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Unterabschnitte


1.6 Modellierungstechniken für Verbindungsstrukturen

Üblicherweise berücksichtigt man die elektrischen Eigenschaften der Verbindungsstrukturen, indem man globale Größen, wie Widerstände und Kapazitäten extrahiert und sie dann in die Schaltungssimulation mit einbezieht. Eine genaue Parameterextraktion bildet somit die Grundlage für aussagekräftige Simulationen, da das elektrische Verhalten in zunehmendem Maß von den Verbindungsleitungen bestimmt wird [40,41]. In der Literatur ist eine große Anzahl solcher Extraktionsmethoden zu finden--die nächsten Absätze sollen einen kurzen Überblick geben.

Kapazitätsextraktion

Es gibt verschiedene Ansätze Kapazitäten zu berechnen:

Die analytische Feldberechnung ist leider nur für sehr einfache Geometrien (z.B. unendlich lange Leitung über ebenem Grund [42]) durchführbar.

Bei der Berechnung mit geometrischen Modellen versucht man die Kapazität direkt aus der Geometrie mittels empirischer Formeln abzuschätzen. So wird z.B. die Kapazität zweier benachbarter Leitungen aus einem Anteil, der proportional zur überlappenden Fläche ist, und einem Streuanteil zusammengesetzt. Vor allem in ECAD-Tools wird diese Methode bevorzugt verwendet, um direkt aus der Maskeninformation Kapazitäten zu extrahieren. Das Verfahren benötigt nur wenig CPU-Zeit, hat aber den Nachteil, dass es für sehr komplexe Strukturen mit vielen Metallisierungsebenen und Durchkontaktierungen ungenaue Ergebnisse liefert. Eine Reihe von mehr oder weniger aufwendigen Modellen ist in [43,44,45,46,47,48,49,50,51,52,53,54] beschrieben.

Die genauesten Ergebnisse bei allgemeinen dreidimensionalen Strukturen lassen sich erzielen, indem man die Laplace-Gleichung mit numerischen Feldberechnungsmethoden wie z.B. Finiten Elementen (FEM) oder der Boundary Element Methode (BEM) löst. Ihnen ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Widerstandsextraktion

Da die Berechnung von Leitungswiderständen ebenfalls auf der Lösung der Laplace-Gleichung basiert, sind die verwendeten Methoden ähnlich denen der Kapazitätsextraktion. Die Tatsache, dass ein Großteil der Verbindungsstruktur aus länglichen Quadern besteht, für die der Widerstand sofort angegeben werden kann, hat den Vorteil, dass in vielen Fällen mittels einfacher geometrischer Methoden, Resultate mit zufriedenstellender Genauigkeit erreicht werden können. So kann etwa der Widerstand sehr einfach durch ,,Abzählen von Quadraten`` oder allgemeineren polygonalen Zerlegungen [55] näherungsweise berechnet werden. Komplexe Geometrien lassen sich jedoch nur mit numerischen Methoden (z.B. FEM) ausreichend genau berechnen.

Kopplungseffekte über das Substrat können eine wichtige Ursache für Fehlfunktionen sein, besonders bei gemischten Analog-Digitalschaltungen und sehr empfindlichen Schaltkreisen, wie etwa in DRAMs. Um diese Kopplungen berechnen zu können, muss auch für die parasitären Strompfade über das Substrat eine Widerstandsextraktion durchgeführt werden. Dazu kann man entweder das Substrat durch ein Netzwerk diskreter Widerstände annähern [56] oder die Berechnung mittels FEM oder BEM durchführen [57,58].

Modellierung der Leitungsverzögerung

Für die Berechnung der Verzögerungszeit langer Leitungen ist es oft nicht ausreichend die Leitung als einfaches RC-Glied, basierend auf den extrahierten Widerständen und Kapazitäten, zu betrachten. Man kann nun entweder die Leitung in mehrere Teilstücke zerlegen und jedes dieser Teilstücke durch ein RC-Glied modellieren und somit die Ordnung des Modells erhöhen, oder man nimmt den Widerstand und die Kapazität gleichmäßig über die Leitung verteilt an und berechnet die Lösung mit der Telegraphengleichung [59,60].

Abbildung 1.8: Modellierung von Leitungen mittels der Telegraphengleichung
\fbox{\resizebox{0.62\textwidth}{!}{\includegraphics{trline}}}

Voraussetzung für die Gültigkeit der Telegraphengleichung ist, dass die Leitung in TEM oder Quasi-TEM Konfiguration betrieben wird, das bedeutet, dass das elektrische und magnetische Feld (annähernd) normal auf die Ausbreitungsrichtung stehen. Diese Bedingung ist auf den Verbindungsstrukturen mikroelektronischer Schaltungen in der Regel erfüllt. Aber auch wenn diese Voraussetzungen nicht ganz erfüllt sind, liefert die Telegraphengleichung noch gute Näherungen.

