Stellen im Bauteil, wo das elektrische Feld stark zunimmt, kommt es daher zu Driftgeschwindigkeitswerten, die über der Sättigungsgeschwindigkeit eines homogenen Feldbereiches liegen. Tatsächlich kann die Driftgeschwindigkeit die Sättigungsgeschwindigkeit um ein Mehrfaches übersteigen. Den in der Literatur angegebenen Fachausdruck dieses nichtlokalen Effektes bezeichnet man als ,,Velocity Overshoot ``.

Die typischen Bauteillängen dieser Effekte liegen dabei im Bereich einiger zehntel Mikrometer. Um diese nichtlokalen Effekte zu beschreiben, braucht man genauere Informationen über die Ladungsträgertemperatur sowie den im Bauteil auftretenden Energiefluß. Diese Zusatzinformation wird durch Auswerten des zweiten Momentes der Transportgleichung gewonnen. Es wird damit das Gleichungsystem des Energieflusses der Ladungsträger hergeleitet, welches sich durch bestimmte Näherungen zum hydrodynamischen Bauteilgleichungssystem reduziert.


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Martin Knaipp
1998-10-09