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Unterabschnitte


7.2 Auswirkung einer Leitungseinengung

Durch Elektromigration können Leerräume und Leitungseinengungen entstehen (siehe auch Abb. 1.4a). Um zu untersuchen, wie sich diese Erscheinungen auf den elektrischen Widerstand der Leitung, die Stromdichteverteilung und lokale Erwärmung auswirken, wird eine Reihe von Simulationen durchgeführt. Dazu wird die folgende Teststruktur gewählt (Abb. 7.6).

Abbildung 7.6: Testleitung mit schlitzförmiger Einengung
\fbox{\resizebox{0.6\textwidth}{!}{\includegraphics{ex2-struc}}}

Da diese Struktur zwei Symmetrieebenen aufweist, muss lediglich ein Viertel der Anordnung simuliert werden. In Abb. 7.6 ist der Simulationsbereich durch eine strichpunktierte Linie markiert. Der Simulationsbereich umfasst außerdem noch das Oxid, das die Leitung umgibt, sowie einen Teil des Silizium-Substrats (der in der Abbildung nicht dargestellt ist).

Für die Simulation wurde ein Gitter mit 34920 Tetraederelementen mit quadratischen Ansatzfunktionen benutzt. Die Anzahl der Gitterknoten betrug 44286.

Analyse der Stromverteilung

Vorerst soll die Erwärmung durch die Verlustleistung außer Acht gelassen werden und ausschließlich das elektrische System betrachtet werden. Im folgenden Beispiel wurde die Tiefe der Leitungseinengung $ h$ mit [200]nm angenommen und die Leitung mit einem Strom von [1]mA belastet. Die Verteilung der Stromdichte ist in Abb. 7.7 auf der Oberfläche des simulierten Viertels dargestellt.

Abbildung 7.7: Betrag der Stromdichte auf der Oberfläche der Leitung in der Umgebung der Einengung.
\fbox{\resizebox{0.62\textwidth}{!}{\includegraphics{ex2-curr}}}

Man erkennt hier, dass der Betrag der Stromdichte an der unteren Kante des Einschnittes sehr hoch wird. Die exakte Lösung der Laplace-Gleichung weist an einspringenden Kanten eine Singularität in der Stromdichte auf. Durch die in der Finite Elemente Methode getroffene Fomulierung der Näherungslösung mit linearen bzw. quadratischen Ansatzfunktionen können jedoch im Gradienten des Potenzials keine Singularitäten auftreten und es ergibt sich für die Stromdichte an einer einspringenden Kante immer ein zwar recht hoher, aber dennoch endlicher Wert. Je feiner man das Simulationsgitter in der Umgebung der Kante wählt, desto genauer kann man die exakte Lösung in diesem Bereich approximieren und desto höher wird auch der errechnete Spitzenwert der Stromdichte. In diesem Beispiel ergibt die Simulation ein Maximum von [6.39]MA/cm$ ^2$. Mit einem etwas gröberen Gitter wurden [4.52]MA/cm$ ^2$ und mit einem etwas feineren [7.92]MA/cm$ ^2$ errechnet. An solchen singulären Stellen kann man also durch Wahl eines entsprechend feinen Gitters jede beliebig hohe Stromdichte als Ergebnis erhalten. Durch FEM-Berechnungen gewonnene Aussagen über maximale Stromdichten bei Geometrien mit einspringenden Kanten (die teilweise in der Literatur zu finden sind, z.B. [150]) sind deshalb mit sehr großer Vorsicht zu genießen.

Um die Singularität der Stromdichte genauer zu untersuchen, wird im Folgenden eine analytische Lösung der Laplace-Gleichung in zwei Dimensionen abgeleitet. Abbildung 7.8 zeigt das Gebiet, für das die Lösung hergeleitet werden soll. Die beiden Ränder stellen für das elektrische Potenzial $ \varphi$ homogene Neumann-Bedingungen dar. Ferner lässt sich zeigen, dass aus Gründen der Symmetrie das Potenzial entlang der strichpunktiert eingezeichneten Linie konstant ist. Man kann deshalb ohne Beschränkung der Allgemeinheit dort eine homogene Dirichlet-Bedingung annehmen und die Berechnung auf das halbe Gebiet reduzieren.

