3.1.1 Boltzmanngleichung und Momentenmethode



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3.1.1 Boltzmanngleichung und Momentenmethode

 

Die Poissongleichung und die Kontinuitätsgleichungen für Elektronen und Löcher lassen sich im Rahmen der makroskopischen Elektrodynamik aus der dritten und der ersten Maxwellgleichung herleiten (vgl. [76] Kap. 1). Diese drei Gleichungen sind auch bei einer allgemeineren Betrachtung des Ladungsträgertransports, die über die Drift-Diffusionsnäherung hinausgeht, gültig.

Die folgende Herleitung der Trägertransportgleichungen und der funktionalen Form der zugehörigen Parameter (Beweglichkeit und Temperaturspannung ) folgt im wesentlichen der von Hänsch [25] vorgeschlagenen Methode. Eine detailliertere Diskussion dieser Ableitung findet man in [28] und [43]. Die Trägertransportgleichung wird im folgenden für Elektronen abgeleitet und gilt mit trivialen Änderungen auch für Löcher.

Um einen Zusammenhang zwischen der Stromdichte, dem elektrostatischen Potential und der Ladungsträgerdichte zu erhalten, betrachten wir nun die Verteilung der Ladungsträger im Phasenraum, der aus drei Ortskoordinaten , drei Impulskoordinaten und der Zeit gebildet wird. Zur Beschreibung eines Kollektivs von Ladungsträgern dient die Verteilungsfunktion , die die Wahrscheinlichkeit der Besetzung eines Zustands mit bestimmtem Ort und bestimmtem Impuls zur Zeit im Phasenraum angibt. Die totale Ableitung der Verteilungsfunktion nach der Zeit ergibt die Boltzmanngleichung (3.6). Diese beschreibt die ``örtliche'' (Ort und Impuls ) und zeitliche Änderung der Verteilungsfunktion in Abhängigkeit von äußeren und inneren Kräften. Äußere Kräfte werden in unserem Fall nur durch das elektrische Feld hervorgerufen. Die inneren Kräfte umfassen sämtliche Streuprozesse und Interaktionen zwischen den Ladungsträgern untereinander und den Ladungsträgern mit dem Kristallgitter. Während die äußere Kraft in einfacher Weise durch ausgedrückt werden kann, können die inneren Kräfte nur mehr mit statistischen Mitteln erfaßt werden.

 

Die Größen und auf der rechten Seite von Gleichung (3.6) beschreiben die Wahrscheinlichkeit, daß ein Teilchen aus dem Zustand in das Volumselement hinein, bzw. aus dem Volumselement herausgestreut wird. Mit wird die Gruppengeschwindigkeit bezeichnet.

Um Aussagen über die Verteilungsfunktion zu erhalten, kann (3.6) selbst gelöst werden. Dies ist praktisch nur mit mithilfe von Monte-Carlo-Methoden [35] möglich, wobei die Trajektorien einer großen Zahl von Teilchen im mikroskopischen Bereich verfolgt und daraus die makroskopischen Größen berechnet werden. Diese Methode erfordert einen enormen Aufwand an Computerresourcen und ist daher für den täglichen Einsatz in der Entwicklung nur in speziellen Fällen geeignet. Ein anderer Weg besteht darin, nicht die exakte Form der Verteilungsfunktion , sondern ihre makroskopischen Mittelwerte (Momente), die den interessierenden physikalischen Größen entsprechen, zu berechnen.

Die ersten vier Momente der Verteilungsfunktion sind die Teilchendichte (3.7), die Teilchenstromdichte (3.8), die Energiedichte (3.9) und die Energiestromdichte (3.10), wobei die Bandenergie bezeichnet.

    

Multipliziert man nun die Boltzmanngleichung (3.6) mit der jeweiligen Größe und integriert man über den Impulsraum, so erhält man Erhaltungsgleichungen für die vier Momente. Ohne Information über die genaue Form der Verteilungsfunktion ist es nicht möglich, die Streuintegrale auf der rechten Seite von (3.6) direkt auszuwerten. Es ist jedoch möglich, die Streuintegrale durch einen einfachen Relaxationszeitansatz der Form

zu approximieren. steht hier stellvertretend für die jeweils zu multiplizierende Größe in (3.7) - (3.10). Die Relaxationszeit ist im allgemeinen eine von den Momenten abhängige Größe. Nach Einführung einer verallgemeinerten Temperaturspannung bzw. einer verallgemeinerten Ladungsträgertemperatur , die der mittleren Teilchenenergie proportional ist,

und der Beweglichkeit

 

erhält man aus der Boltzmanngleichung folgende vier Gleichungen:

Die Impulsrelaxationszeit und die Energierelaxationszeit werden im allgemeinen von den vier Momenten , , und abhängig sein. Da ihre funktionale Form unbekannt ist, bietet sich nun die Möglichkeit, durch eine geeignete Wahl dieser Abhängigkeiten eine geschlossene Lösung des Gleichungssystems anzugeben. Durch eine geeignete Wahl ihrer Werte kann die Lösung an experimentelle Ergebnisse angepaßt werden.

Die Impulsrelaxationszeit läßt sich nun in der folgenden funktionalen Form darstellen [28]:

 

Die Koeffizienten und sind dabei nicht mehr von den Momenten abhängig. Die Energierelaxationszeit wird ebenfalls von den Momenten unabhängig angenommen.

 

Nach Einführung der auf die Ladungsträger einwirkenden treibenden Kraft [26]

erhält man mithilfe von (3.15) und (3.17) die Abhängigkeit der Impulsrelaxationszeit von der treibenden Kraft und der mittleren Teilchenenergie.

 

Gleichung (3.21) liefert unter Verwendung von (3.13) die Abhängigkeit der Beweglichkeit von der treibenden Kraft und der mittleren Teilchenenergie,

 

wobei die momentenunabhängigen Koeffizienten und aus (3.21) durch die ebenfalls momentenunabhängigen Koeffizienten und ersetzt wurden, die - wie unten gezeigt wird - leicht aus Grenzwertbetrachtungen für konstantes elektrisches Feld und homogene Dotierung bestimmt werden können.

Nach Vernachlässigung der zeitlichen Ableitungen in (3.14) und (3.16) steht nun mit (3.23) - (3.28) ein in den ersten vier Momenten der Boltzmanngleichung geschlossener Gleichungssatz zur Verfügung, aus den in weiterer Folge Erweiterungen zum klassischen Drift-Diffusionsansatz (3.4) - (3.5) gewonnen werden können.

      

Ziel der weiteren Vorgangsweise ist es, das Gleichungssystem (3.23) - (3.28) so weit zu reduzieren, daß einerseits die Gleichungsstruktur des klassischen Drift-Diffusionsansatzes (3.1) - (3.5) erhalten bleibt, andererseits aber auch die zusätzliche Information, die in der Energieerhaltungsgleichung (3.25) und der Energiestromgleichung (3.26) steckt, mitberücksichtigt wird.



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Martin Stiftinger
Fri Oct 14 19:00:51 MET 1994