Für eine Anordnung gemäß Abb. 1.8 kann man die Telegraphengleichung im Frequenzbereich lösen und erhält folgende Übertragungsfunktion

$\displaystyle H(s)=\frac{1}{\left(1 +\frac{Z_S}{Z_T}\right)\cosh(\Gamma l) + \left(\frac{Z_S}{Z_0}+\frac{Z_0}{Z_T}\right)\sinh(\Gamma l)}$ (1.1)

mit der Leitungslänge $ l$, der Ausbreitungskonstanten  $ \Gamma=\sqrt{(R'+sL')(G'+sC')}$ und dem Wellenwiderstand $ Z_0=\sqrt{(R'+sL')/(G'+sC')}$. $ R'$, $ L'$, $ G'$ und $ C'$ sind der Widerstands-, Induktivitäts-, Leitwerts- und Kapazitätsbelag. Diese Parameter kann man beispielsweise mittels zweidimensionaler Simulation des Querschnitts ermitteln [61]. Der Leitwertsbelag wird meist mit Null angenommen, da die Verluste im Dielektrikum vernachlässigbar gering sind.

Vernachlässigt man die Leitungsinduktivität, bekommt die Telegraphengleichung die Form einer Diffusionsgleichung und es wird möglich, die Lösung direkt im Zeitbereich zu berechnen [62].

Ausgehend von der Telegraphengleichung lassen sich auch analytische Näherungen im Zeitbereich ableiten, deren Auswertung einen sehr geringen Rechenaufwand benötigt und welche somit gut für die Schaltungssimulation eingesetzt werden können [63,64,65].

Auch für Leitungen über verlustbehaftetem Substrat lässt sich die Telegraphengleichung mittels einer quasistatischen Näherung entsprechend erweitern [66]. Um die Kopplungen zwischen Leitungen zu berücksichtigen, kann die Theorie der Telegraphengleichungen auf Mehrleitersysteme erweitert werden.

Thermische Modellierung

In integrierten Schaltungen wird ein beträchtlicher Anteil der gesamten Leistung in den Verbindungsstrukturen in Wärme umgesetzt. Da SiO$ _2$ eine viel geringere Wärmeleitfähigkeit als das Si-Substrat besitzt, kommt es dort bei hohen Strömen aufgrund der schlechten Wärmeableitung zu einem starken Temperaturanstieg, woraus sich eine Grenze für den maximal erlaubten Strom in einer Leitung ergibt [67]. Bei ,,low-k``-Dielektrika, die in der Regel eine noch geringere Wärmeleitfähigkeit haben, ist dieser Nachteil noch stärker ausgeprägt. Auch durch die Einführung neuer Strukturen wie SOI (Silicon On Insulator) [68] treten vermehrt Probleme mit der Wärmeableitung auf.

Die Modellierung des thermischen Verhaltens gestaltet sich leider etwas komplizierter, als dies etwa bei der Widerstands- oder Kapazitätsextraktion der Fall ist. An sich sind zwar die gleichen mathematischen Verfahren anwendbar, meist aber sind hier ein- oder zweidimensionale Näherungen nicht ausreichend, da üblicherweise der Bereich der Wärmeausbreitung viel größer als die laterale Ausdehnung der Wärmequellen ist.

Bedingt durch den geringen Querschnitt der Verbindungsleitungen sind die thermischen Zeitkonstanten sehr klein. Eine adiabatische Näherung ist deshalb nur für sehr kurze Stromimpulse (wenige Nanosekunden) zulässig [69].

Bei den meisten Anwendungen ist eine Genauigkeit der berechneten Temperatur von wenigen Prozent nur durch eine umfassende dreidimensionale Simulation mit einer numerischen Methode (z.B. FEM) erzielbar. Insbesondere für stationäre thermische Simulationen ist es notwendig, das Simulationsgebiet sehr groß anzulegen--wenn der Chip nicht direkt auf einem guten Wärmeleiter montiert ist, müssen Gehäuse und Anschlussleitungen in der Simulation mitberücksichtigt werden [70]. Es ist aber möglich einfache analytische Modelle mit wenigen Parametern zu entwickeln, die für bestimmte Strukturen gültig sind [71]. Diese Modelle müssen aber unbedingt anhand numerischer Simulationen oder Messungen kalibriert werden.

Um thermische Effekte auch in der Schaltungssimulation zu berücksichtigen, kann man das thermische Verhalten durch ein elektrisches Ersatzschaltbild beschreiben. Die elektrische Spannung in der Ersatzschaltung entspricht dabei einer Temperatur und der elektrische Strom einem Wärmestrom. Ähnlich wie bei der Widerstands- und Kapazitätsextraktion lässt sich ein Netzwerk thermischer Widerstände und Kapazitäten berechnen [72]. Elektrische Verlustleistung wird durch eine Stromquelle im thermischen System dargestellt. Rückwirkungen auf das elektrische System treten auf, wenn durch die Temperatur bestimmte elektrische Parameter (Leitfähigkeit) beeinflusst werden. Die thermische Ersatzschaltung kann dann gemeinsam mit dem elektrischen Netzwerk in einem Schaltungssimulator analysiert und getestet werden.


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R. Sabelka: Dreidimensionale Finite Elemente Simulation von Verdrahtungsstrukturen auf Integrierten Schaltungen