Es ist offensichtlich, daß für die vollständige Beschreibung des gekoppelten Transport- und Potentialproblems die Boltzmann- und die Poissongleichung ausreichen. Fügt man also zur Boltzmanngleichung den Gleichungssatz
hinzu, so sind vom theoretischen Standpunkt aus die Kontinuitätsgleichung 6.51 und die erweiterte Drift-Diffusionsstromgleichung 6.52 überflüssig. Andererseits wird durch das Hinzufügen der letzten beiden Gleichungen das Problem nicht überbestimmt, da es sich genau um die ersten beiden Momentengleichungen der Boltzmanngleichung handelt. Es wird also keine zusätzliche Information gewonnen, die nicht ohnehin schon in der Boltzmanngleichung enthalten wäre. Die beiden redundanten Gleichungen geben nur jene in der Boltzmanngleichung enthaltenen Teilaspekte wieder, die die Beschreibung des Teilchentransportes betreffen, nämlich die Teilchenerhaltung und die Impulserhaltung. Das ist genau jene Information, die zur Bestimmung der Teilchenkonzentration, die in der Poissongleichung aufscheint, erforderlich ist. So sind etwa höhere Momente wie etwa Energiedichte oder Wärmestrom für das Potentialproblem irrelevant. Mit diesen zusätzlichen Gleichungen kann nun ein neues, selbstkonsistentes Iterationsverfahren angegeben werden.
Zuerst wird eine Drift-Diffusionssimulation zur Erzeugung einer Anfangslösung für das Potential durchgeführt. Als zweiter Schritt wird mit diesem Potential die Boltzmanngleichung gelöst, etwa mit Hilfe der Monte-Carlo-Methode. In kritischen Bereichen des Bauelementes, wo das Drift-Diffusionsmodell mit lokalen Transportkoeffizienten ungültig wird, werden die Kopplungskoeffizienten und nach den Gleichungen 6.12 bzw. 6.8 ausgewertet. Diese Profile werden dann im restlichen Teil mit einem lokalen Modell vervollständigt, um dann mit ihnen die verallgemeinerten Halbleitergleichungen 6.50 bis 6.52 zu lösen. Mit dem so gewonnenen Potential wird erneut mit der Lösung der Boltzmanngleichung fortgefahren, solange, bis die Änderung des Potentials nach zwei aufeinanderfolgenden Lösungen der Halbleitergleichungen hinreichend klein ist. Abbildung 6.5 zeigt eine Veranschaulichung dieses Algorithmus.
Die im letzten Abschnitt beschriebenen Kopplungsverfahren, die ausschließlich die Poissongleichung miteinbeziehen, haben die Eigenschaft, daß genau eine abhängige Variable, nämlich das Potential , auf die wiederholten Monte-Carlo-Durchläufe reagieren kann.
Bezieht man die erweiterten Halbleitergleichungen in das Iterationsverfahren ein, so tritt ein zusätzlicher Freiheitsgrad auf. Es können nun zwei abhängige Variablen, und , auf einen erneuten Monte-Carlo-Durchlauf antworten. Genau dieser zusätzliche Freiheitsgrad dürfte es sein, der für die weiter unten beschriebenen, guten Konvergenzeigenschaften verantwortlich ist.
Abbildung: Schematische Darstellung eines selbstkonsistenten
Iterationsverfahrens, das auf der Verwendung der Kopplungskoeffizienten
zwischen
dem Monte-Carlo- und dem Drift-Diffusionsmodell beruht.
Die Trägerkonzentration in den erweiterten Halbleitergleichungen kann nur dann von der Konzentration aus dem Monte-Carlo-Modell abweichen, wenn das Potential noch nicht selbstkonsistent ist. Verändert sich hingegen das Potential während der Iterationen nicht mehr, dann werden sowohl die beiden Momentengleichungen 6.51 und 6.52 als auch die Boltzmanngleichung mit derselben Potentialverteilung gelöst, und die Trägerkonzentrationen und sind gleich. Zusätzlich wird auch die Driftgeschwindigkeit aus den Momentengleichungen mit jener aus der Boltzmanngleichung, , übereinstimmen. Damit sind nichtlokale Effekte, wie etwa der sogenannte ,,velocity overshoot``, die aus dem Monte-Carlo-Modell kommen, auch vollständig in den erweiterten Halbleitergleichungen enthalten.