7. Induktivitätsberechnung mit dem Vektorpotenzial

Obwohl mit der implementierten Monte Carlo Methode (Kapitel 6) ein geeigneter Weg gefunden wurde, um relativ rasch Induktivitäten eines gegebenen Entwurfs zu berechnen, bleibt dabei der Wunsch offen, den Skineffekt zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit besteht nun darin, dass die elektrische Feldstärke nicht nur als Gradient eines Skalarpotenzials dargestellt wird, sondern auch die zeitliche Ableitung des magnetischen Vektorpotenzials beinhaltet, und daraus wird im Frequenzbereich die stationäre Lösung berechnet. Die zweite Möglichkeit den Skineffekt zu modellieren ist eine transiente Analyse durchzuführen, um z.B. Verzögerungszeiten zu berechnen oder das Übersprechen von einer Leitung zu benachbarten. Dabei ist anzumerken, dass die Analyse im Zeitbereich für hohe Frequenzen ineffizient wird, während im Frequenzbereich z.B. starke Nichtlinearitäten nicht inkludiert werden können.

Als Vorstufe zu obengenannten Erweiterungen wurde eine statische Extraktion von partiellen Induktivitäten basierend auf dem magnetischen Vektorpotenzial implementiert. Wie bereits in Kapitel 3 ausgeführt, verschwinden im statischen Fall die zeitlichen Ableitungen in den beiden ersten Maxwell-Gleichungen. Deshalb sind das magnetische und das elektrische Feld vollständig entkoppelt. Durch Lösen der Differentialgleichung (3.35) erhält man das elektrische Potenzial im Leiter, nachdem die Stromdichte mit (3.51) ermittelt wurde (s. auch Abschnitt 5.1), kann aufgrund von

$\displaystyle \nabla\!\times\!\nabla\!\times\!\mathchoice{\mbox{\boldmath$\disp...
...$}} {\mbox{\boldmath$\scriptstyle A$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle A$}}$ $\displaystyle =\nabla\!(\nabla\!\cdot\!\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displaystyl...
...$}} {\mbox{\boldmath$\scriptstyle J$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle J$}}$ (7.1)

die Vektor-Poisson-Gleichung

$\displaystyle \mathrm{\Delta}\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displaystyle A$}} {\m...
...$}} {\mbox{\boldmath$\scriptstyle A$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle A$}}$ $\displaystyle =-\protect{\protect{\mbox{{\usefont{U}{eur}{m}{n}\char22}}}\mathc...
...}} {\mbox{\boldmath$\scriptstyle J$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle J$}}}$ (7.2)

separat für jede Koordinatenrichtung benutzt werden, um das magnetische Vektorpotenzial zu berechnen. Die Induktivität kann hierbei aus

$\displaystyle L=\frac{2W}{I^2}$ $\displaystyle =\frac{1}{I^2}\int_{\cal{V}}\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displays...
...} {\mbox{\boldmath$\scriptstyle J$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle J$}}dV$ (7.3)

unter Vermeidung der Auswertung eines doppelten Volumsintegrals berechnet werden. Zur eindeutigen Festlegung des Vektorpotenzials $ \mathchoice{\mbox{\boldmath $\displaystyle A$}}
{\mbox{\boldmath $\textstyle A$}}
{\mbox{\boldmath $\scriptstyle A$}}
{\mbox{\boldmath $\scriptscriptstyle A$}}$ ist immer eine Aussage über die Quellen dieses Feldes zu treffen, für die Gültigkeit von (7.2) ist allerdings die Coulomb-Eichung sicherzustellen. Wendet man den Divergenzoperator auf (7.2) an und vertauscht anschließend auf der linken Seite die beiden Operatoren erhält man

$\displaystyle \mathrm{\Delta}(\nabla\!\cdot\!\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displ...
...}} {\mbox{\boldmath$\scriptstyle A$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle A$}})$ $\displaystyle =-\protect{\protect{\mbox{{\usefont{U}{eur}{m}{n}\char22}}}\nabla...
...} {\mbox{\boldmath$\scriptstyle J$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle J$}}}.$ (7.4)

Gleichung (7.4) stellt somit eine Laplace-Gleichung für die Divergenz des Vektorpotenzials dar. Eine notwendige Bedingung für das Verschwinden der Divergenz von $ \mathchoice{\mbox{\boldmath $\displaystyle A$}}
{\mbox{\boldmath $\textstyle A$}}
{\mbox{\boldmath $\scriptstyle A$}}
{\mbox{\boldmath $\scriptscriptstyle A$}}$ ist, dass die Stromdichte ebenfalls keine Divergenz aufweist. An Stellen, wo der Stromein- und austritt erfolgt, hat auch das Vektorpotenzial Quellen und Senken. Diese unphysikalischen Quellen und Senken (der Strom ist divergenzfrei laut der ersten Maxwell-Gleichung in statischer Näherung) treten an den Kontakten der Verbindungsleitungen auf. Der Einfluss dieser Quellen und Senken wird umso geringer sein, je näher die jeweiligen Endkontakte der Verbindungsstrukturen beieinander liegen. Die verfolgte Strategie zielt darauf ab, da die Stromdichte im statischen Fall divergenzfrei ist, dass die Divergenz des Vektorpotenzials sich wie eine übliche Lösung der Laplace-Gleichung verhält. Somit ist bei Erfüllung von $ \nabla\!\cdot\!\mathchoice{\mbox{\boldmath $\displaystyle A$}}
{\mbox{\boldmat...
...{\mbox{\boldmath $\scriptstyle A$}}
{\mbox{\boldmath $\scriptscriptstyle A$}}=0$ auf $ \Gamma$, dies auch für alle Punkte innerhalb von $ \Gamma$ sichergestellt. Da sich dies direkt nur schwer durchführen läßt, wird dazu einfacherweise auf dem fernen Rand $ \Gamma$ (fernab der Stromverteilung) $ \mathchoice{\mbox{\boldmath $\displaystyle A$}}
{\mbox{\boldmath $\textstyle A...
...}
{\mbox{\boldmath $\scriptstyle 0$}}
{\mbox{\boldmath $\scriptscriptstyle 0$}}$ gesetzt (was im nächsten Abschnitt näher erläutert wird).



Unterabschnitte

C. Harlander: Numerische Berechnung von Induktivitäten in dreidimensionalen Verdrahtungsstrukturen