Abbildung 7.8: Die Laplace-Gleichung soll für den Strom $ I$, der um eine einspringende Ecke fließt analytisch in Polarkoordinaten gelöst werden. Die beiden schraffierten Kanten stellen homogene Neumann-Bedingungen dar.
\fbox{\resizebox{0.35\textwidth}{!}{\includegraphics{ex2-anl}}}

Homogene Leitfähigkeit vorausgesetzt, kann das Potenzial $ \varphi$ durch die Laplace-Gleichung beschrieben werden, die in Polarkoordinaten wie folgt angeschrieben werden kann:

$\displaystyle \mathrm{\Delta}\varphi(r,\vartheta)=\frac{\partial^2{\varphi}}{\p...
...artial{r}} +\frac{1}{r^2}\frac{\partial^2{\varphi}}{\partial{\vartheta}^2}=0\;.$ (7.2)

Man führt einen Separationsansatz durch, wobei $ \varphi$ durch eine radiale und eine winkelabhängige Komponente ausgedrückt wird:

$\displaystyle \varphi(r,\vartheta)=R(r)\cdot \varTheta(\vartheta)\;.$ (7.3)

Eingesetzt in (7.2) erhält man nach Umformung

$\displaystyle r^2\frac{R''}{R}+r\frac{R'}{R}=-\frac{\varTheta''}{\varTheta}=a\;,$ (7.4)

wobei $ a$ eine vorerst beliebig wählbare Konstante ist. Die Gleichung lässt sich in Teile für $ R$ und $ \varTheta$ aufspalten, die über $ a$ gekoppelt sind. Für den radialen Term erhält man somit folgende gewöhnliche Differentialgleichung

$\displaystyle r^2R''+rR'=aR\;,$ (7.5)

deren Lösung

$\displaystyle R(r)=k_1 r^{\pm\sqrt{a}}$ (7.6)

ist, dabei ist $ k_1$ eine beliebige Konstante. Damit man eine reelle Lösung erhält, muss $ a>=0$ gelten. Für den winkelabhängigen Term lautet die Differentialgleichung

$\displaystyle \varTheta''+a\varTheta=0\;,$ (7.7)

deren Lösung

$\displaystyle \varTheta=k_2\sin(\sqrt{a}(\theta-\delta))$ (7.8)

ist, wobei $ k_2$ und $ \delta$ beliebige Konstanten sind. Kombiniert man (7.6) und (7.8) und führt zur Vereinfachung die Variable $ b=\sqrt{a}$ ein erhält man als Lösungsraum der Laplace-Gleichung eine Schar von Funktionen

$\displaystyle \varphi(r,\theta)=k r^b \sin(b(\theta-\delta))$ (7.9)

mit $ k$, $ b$, und $ \delta$ als Parameter. Für die Einhaltung der Neumann-Bedingung an der Stelle $ \theta=0$ ist

$\displaystyle \left.\frac{\partial{\varphi}}{\partial{\theta}}\right\vert _{\theta=0}=-kbr^b\cos(b(\theta-\delta))=0$ (7.10)

gefordert, woraus sich folgende Bedingung ergibt:

$\displaystyle b\delta=\frac{\pi}{2}+m\pi \qquad m\in\mathbb{Z}\;.$ (7.11)

Für die Einhaltung der Dirichlet-Bedingung ist an der Stelle $ \theta=\alpha/2$

$\displaystyle \left.\varphi\right\vert _{\theta=\alpha/2}= k r^b \sin\left(b\left(\frac{\alpha}{2}-\delta\right)\right)=0$ (7.12)

gefordert. Deshalb muss zusätzlich zu (7.11) noch

$\displaystyle b\left(\frac{\alpha}{2}-\delta\right)=p\pi \qquad p\in\mathbb{Z}$ (7.13)

erfüllt sein, woraus folgende Bedingung für $ b$ resultiert:

$\displaystyle b=\frac{\pi}{\alpha}(1+2n) \qquad n\in\mathbb{N}_0\;.$ (7.14)

Die Tatsache, dass in (7.14) nur mehr positive Werte für $ b$ erlaubt sind, rührt daher, dass das Potenzial im Ursprung ($ r=0$) wegen der Dirichlet-Bedingung einen Wert von Null haben muss und deshalb in (7.9) keine Singularität auftreten darf.

