Die obige Definition der Threshold-Spannung ist für die praktische Anwendung wenig geeignet, da die einsetzende Ladungsinversion nicht direkt bestimmbar ist. In Messung und Simulation werden einfachere Bestimmungsmethoden bevorzugt. Diese ,,pragmatischen`` Definitionen der Threshold-Spannung basieren auf dem Drainstrom . Als Threshold-Spannung wird jene Gate-Source-Spannung definiert, bei der entweder direkt der Drainstrom einen bestimmten Wert (,,Threshold``) erreicht oder die Tangente an die Kennlinie die Abszisse schneidet. Die gebräuchlichsten Bestimmungsmethoden sind:
Abbildung: Extrapolation der Threshold-Spannung aus der
Eingangskennlinie im linearen
Betriebsbereich für verschiedene Gate-Längen .
Abbildung: Extrapolation der Threshold-Spannung aus der
Kennlinie im Sättigungsbetrieb
für verschiedene Gate-Längen .
Die verschiedenen Bestimmungsmethoden haben unterschiedliche Werte für die Threshold-Spannung zur Folge. Abb. 4.3 zeigt dies anhand des Verlaufs der Threshold-Spannung über der Gate-Länge am Beispiel von -Kanal-MOS-Transistoren einer Halbmikron-Technologie mit einfach-implantierter Source/Drain-Struktur recht deutlich. Das Bestimmungsverfahren mit konstantem, geometrieunabhängigem Drainstrom (Kennlinien (4) , (5) und (6) in Abb. 4.3) mündet als einziges für größere Gate-Längen (etwa ) nicht in einen horizontalen Kurvenverlauf. Die in erster Näherung reziproke Proportionalität des Drainstroms zur Gate-Länge wird bei dieser Methode nicht kompensiert, bleibt im gesamten Bereich von abhängig.
Abbildung: Vergleich der Threshold-Spannung über der
Gate-Länge bei Anwendung der gebräuchlichsten
-Bestimmungsmethoden am Beispiel von -Kanal-Transistoren
einer Halbmikron-Technologie:
(1) Extrapolation aus linearem ,
(2) Extrapolation aus linearem bei
-Maximum,
(3) (verwendet in MINIMOS [MMO90]),
(a) , (b) ,
(4) ,
(5) ,
(6) ,
(7) Extrapolation aus .
Für kleine Gate-Länge spalten sich die Kurven in zwei Gruppen auf: In jene Verfahren, die die Threshold-Spannung im linearen Betriebsbereich des MOS-Transistors bestimmen (Kennlinien (1) Extrapolation aus linearem , (2) Extrapolation aus linearem bei -Maximum und (3a) für ) und in jene, die im Sättigungsbetrieb arbeiten (Kennlinien (3b) für , (4) , (5) , (6) und (7) Extrapolation aus ). Der Abfall der Threshold-Spannung mit kleiner werdender Gate-Länge (der Kurzkanal-Effekt, siehe Abschnitt 4.3) stellt sich im Sättigungsbetrieb deutlich größer dar als im linearen Betriebsbereich.
Dieser Abschnitt soll erläutern, wie groß der Unterschied der Threshold-Spannung bei Anwendung der verschiedenen, in Gebrauch stehenden Bestimmungsmethoden eigentlich ist. Die Folgerung daraus ist ebenso trivial wie für die praktische MOS-Technologieentwicklung wichtig: Messung, Bauelementsimulation und Parameterextraktion für die Schaltungsverifikation müssen auf derselben Methode zur Bestimmung der Threshold-Spannung basieren.
Geht man von einem hinreichend genau simulierten Dotierungsprofil aus, so verbleiben in der praktischen MOS-Technologieentwicklung mittels Bauelementsimulation noch immer drei Einflußgrößen auf die Threshold-Spannung: Die genaue Oxiddicke, die fixen Oxidladungen, und die Austrittsarbeit des Gate-Materials.