Next: 7.3 Widerstandsberechnung von Vias
Up: 7. Anwendungen
Previous: 7.1 Thermische Simulation von
Unterabschnitte
Durch Elektromigration können Leerräume und Leitungseinengungen
entstehen (siehe auch Abb. 1.4a).
Um zu untersuchen, wie sich diese Erscheinungen auf den elektrischen
Widerstand der Leitung,
die Stromdichteverteilung und lokale
Erwärmung auswirken, wird eine Reihe von Simulationen durchgeführt.
Dazu wird die folgende Teststruktur gewählt (Abb. 7.6).
Abbildung 7.6:
Testleitung mit schlitzförmiger
Einengung
|
Da diese Struktur zwei Symmetrieebenen aufweist, muss lediglich ein
Viertel der Anordnung simuliert werden.
In Abb. 7.6 ist der Simulationsbereich
durch eine strichpunktierte Linie markiert.
Der Simulationsbereich umfasst außerdem noch das Oxid, das die Leitung umgibt,
sowie einen Teil des Silizium-Substrats (der in der Abbildung
nicht dargestellt ist).
Für die Simulation wurde ein Gitter mit 34920 Tetraederelementen mit
quadratischen Ansatzfunktionen benutzt.
Die Anzahl der Gitterknoten betrug 44286.
Vorerst soll die Erwärmung durch die Verlustleistung
außer Acht gelassen werden und ausschließlich das elektrische System
betrachtet werden.
Im folgenden Beispiel wurde die Tiefe der Leitungseinengung
mit [200]nm angenommen und die Leitung mit einem Strom
von [1]mA belastet.
Die Verteilung der Stromdichte ist in Abb. 7.7 auf der Oberfläche
des simulierten Viertels dargestellt.
Abbildung 7.7:
Betrag der Stromdichte auf der
Oberfläche der Leitung in der Umgebung der Einengung.
|
Man erkennt hier, dass der Betrag der Stromdichte an der unteren Kante des
Einschnittes sehr hoch wird.
Die exakte Lösung der Laplace-Gleichung weist an einspringenden Kanten
eine Singularität in der Stromdichte auf.
Durch die in der Finite Elemente Methode getroffene Fomulierung der
Näherungslösung mit linearen
bzw. quadratischen Ansatzfunktionen können jedoch
im Gradienten des Potenzials keine Singularitäten auftreten und es
ergibt sich für die Stromdichte an einer einspringenden Kante immer
ein zwar recht hoher, aber dennoch endlicher Wert.
Je feiner man das Simulationsgitter in der Umgebung der Kante wählt, desto
genauer kann man die exakte Lösung in diesem Bereich approximieren und
desto höher wird auch der errechnete Spitzenwert der Stromdichte.
In diesem Beispiel ergibt die Simulation ein Maximum
von [6.39]MA/cm.
Mit einem etwas gröberen Gitter wurden [4.52]MA/cm und mit einem etwas
feineren [7.92]MA/cm errechnet.
An solchen singulären Stellen kann man also durch Wahl eines entsprechend
feinen Gitters jede beliebig hohe Stromdichte als Ergebnis erhalten.
Durch FEM-Berechnungen gewonnene Aussagen über maximale Stromdichten bei
Geometrien mit einspringenden Kanten (die teilweise in der Literatur
zu finden sind, z.B. [150]) sind deshalb mit sehr großer Vorsicht
zu genießen.
Um die Singularität der Stromdichte genauer zu untersuchen, wird im Folgenden
eine analytische Lösung der Laplace-Gleichung in zwei Dimensionen
abgeleitet.
Abbildung 7.8 zeigt das Gebiet, für das die Lösung hergeleitet
werden soll.
Die beiden Ränder stellen für das elektrische Potenzial
homogene Neumann-Bedingungen dar.
Ferner lässt sich zeigen, dass aus Gründen der Symmetrie das
Potenzial entlang der strichpunktiert eingezeichneten Linie konstant ist.
Man kann deshalb ohne Beschränkung der Allgemeinheit dort eine
homogene Dirichlet-Bedingung annehmen und die Berechnung auf das halbe Gebiet
reduzieren.
Abbildung 7.8:
Die Laplace-Gleichung soll für den
Strom , der um eine einspringende Ecke fließt analytisch in
Polarkoordinaten gelöst werden.
