Die thermoelektrische Wechselwirkung kann in einem geschlossenen
Wirkungskreislauf eine Arbeitspunktverschiebung verursachen, die keinem
stationären Zustand zustrebt, sondern ständig fortschreitet, bis die
Temperaturerhöhung zu einer Zerstörung des Bauelements führt.
Der Prozeß zunehmender thermischer Destabilisierung des
Bauelements setzt ein, wenn die Temperaturerhöhung aufgrund der
Dissipation elektrischer Energie eine Stromerhöhung bedingt, die
ihrerseits durch verstärkte Wärmeverlustproduktion zu einer
weiteren Temperaturerhöhung beiträgt ('thermal runaway').
Dieser Vorgang wechselseitig verstärkender Destabilisierung endet mit dem
Erreichen der Schmelztemperatur von Silizium ( Grad Celsius [189])
und der Zerstörung des Bauelements (Durchbrennen).
Um 'thermal runaway' zu induzieren, werden dem Thyristor in der
Simulation schlechte Kühlbedingungen auferlegt.
Zu diesem Zweck wird für die Wärmeübergangszahl der Wert
gewählt.
Abbildung 7.11: Zeitliche Entwicklung der maximalen und minimalen
Thyristortemperatur, (=
,
=
)
Aus Abb. 7.11 ist zu ersehen, daß sich der Temperaturanstieg nach wenigen
Millisekunden zunächst verflacht.
Der Thyristor scheint sich einem stabilen stationären Zustand zu nähern.
Nach 6 Millisekunden beginnt die Temperaturkurve schließlich steil nach
oben zu knicken.
Die maximale Thyristortemperatur steigt innerhalb von
Millisekunden exponentiell um nahezu
Kelvin.
Die weitere Temperaturerhöhung bis zum Erreichen der Schmelztemperatur
erfolgt auf der Zeitskala der Selbsterwärmung
in Abb. 7.11 (Millisekundenbereich) quasi instantan.
Das qualitativ gleiche Verhalten läßt sich beobachten, wenn das
heuristische Wärmetransportmodell verwendet wird.
Allerdings setzt der exponentielle Temperaturanstieg um
zirka
Millisekunden später ein.
Dieser zeitliche Unterschied bietet sich zur experimentellen Verifikation
des thermodynamischen thermoelektrischen Transportmodells an.
Abbildung 7.12: Zeitliche Entwicklung des Anodenstromes im Fall des thermischen
Durchbrennens, (=
,
=
)
Der Vorgang der thermoelektrischen Destabilisierung des
vorwärtsleitenden Thyristors läßt sich
- seitens des elektrischen Teilsystems - anhand der
zeitlichen Entwicklung des Anodenstroms verfolgen.
Anhand von Abb. 7.12 können im zeitlichen Anodenstromverhalten drei Phasen
unterschieden werden.
Zu Beginn steigt der Anodenstrom kurzzeitig an, weil im Randbereich der
-Basis etwas mehr Ladungsträger generiert werden, die zur Anode
und zum Emitter abfließen.
Dieser Effekt ist als zweidimensionales Phänomen zu betrachten.
Die Abnahme der Ladungsträgerbeweglichkeit mit zunehmender
Temperatur führt in der zweiten Phase bis etwa
Millisekunden
zu einer Abnahme des Anodenstromes.
Die Temperaturabhängigkeit der Beweglichkeit
begrenzt den Anodenstrom.
Sie wirkt stabilisierend auf das elektrische Verhalten des sich
erwärmenden Thyristors.
Schließlich wird der Beweglichkeitseffekt durch die thermische Generation
von Ladungsträgern überkompensiert.
Die elektrische Leitfähigkeit nimmt temperaturbedingt wieder zu, weil
mehr Ladungsträger zum Stromtransport zur Verfügung stehen.
Zuletzt bewirkt die exponentielle Abhängigkeit der intrinsischen
Ladungsträgerkonzentration von der Temperatur einen exponentiellen
Anstieg des Anodenstromes.
Mit ihm steigt die im Thyristor produzierte Joulewärme, die
dem Quadrat der Stromdichte proportional ist.
Die Wärmeabfuhr ist jedoch nicht im selben Maß steigerbar.
Sie ist dem Temperaturunterschied zur Wärmesenke proportional.