Nun kann der Betrag der Stromdichte berechnet werden. Sie setzt sich aus Termen der folgenden Form zusammen

$\displaystyle J_n=\gamma \vert\mathop\mathrm{grad}\varphi\vert=\gamma k b r^{b-1}\;,$ (7.15)

wobei für $ b$ entsprechend (7.14) eingesetzt wird. Eine Singularität ($ b<1$) kommt nur für $ n=0$ und einen Winkel $ \alpha$ zwischen $ \pi$ und $ 2\pi$ zustande und hat die Form:

$\displaystyle J_0=\gamma k\frac{\pi}{\alpha}\cdot\frac{1}{r^{1-\pi/\alpha}}\;.$ (7.16)

In Abb. 7.9 wurde die Stromdichte in einer zweidimensionalen FEM-Simulation um eine $ 270^\circ$-Kante berechnet und mittels Isolinien dargestellt. Die Gitterdichte wurde im Bereich der Singularität extrem hoch gewählt. Es ergab sich eine hervorragende Übereinstimmung zwischen Simulation und analytischer Berechnung für all jene Gitterpunkte, die mehr als zwei Gitterelemente von der Singularität entfernt liegen (Fehler unter 1%).

Abbildung 7.9: Der Betrag der Stromdichte an einer Ecke: Bei Winkeln größer als $ 180^\circ $ entsteht eine Singularität.
\fbox{\resizebox{0.6\textwidth}{!}{\includegraphics{ex2-l}}}

Thermische Analyse

Inwieweit eine Leitungseinengung eine Erhöhung von Leitungswiderstand und Temperatur verursacht, soll hier in einer gekoppelt elektro-thermischen Simulation untersucht werden. Der Strom wurde dabei konstant [10]mA gewählt (entspricht einer Stromdichte von [13]MA/cm$ ^2$ im vollen Leiterquerschnitt) und die Tiefe der Einengung wurde variiert. Die Temperaturverteilung in der Nähe der Einengung ist für $ h=\unit[380]{nm}$ in Abb. 7.10 dargestellt.

Abbildung 7.10: Temperaturverteilung im Bereich der Leitungseinengung: Die maximale Temperatur beträgt $ 33^\circ $C, der Unterschied zwischen den Isothermenflächen ist jeweils $ 2^\circ $C.
\fbox{\resizebox{0.7\textwidth}{!}{\includegraphics{ex2-temp}}}

Wie sich der Widerstand und die maximale Temperatur verhalten ist aus Abb. 7.11 zu entnehmen. Man kann hier einen sehr steilen Anstieg des Widerstandes und der Temperatur erkennen, wenn die verbleibende Leitungsdicke sehr dünn wird.

Abbildung 7.11: Der Widerstand der Leitung und die maximale Temperatur steigen mit der Größe der Einengung an.
\fbox{\resizebox{0.67\textwidth}{!}{\includegraphics{ex2-rt}}}

Es ist naheliegend anzunehmen, dass Temperatur und Widerstand gegen Unendlich streben, wenn die verbleibende Leitungsdicke gegen Null geht. Da aber der spezifische Widerstand des Leiters einen positiven Temperaturkoeffizienten besitzt, kann man mit folgender Abschätzung zeigen, dass mit dem hier verwendeten Leitfähigkeitsmodell schon bei einer endlichen Leitungsdicke Temperatur und Widerstand gegen Unendlich streben. Dazu soll der Bereich unterhalb der Einengung betrachtet werden. Die Temperatur im Metall kann hier aufgrund der guten Wärmeleitfähigkeit als konstant angenommen werden. Ferner wird angenommen, dass die Wärmeleitwerte aller vorkommenden Materialien nicht von der Temperatur abhängig sind. Die Temperatur $ T$ in der Leitung steht damit in linearem Zusammenhang mit der elektrischen Verlustleistung $ P$

$\displaystyle T=R_{\mathrm{th}}P,$ (7.17)

wobei sich die Verlustleistung aus dem Strom und Widerstand der Leitung berechnen lässt:

$\displaystyle P=I^2R\;.$ (7.18)

Der Widerstand ist in erster Näherung verkehrt proportional zur verbleibenden Leitungsdicke $ x$ und steigt durch den Temperaturkoeffizienten $ \alpha$ mit zunehmender Temperatur linear an:

$\displaystyle R=kx(1+\alpha T)\;.$ (7.19)

Aus (7.17) bis (7.19) lässt sich die Temperatur ausdrücken

$\displaystyle T=\frac{I^2R_{\mathrm{th}}kx}{1-\alpha I^2R_{\mathrm{th}}kx}\;,$ (7.20)

die eine Polstelle bei einer Leitungsdicke $ x$ größer Null

$\displaystyle x=\frac{1}{\alpha I^2 R_{\mathrm{th}} k}$ (7.21)

aufweist, wodurch obige Behauptung bewiesen wäre. Jenseits dieser Grenze hat das Problem keine physikalisch interpretierbare Lösung mehr. In der Simulation wird ein solcher Fall durch ausbleibende Konvergenz in der Relaxationsschleife zur Lösung nichtlinearer Probleme erkannt.

