Dieser Abschnitt soll nun klären, welche Kriterien man aufstellen kann, um die Unterscheidung zwischen Ionen zu ermöglichen, die sich entweder in Random- oder Channeling-Richtung bewegen. Es soll aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß sich in Monte Carlo Programmen diese Unterscheidung automatisch ergibt. Einen ausgezeichneten Überblick über den aktuellen Stand der Channeling-Theorie und deren Modellierung bietet Hobler in [Hob96].
Um aus der Channeling-Theorie quantifizierbare Ergebnisse zu
erhalten, müssen die interatomaren Potentiale zwischen dem Ion und den
,,Target``-Atomen (Gleichung 2.14) durch Kontinuumspotentiale
ersetzt werden, die
durch
Mittelung der interatomaren Potentiale in Richtung der Atomreihen und
-ebenen entstehen [Lin65]. In weiterer Folge kann die geführte
Bewegung der Ionen in der zum Kanal transversalen Ebene bzw. Richtung als
Bewegung im Kontinuumspotential studiert werden.
Abbildung 2.25: Schematische Darstellung einer Ionentrajektorie in einem
axialen Kanal fuer [EK95].
Es läßt sich zeigen, daß das Ion nicht exakt parallel zu einer
Atomebene oder -reihe fliegen muß. Selbst wenn der Geschwindigkeitsvektor
des Ions einen Winkel mit der Kanalachse einschließt, kann
Channeling auftreten. Die einzige Bedingung ist ein Winkel
kleiner
als ein kritischer Winkel
(siehe Abbildung 2.25). In
Tabelle 2.4 sind einige kritische Winkel für Channeling von
Bor, Phosphor und Antimon in Silizium angegeben.
Tabelle 2.4: Kritische
Winkel fuer Channeling von Bor (B), Phosphor (P) und
Antimon (Sb) in Silizium [May70, Rys86c]. Es ist zu erkennen, dass mit
zunehmender Ordungszahl und abnehmender Ionenenergie der kritischen Winkel
und somit auch die Wahrscheinlichkeit fuer ,,Channeling`` groesser wird.
Das Konzept des kritischen Winkels wird verständlich, wenn man sich die
Gesamtenergie des Ions E in zwei Komponenten zerlegt vorstellt --
ein Teil parallel zum Kanal und einer normal zu diesem
. Solange die Normalkomponente kleiner als das abstoßende
Kontinuumspotential der Atome ist, bleibt das Ion im Kanal. Anders
ausgedrückt endet die Stabilität für Channeling dort, wo auch das
Kontinuumspotential seine Gültigkeit verliert, denn nur dann kann das Ion
den Atomen näher kommen, stark gestreut werden und den Kanal verlassen.
Im Kontinuumspotential erleidet das Ion in Richtung parallel zum Kanal
keinen Enerergieverlust, wenn inelastische Energieverluste vernachlässigt
werden, und es ergibt sich zu [Lin65]
Aus dieser Transversalenergie folgt ein maximaler Winkel sowie
ein minimaler Radius
für die Annäherung an die Atomreihen bzw.\
-ebenen, denn
Definiert man nun den kritischen Abstand als
die minimale Entfernung zwischen Ion und Atomreihen oder -ebenen, bei dem
gerade noch ,,Channeling`` möglich ist, so ergibt sich, daß
mindestens
sein muß, denn diesen Abstand kann das Ion bei
bestmöglichen Umständen (
) erreichen. Gleichung 2.36
führt auf Gleichung 2.37
Der maximale Winkel ist natürlich nichts Anderes als der
kritische Winkel
. Setzt man Gleichung 2.37 in
Gleichung 2.35 ein, so erhält man Gleichung 2.38
Abbildung 2.26: Der kritische Winkel und Radius als Funktion der
Ionenenergie. stellt die minimale Energie für das
Auftreten von Channeling dar. Die punktierte Linie ergäbe sich,
wenn man nur eine Atomreihe bzw. -ebene betrachten
würde.
bezeichnet die minimale Energie, bei der
,,Channeling`` gerade noch möglich ist [Hob96].
Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß bei niederen Energien E das Channeling-Phänomen verschwindet, denn
Für die Auswertung von Gleichung 2.38 und 2.39
benötigt man noch die Abhängigkeit des kritischen Radius von
der Energie E. Diese Untersuchung wird ausführlich in [Hob96]
dargelegt.