Der zuvor durchgeführte Grenzübergang entspricht der Aussage, daß die Ladungsträger, um über die Materialgrenze zu kommen, keine Ortsdistanz überwinden müssen.
Mit der Verwendung der Formeln, die für kontinuierliche Verläufe abgeleitet wurden, wird allerdings implizit auch noch angenommen, daß sich die Energiedistanz ohne Ortsdistanz genauso verhält wie auf einer gewissen Ortsdistanz gleichmäßig verteilt. Die Energiebarriere geht zwar in das Verhältnis der Ladungsträgerkonzentrationen diesseits und jenseits der Heterobarriere ein, aber in den Formeln steckt doch die Annahme, daß die Ladungsträger auf beiden Seiten der Barriere die angenommene Energieverteilung, die der Temperatur entspricht, auch tatsächlich besitzen.
In der Praxis wird aber dadurch, daß hochenergetische Elektronen die Barriere überqueren können, niederenergetische dagegen zurückbleiben, die Temperaturverteilung beeinflußt. Für den Strom über die Heterobarriere ist es also maßgeblich, wie schnell (zum Beispiel durch entsprechende Streuprozesse) Ladungsträger in den hochenergetischen Bereichen ergänzt werden.
Bei besonders großen Feldern quer über die Heterobarriere treten zudem gekoppelte Emissionsmechanismen auf, bei denen die thermionische Emission mit dem Tunnelstrom zusammenwirkt: Bei hohen Querfeldern stellt die Barriere laut Bild 6.2 auch für Elektronen, deren Energie unter der Barrierenkante liegt, kein absolutes Hindernis mehr dar. Emission findet dann vor allem knapp über und knapp unter der Barrierenhöhe statt; der limitierende Faktor für hohe Energien ist die geringe Anzahl von Ladungsträgern, die diesen Energiebereich einnehmen, der limitierende Faktor für niedere Energien die immer geringer werdende Wahrscheinlichkeit, die Barriere zu durchtunneln.
Der zusätzliche Strom durch das Tunneln und die Verminderung des Stroms durch die beschränkte Fähigkeit des Trägergases, Verluste an Trägern mit hoher Energie genügend schnell nachzubesetzen, sind zwei gegenläufige Effekte, von denen besonders der letztere (außer mit Monte-Carlo-Studien) relativ schwer zu quantifizieren ist.
Die Formeln, die in verschiedenen Publikationen (zum Beispiel [81]) für die Emission über die Barriere angegeben werden, sind jedoch ebenfalls häufig von der Gestalt
Die Funktion enthält die Tunnel- und Emissionswahrscheinlichkeiten über die Barriere und andere physikalische Parameter, je nach Modell. Der Klammerausdruck gibt die Abweichung vom Gleichgewichtszustand an, die am Übergang herrscht. Diese Formeln definieren einen expliziten Stromfluß über die Heterobarriere, im Gegensatz zu den Gleichgewichtsgleichungen, bei denen der Fluß nur implizit aus einer benachbarten Box ausgerechnet werden kann.
Solange in einem Bauelement die Heterobarriere nicht das strombestimmende Element ist (also der Bereich mit dem größten Widerstand), geht die Emission über die Barriere praktisch nicht in die äußere Charakteristik des Bauelements ein. Das ist bei HEMTs in jenem Bereich der Fall, wo die Gatespannung den Kanal noch nicht voll durchgeschaltet hat, also im typischen Arbeitsbereich. Dann bestimmt die Stromleitfähigkeit des Kanals, die von der Trägerkonzentration im Kanal wie auch von der Feldverteilung (über die Beweglichkeit) bestimmt wird, das Ausgangskennlinienfeld.
Für das Beispiel in dieser Arbeit wurde daher nur ein Modell implementiert, wie es im vorigen Abschnitt beschrieben ist. An den Simulationsergebnissen kann man ablesen, wann der Kanal durchgeschaltet ist und die Emissionsformel Gewicht bekommt.
Die Ergebnisse im normalen Betriebsbereich werden also von dem spezifischen Emissionsmodell nicht beeinflußt. Für hohe Gatespannungen steht eine genaue Untersuchung noch aus, inwieweit unter diesen Bedingungen das einfache Emissionsmodell seine Gültigkeit behält. Speziell die Streuraten im Kanal (für den erwähnten Ausgleich in der Energieverteilungsfunktion) und das Feld über die Heterobarriere bedürfen dann noch einer detaillierten Analyse.