Je weiter man sich dieser Grenze nähert, desto größer wird die Sensibilität für numerische Fehler. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn in dem kritischen Bereich Singularitäten in der Stromdichte auftreten. Um trotzdem genaue Resultate zu erhalten, ist es unbedingt notwendig in solchen Bereichen die Gitterdichte genügend hoch zu gestalten.


Zum Abschluss dieses Beispiels soll noch überprüft werden, wie aussagekräftig die berechneten Temperaturmaxima sind. Wie bei der Analyse der Stromdichteverteilung gezeigt wurde, hat der errechnete Maximalwert der Stromdichte an einspringenden Kanten wegen der dort auftretenden Singularität keine Aussagekraft. Aus der Singularität in der Stromdichteverteilung resultiert folglich auch eine Singularität der Verlustleistungsdichte $ p$:

$\displaystyle p=\frac{1}{\gamma} J^2=\gamma\left(\frac{\pi}{\alpha}\right)^2 r^{2\pi/\alpha-2}\;.$ (7.22)

Da die Verlustleistung in der Wärmeleitungsgleichung als Quellterm aufscheint, stellt sich nun die Frage, ob dadurch auch eine Singularität in der Lösung bewirkt wird. Im Folgenden soll durch eine Abschätzung eine Antwort auf diese Frage gefunden werden. Dazu betrachtet man die stationäre Wärmeleitungsgleichung (Poisson-Gleichung) unter Voraussetzung homogenen Materials mit obigem Ausdruck für die Verlustleistung:

$\displaystyle \mathrm{\Delta}T=kr^{2\pi/\alpha-2} =g\;.$ (7.23)

Alle Konstanten wurden hierbei im Faktor $ k$ zusammengefasst. Laut dem Green'schen Theorem erhält man die Lösung der Poisson-Gleichung in integraler Form als

$\displaystyle T(\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displaystyle r$}} {\mbox{\boldmath...
...criptstyle r$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle r$}}'\vert}\,\textrm{d}A\;.$ (7.24)

Da die Singularität im Ursprung liegt, ist man lediglich an dieser Stelle am Wert der Temperatur interessiert:

$\displaystyle T(\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displaystyle 0$}} {\mbox{\boldmath...
...ptstyle r$}}\vert} \,\textrm{d}A =k\int_{A}\!r^{2\pi/\alpha-3}\,\textrm{d}A \;.$ (7.25)

Für die Integration wird das Flächenintegral in ein Doppelintegral über den Winkel $ \theta$ und den Radius $ r$ umgewandelt. Der Bereich für $ \theta$ geht von 0 bis $ \alpha$. In radialer Richtung wird von $ h\rightarrow 0$ bis $ H$ integriert. $ H$ hat einen endlichen Wert, wie groß dieser tatsächlich ist, ist hier nicht von Bedeutung, da damit lediglich die Begrenztheit des Bereiches ausgedrückt werden soll.

\begin{displaymath}\begin{split}T(\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displaystyle 0$}}...
...}-\lim_{h\rightarrow 0} h^{2\pi/\alpha-1}\right)\;. \end{split}\end{displaymath} (7.26)

Nun kann der Grenzübergang $ h\rightarrow 0$ ausgeführt werden. Man erkennt, dass unter der Bedingung $ \alpha<2\pi$ der Wert der Temperatur endlich bleibt. Da diese Bedingung immer erfüllt ist, kann daraus geschlossen werden, dass trotz der Singularität in der Stromdichteverteilung, die numerische Berechnung der Temperatur einen Fehler liefert, der beliebig klein gemacht werden kann, indem man die Gitterdichte entsprechend erhöht.


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R. Sabelka: Dreidimensionale Finite Elemente Simulation von Verdrahtungsstrukturen auf Integrierten Schaltungen