Das Mißverhältnis der Zunahme der dissipierten Energie mit der
Temperatur zur Zunahme der Wärmemenge, die zu den Wärmesenken
abgeführt werden kann, bedingt einen Zustand thermoelektrischer
Instabilität.
Abbildung 7.13: Thermische Ladungsträgergeneration []
nach
Sekunden im Fall des thermischen Durchbrennens,
(
=
,
=
)
Abbildung 7.14: Thermische Ladungsträgergeneration []
nach
Sekunden im Fall des thermischen Durchbrennens,
(
=
,
=
)
Der Thyristor beginnt durchzubrennen, wenn er aufgrund der
Temperaturerhöhung intrinsisch leitend wird.
Abb. 7.13 zeigt den Logarithmus der thermischen
Ladungsträgergeneration
nach 7.45 Millisekunden, Abb. 7.14 nach 7.60 Millisekunden.
In Abb. 7.13ist die thermische Generation von
Ladungsträgern nicht mehr auf ein kleines Gebiet der -Basis in der
Nähe des Gatekontakts beschränkt.
Sie hat bereits einen beträchtlichen Teil der angrenzenden
-Basis
erfaßt.
Aber erst nach 7.60 Millisekunden werden in der gesamten
Breite der
-Basis des Thyristors Elektronen und Löcher generiert.
Erst ab diesem Zeitpunkt wird der gesamte Mittelbereich des Thyristors
intrinsisch leitend.
Die starke, temperaturbedingte Ladungsträgerproduktion durch
thermische Generation
reicht für den exponentiellen Strom- und Temperaturanstieg aus.
Abbildung 7.15: Joulewärme [] nach
Sekunden
('thermal runaway',
=
,
=
)
Abb. 7.15-7.18 zeigen die einzelnen Beiträge zur Wärmegeneration. Die Simulationszeit beträgt 5 Millisekunden. In Abb. 7.15 ist der Logarithmus der Joulewärme zu sehen. Im Emitter ist infolge der Stromeinschnürung eine erhöhte Joulewärmeproduktion festzustellen. Die nichtplanare Bauelementgeometrie zwischen Emitter- und Gatekontakt stellt eine Störung von Feld und Stromfluß dar. Infolge von Feldspitze und Stromeinschnürung ergibt sich ein auffälliges Maximum der Joulewärmeproduktion. Insgesamt liefern die Joulschen Wärmeverluste den größten Beitrag zu den Gesamtverlusten. Die Thomsonwärme in Abb. 7.16 liefert nur in den hochdotierten Randgebieten signifikante Beiträge. Der Grund dafür ist in der Tatsache zu sehen, daß die thermoelektrische Kraft beim Übergang zum hochdotierten Emitter- und Anodengebiet besonders große Gradienten aufweist.
Abbildung 7.16: Thomsonwärme [] nach
Sekunden
('thermal runaway',
=
,
=
)
Abbildung 7.17: Rekombinationswärme [] nach
Sekunden
('thermal runaway',
=
,
=
)
Abbildung 7.18: Ladungsträgerquellwärme [] nach
Sekunden, ('thermal runaway',
=
,
=
)
Während Joule- und Thomsonwärme Funktionen der elektrischen Stromdichten darstellen, hängen Rekombinationswärme und Ladungsträgerquellwärme vom lokalen Zuwachs der Trägerkonzentrationen ab. Aufgrund der Hochinjektionsverhältnisse ist die Rekombinationswärme im gesamten stromführenden Bereich des Thyristors ausgeprägt. Aus Abb. 7.17 ist ersichtlich, daß die Rekombinationswärme besonders im Emitter, aber auch im Anodenbereich ein Maximum hat. Diese Beiträge werden durch starke Injektion von Ladungsträgern verursacht, die mit den Majoritätsträgern rekombinieren. Abb. 7.18 zeigt den Logarithmus der Ladungsträgerquellwärme. Auch sie zeigt in den Thyristorrandbereichen Maxima, einerseits deswegen, weil die effektive thermoelektrische Kraft (Soretfaktor) dort höhere Werte annimmt als in den Mittelgebieten, andererseits aus dem Grund, daß die Divergenz der Teilchenstromdichten unter quasistationären Bedingungen der Rekombinationsrate gleichzusetzen ist. Thomsonwärme und Ladungsträgerquellwärme sind direkt der lokalen Temperatur proportional. Ihr Beitrag zur gesamten Wärmeproduktion nimmt deshalb mit steigender Temperatur zu. Zusammen mit der Joule- und Rekombinationswärme, die eine gegenüber dem heuristischen Modell erweiterte Form haben, verstärken Thomson- und Ladungsträgerquellwärme den Selbsterwärmungsvorgang, verglichen mit konventionellen Modellen der Dissipation im Halbleiter.