Die beiden schraffierten Kanten stellen homogene Neumann-Bedingungen
dar.
|
Homogene Leitfähigkeit vorausgesetzt, kann das Potenzial
durch die Laplace-Gleichung beschrieben werden, die in Polarkoordinaten
wie folgt angeschrieben werden kann:
|
(7.2) |
Man führt einen Separationsansatz durch, wobei durch eine
radiale und eine winkelabhängige Komponente ausgedrückt wird:
|
(7.3) |
Eingesetzt in (7.2) erhält man nach Umformung
|
(7.4) |
wobei eine vorerst beliebig wählbare Konstante ist.
Die Gleichung lässt sich in Teile für und aufspalten,
die über gekoppelt sind.
Für den radialen Term erhält man somit folgende gewöhnliche
Differentialgleichung
|
(7.5) |
deren Lösung
|
(7.6) |
ist, dabei ist eine beliebige Konstante.
Damit man eine reelle Lösung erhält, muss gelten.
Für den winkelabhängigen Term lautet die Differentialgleichung
|
(7.7) |
deren Lösung
|
(7.8) |
ist, wobei und beliebige Konstanten sind.
Kombiniert man (7.6) und (7.8) und führt zur Vereinfachung
die Variable
ein erhält man als Lösungsraum der
Laplace-Gleichung eine Schar von Funktionen
|
(7.9) |
mit , , und als Parameter.
Für die Einhaltung der Neumann-Bedingung an der Stelle ist
|
(7.10) |
gefordert, woraus sich folgende Bedingung ergibt:
|
(7.11) |
Für die Einhaltung der Dirichlet-Bedingung ist an der Stelle
|
(7.12) |
gefordert.
Deshalb muss zusätzlich zu (7.11) noch
|
(7.13) |
erfüllt sein, woraus folgende Bedingung für resultiert:
|
(7.14) |
Die Tatsache, dass in (7.14) nur mehr positive Werte für
erlaubt sind, rührt daher, dass das Potenzial im Ursprung ()
wegen der Dirichlet-Bedingung einen Wert von Null haben muss und deshalb in
(7.9) keine Singularität auftreten darf.
Nun kann der Betrag der Stromdichte berechnet werden.
Sie setzt sich aus Termen der folgenden Form zusammen
|
(7.15) |
wobei für entsprechend (7.14) eingesetzt wird.
Eine Singularität () kommt nur für und einen Winkel
zwischen und zustande und hat die Form:
|
(7.16) |
In Abb. 7.9 wurde die Stromdichte in einer zweidimensionalen FEM-Simulation
um eine -Kante berechnet und mittels Isolinien dargestellt.
Die Gitterdichte wurde im Bereich der Singularität extrem hoch gewählt.
Es ergab sich eine hervorragende Übereinstimmung zwischen Simulation und
analytischer Berechnung für all jene Gitterpunkte, die mehr als
zwei Gitterelemente von der Singularität entfernt liegen (Fehler unter
1%).
Abbildung 7.9:
Der Betrag der Stromdichte an einer
Ecke:
Bei Winkeln größer als entsteht eine Singularität.
|
Inwieweit eine Leitungseinengung eine Erhöhung von Leitungswiderstand
und Temperatur verursacht, soll hier in einer gekoppelt elektro-thermischen
Simulation untersucht werden.
Der Strom wurde dabei konstant [10]mA gewählt (entspricht einer
Stromdichte von [13]MA/cm im vollen Leiterquerschnitt) und die Tiefe
der Einengung wurde variiert.
Die Temperaturverteilung in der Nähe der Einengung ist für
in Abb. 7.10 dargestellt.
Abbildung 7.10:
Temperaturverteilung im Bereich der
Leitungseinengung: Die maximale Temperatur beträgt C,
der Unterschied zwischen den
Isothermenflächen ist jeweils C.
|
Wie sich der Widerstand und die maximale Temperatur verhalten ist aus
Abb. 7.11 zu entnehmen.
Man kann hier einen sehr steilen Anstieg des Widerstandes und der Temperatur
erkennen, wenn die verbleibende Leitungsdicke sehr dünn wird.
Abbildung 7.11:
Der Widerstand der Leitung und die
maximale Temperatur steigen mit der Größe der Einengung an.
|
Es ist naheliegend anzunehmen, dass Temperatur und Widerstand gegen
Unendlich streben, wenn die verbleibende Leitungsdicke gegen Null geht.
