Wenn die Verteilungsfunktion bekannt ist, lassen sich die interessierenden makroskopischen Größen in einem Bauelement einfach ermitteln. So sind die primären Größen Trägerkonzentration und Stromdichte gegeben durch
Als weitere Beispiele seien die Driftgeschwindigkeit und die mittlere Elektronenenergie angeführt,
In vielen Fällen ist man an diesen Mittelwerten interessiert und nicht an der zugrundeliegenden Verteilungsfunktion. Gerade dieses Übermaß an Information, das in der vollständigen Verteilungsfunktion enthalten ist, verursacht die Schwierigkeiten, die mit der Lösung der Boltzmanngleichung verknüpft sind. Mit Hilfe der Momentenmethode können Gleichungen für einzelne Mittelwerte gezielt aufgestellt werden. Ist eine Observable, an deren Mittelwert
man interessiert ist, so gelangt man durch Multiplikation der Boltzmanngleichung mit und anschließender Integration über alle Wellenvektoren zu der Bestimmungsgleichung
wobei über gleichlautende Indizes summiert werden soll. Zur Umformung des ersten Terms auf der linken Seite wurde der Gaußsche Integralsatz verwendet und weiters angenommen, daß die Verteilungsfunktion im Unendlichen bzw. am Rand der Brillouinzone verschwindet.
Diese Gleichung hat die physikalische Bedeutung einer Bilanz- oder Erhaltungsgleichung für die Größe . Üblicherweise setzt man für aufsteigende Potenzen von oder ein und gelangt so zu einer unendlichen Hierarchie von Momentengleichungen. Für die praktische Anwendung muß diese Hierarchie abgebrochen werden. Nachdem in eine Momentengleichung immer auch das nächsthöhere Moment eingeht, muß beim Abbruch für dieses letzte Moment ein physikalisch motivierter Ansatz getroffen werden. Aber auch diese endliche Menge von Momentengleichungen bildet noch kein geschlossenes Gleichungssystem, sodaß weitere Näherungen erforderlich sind. Eine Annahme besteht darin, tensorielle Größen durch Skalare, üblicherweise wählt man die Spur des jeweiligen Tensors, zu approximieren.
Die nullte Momentengleichung beschreibt die Teilchenerhaltung. Setzt man in die Gleichung 4.13 ein, ergibt sich unmittelbar die Kontinuitätsgleichung
Da in der Boltzmanngleichung 4.1 Paargeneration und -rekombination nicht enthalten sind, ergibt die rechte Seite von 4.13 null.
Die in der Bauelementesimulation am häufigsten verwendeten Transportmodelle sind das Drift-Diffusionsmodell [67] [94] [110], welches die ersten beiden Momentengleichungen berücksichtigt, und das hydrodynamische Transportmodell. Von dem letzteren existieren zwei verschiedene Versionen. Dabei gehen entweder die ersten drei [3] [19] [22] [28] [29] [30] [31] [87] [88] oder die ersten vier [26] [34] [68] Momentengleichungen in das Transportmodell ein.
Bei der Herleitung dieser Transportmodelle wird in den allermeisten Fällen eine konstante effektive Masse vorausgesetzt, sodaß
gilt. Gerade diese Näherung wird häufig als wesentliche Einschränkung für die hydrodynamischen Transportmodelle gewertet. In neuere Arbeiten wird daher versucht, Nichtparabolizität in den Formalismus einzubeziehen [7] [15] [73] [98] [99].
Außerdem muß auf Grund der Notwendigkeit, ein geschlossenes System von Gleichungen zu erhalten, die rechte Seite jeder Bilanzgleichung 4.13 durch einen Relaxationszeitansatz
angenähert werden. Darin bedeutet den Mittelwert im thermodynamischen Gleichgewicht. Dieser Relaxationszeitansatz ist jedoch allgemeiner als jener in der Boltzmanngleichung 4.5, da in den Momentengleichungen für jede Observable eine ihr zugehörige Relaxationszeit definiert werden kann.