Abbildung 7.19: Elektronenkonzentration [] entlang eines Schnitts in
der Emittermitte nach
und
('thermal runaway')
Abbildung 7.20: Löcherkonzentration [] entlang eines Schnitts in
der Emittermitte nach
und
('thermal runaway')
Abbildung 7.21: Potential [] entlang eines Schnitts in
der Emittermitte nach
und
('thermal runaway')
Abbildung 7.22: Temperaturzunahme [] entlang eines Schnitts in der Emittermitte
nach
und
('thermal
runaway')
Um die Veränderungen der abhängigen Variablen ,
,
und
im
Inneren des Thyristors bei zunehmender Erwärmung sichtbar zu machen,
wird in der Mitte des Emitters ein Schnitt durch den Thyristor gelegt.
In Abb. 7.19-7.22 ist die zeitliche Entwicklung
der Elektronen- und Löcherkonzentrationen, des elektrostatischen
Potentials sowie der Temperaturerhöhung zu sehen.
Abb. 7.19, 7.20 und 7.22 sind von unten nach oben zu betrachten.
Je mehr Zeit vergeht, desto heißer wird der Thyristor (Abb. 7.22).
Abb. 7.19 und 7.20 zeigen, daß das Dotierungsprofil mit
zunehmender Temperatur seinen Einfluß auf die
Majoritätsträgerkonzentration
und damit auf das Bauelementeverhalten
völlig verliert.
Lediglich die Elektronenkonzentration im hochdotierten Emitter wird
bis zuletzt von der Dotierung bestimmt.
Der Rest des Thyristors ist von Elektronen und Löchern überflutet, die
thermisch generiert werden.
Beachtenswert ist die hohe Minoritätsträgerkonzentration in den
hochdotierten Randgebieten.
Bei Thyristortemperaturen um
sind beide Basisgebiete sowie das
Anodengebiet vom quasineutralen Elektron-Lochplasma überflutet.
Raumladungen sind nahezu verschwunden.
Unter diesen Umständen reduziert sich die Poissongleichung auf die
Laplacegleichung.
Abb. 7.21 zeigt, wie das Potential linear zwischen Anode und Emitter abfällt.
Der GTO-Thyristor verhält sich wie ein ohmscher Widerstand,
der unter der anliegenden Gleichspannung infolge der thermischen
Leitfähigkeitsmodulation zunehmend in den Kurzschluß gerät.
In Abb. 7.19-7.21 ist zu beachten, daß sich die Randbedingungen des
elektrostatischen Potentials und der
Ladungsträgerkonzentrationen an idealen
ohmschen Kontakten infolge der zeitlichen Temperaturerhöhung
ändern.
Der Grund dafür ist die starke Temperaturabhängigkeit der
intrinsischen Ladungsträgerkonzentration, die sowohl das eingebaute
Potential als auch die Geichgewichtskonzentration der Elektronen und
Löcher am ohmschen Kontakt bestimmt.
Die Temperaturverteilungen in Abb. 7.22 sind fast homogen. Der Temperaturabfall erfolgt fast zur Gänze außerhalb des Bauelements. Der Einfluß der Temperaturgradienten in den Stromrelationen (3.89), (3.90) ist deshalb klein. Erst bei sehr hohen Temperaturen verschlechtert sich die Wärmeleitfähigkeit von Silizium signifikant. Somit ergeben sich in hohen Temperaturbereichen innerhalb des Bauelements wieder steilere Temperaturprofile.
Insgesamt zeigt sich, daß 'thermal runaway' - einmal durch schlechte
Kühlbedingungen induziert - von der starken
Temperaturabhängigkeit
der intrinsischen Ladungsträgerkonzentration bestimmt ist.
Die intrinsische Ladungsträgerkonzentration folgt der
Temperaturerhöhung instantan.
Sie stellt sich neben der Beweglichkeit als der kritischste
temperaturabhängige physikalische Parameter heraus.