Da aber der spezifische Widerstand des Leiters einen positiven
Temperaturkoeffizienten
besitzt, kann man mit folgender Abschätzung zeigen, dass mit dem hier
verwendeten Leitfähigkeitsmodell schon bei einer endlichen
Leitungsdicke Temperatur und Widerstand gegen Unendlich
streben.
Dazu soll der Bereich unterhalb der Einengung betrachtet werden.
Die Temperatur im Metall kann hier aufgrund der guten Wärmeleitfähigkeit
als konstant angenommen werden.
Ferner wird angenommen, dass die Wärmeleitwerte
aller vorkommenden Materialien nicht von der Temperatur abhängig sind.
Die Temperatur in der Leitung steht damit in linearem Zusammenhang mit
der elektrischen Verlustleistung
|
(7.17) |
wobei sich die Verlustleistung aus dem Strom und Widerstand der Leitung
berechnen lässt:
|
(7.18) |
Der Widerstand ist in erster Näherung verkehrt proportional zur
verbleibenden Leitungsdicke und steigt durch den
Temperaturkoeffizienten mit zunehmender
Temperatur linear an:
|
(7.19) |
Aus (7.17) bis (7.19) lässt sich die Temperatur ausdrücken
|
(7.20) |
die eine Polstelle bei einer Leitungsdicke größer Null
|
(7.21) |
aufweist, wodurch obige Behauptung bewiesen wäre.
Jenseits dieser Grenze hat das Problem keine physikalisch interpretierbare
Lösung mehr.
In der Simulation wird ein solcher Fall durch ausbleibende Konvergenz
in der Relaxationsschleife zur Lösung nichtlinearer Probleme erkannt.
Je weiter man sich dieser Grenze nähert, desto größer wird die
Sensibilität für numerische Fehler.
Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn in dem kritischen Bereich
Singularitäten in der Stromdichte auftreten.
Um trotzdem genaue Resultate zu erhalten, ist es unbedingt notwendig
in solchen Bereichen die Gitterdichte genügend hoch zu gestalten.
Zum Abschluss dieses Beispiels soll noch überprüft werden, wie
aussagekräftig die berechneten Temperaturmaxima sind.
Wie bei der Analyse der Stromdichteverteilung gezeigt wurde, hat der
errechnete Maximalwert der Stromdichte an einspringenden Kanten wegen der
dort auftretenden Singularität keine Aussagekraft.
Aus der Singularität in der Stromdichteverteilung resultiert folglich
auch eine Singularität der Verlustleistungsdichte :
|
(7.22) |
Da die Verlustleistung in der Wärmeleitungsgleichung als Quellterm
aufscheint, stellt sich nun die Frage, ob dadurch auch eine Singularität
in der Lösung bewirkt wird.
Im Folgenden soll durch eine Abschätzung eine Antwort auf diese Frage
gefunden werden.
Dazu betrachtet man die stationäre Wärmeleitungsgleichung (Poisson-Gleichung)
unter Voraussetzung homogenen Materials mit obigem Ausdruck für die
Verlustleistung:
|
(7.23) |
Alle Konstanten wurden hierbei im Faktor zusammengefasst.
Laut dem Green'schen Theorem erhält man die Lösung
der Poisson-Gleichung in integraler Form als
|
(7.24) |
Da die Singularität im Ursprung liegt, ist man lediglich an dieser Stelle am
Wert der Temperatur interessiert:
|
(7.25) |
Für die Integration wird das Flächenintegral in ein
Doppelintegral über den Winkel und den Radius
umgewandelt. Der Bereich für geht von 0 bis .
In radialer Richtung wird von
bis integriert.
hat einen endlichen Wert, wie groß dieser tatsächlich ist,
ist hier nicht von Bedeutung, da damit lediglich die Begrenztheit des
Bereiches ausgedrückt werden soll.
|
(7.26) |
Nun kann der Grenzübergang
ausgeführt werden.
Man erkennt, dass unter der Bedingung
der Wert der Temperatur
endlich bleibt.
Da diese Bedingung immer erfüllt ist, kann daraus geschlossen werden,
dass trotz der Singularität in der Stromdichteverteilung, die numerische
Berechnung der Temperatur einen Fehler liefert, der beliebig klein gemacht
werden kann, indem man die Gitterdichte entsprechend erhöht.
Next: 7.3 Widerstandsberechnung von Vias
Up: 7. Anwendungen
Previous: 7.1 Thermische Simulation von
R. Sabelka: Dreidimensionale Finite Elemente Simulation von Verdrahtungsstrukturen auf Integrierten Schaltungen