Der lokale, gewichtete Mittelwert der Momentenfunktion
im
Geschwindigkeitsraum wird als Moment bezeichnet [180].
Unter der Voraussetzung der Existenz einer konstanten, skalaren effektiven
Masse, die ihrerseits eine isotrope, parabolische Bandstruktur voraussetzt,
ist die Geschwindigkeit dem Kristallimpuls proportional (2.35).
Die Momentenbildung im
-Raum erfolgt mit Hilfe von Gl. (2.31)
gemäß
und liefert einen Wert für am Ort
zur Zeit
.
Der Nenner in Gl. (2.100) ist der Elektronenkonzentration proportional.
Die Momentenmethode stellt ein formales Verfahren dar, um aus der
Boltzmann Transportgleichung Bilanzgleichungen für makroskopische
Größen abzuleiten.
Zu diesem Zweck wird die Boltzmanngleichung
mit einer beliebigen, geschwindigkeitsabhängigen Größe
multipliziert und anschließend über alle Geschwindigkeiten (bzw. im
-Raum) integriert.
Auf diese Weise kann die Boltzmanngleichung, die im allgemeinen Fall
eine partielle Integro-Differentialgleichung im Phasenraum
darstellt, in eine Serie von
gekoppelten, partiellen
Differentialgleichungen im Ortsraum entwickelt werden, die allerdings
Unbekannte enthält.
Um ein geschlossenes Gleichungssystem zu erhalten, muß die
Momentenentwicklung abgebrochen und geeignete zusätzliche Annahmen gemacht
werden.
Im Hinblick auf die Bestimmung der Verteilungsfunktion bedeutet deswegen
jedes durch die Momentenentwicklung der Boltzmanngleichung
hergeleitete hydrodynamische Transportmodell
einen Informationsverlust gegenüber der Boltzmanngleichung.
Das hydrodynamische Transportmodell umfaßt die ersten drei oder vier Momente der Boltzmanngleichung. Das nullte Moment liefert eine Kontinuitätsgleichung für die Ladungsträgerkonzentration. Die mittlere Teilchengeschwindigkeit tritt als Unbekannte auf. Das erste Moment liefert eine Kontinuitätsgleichung für den mittleren Impuls der Ladungsträger. Die mittlere kinetische Energie pro Ladungsträger tritt als Unbekannte auf. Das zweite Moment liefert eine Kontinuitätsgleichung für die kinetische Energiedichte, in der allerdings der Wärmefluß unbestimmt bleibt. Das erste Moment entspricht der Eulergleichung der Hydrodynamik. Entwickelt man den Drucktensor erhält man die Navier-Stokes Gleichung. Das zweite Moment entspricht dem Energiesatz der Hydrodynamik.
Multipliziert man die Boltzmanngleichung (2.74) mit
und summiert über alle Zustände im
-Raum ergibt sich
[120], [178]:
Mit Hilfe der Produktregel und unter Berücksichtigung der
Unabhängigkeit
der Momentenfunktion von Ort und Zeit ergibt sich aus
Gl. (2.101):
Der erste Term der rechten Seite verschwindet, weil mit
schnell null wird (Gaußscher Integralsatz).
Berücksichtigt man
die Definition der Ladungsträgerdichte erhält man
folgende allgemeine Transportgleichung für verschiedene Momente von
[120], [180]:
Gl. (2.103) hat die Form einer Kontinuitätsgleichung. Der zweite Term enthält den korrespondierenden Fluß. Die rechte Seite besteht aus einem Generationsterm, der den Einfluß der äußeren Kraft beschreibt, und einen Rekombinationsterm, der die Wirkung der Streuprozesse enthält.
Das nullte Moment der Boltzmanngleichung folgt unmittelbar aus
Gl. (2.103) für :
Gl. (2.104) enthält die mittlere Geschwindigkeit als
Unbekannte.
Das Produkt
stellt die Teilchenstromdichte dar.
Das erste Moment der Boltzmanngleichung ergibt sich aus Gl. (2.103),
wenn man nacheinander für die Komponenten
einsetzt und
anschließend alle drei
Komponentenkontinuitätsgleichungen zusammenfaßt
(
):
Der erste Term der rechten Seite beschreibt die Impulsgeneration aufgrund
der Beschleunigung der Ladungsträger in Richtung der äußeren Kraft.
bedeutet den Impulsverlust durch Streuprozesse.
Um den Tensor der mittleren kinetischen Energie pro Ladungsträger
zu entwickeln, werden lokale Relativgeschwindigkeiten definiert
[120], [160], [178], [180]:
Die Gruppengeschwindigkeit läßt sich als Summe zweier Anteile
darstellen.
ist die Driftgeschwindigkeit der Elektronen unter dem Einfluß
äußerer Kräfte.
bezeichnet die zufällige Geschwindigkeit des
Ladungsträgers aufgrund der thermischen Anregung.
Der größte Anteil der Teilchenbewegung ist zufällig und durch die
thermische Energie des Teilchens bedingt. Mit Gl. (2.106) ergibt sich
(
) [120]:
Gewöhnlich wird der letzte Summand in Gl. (2.107) zur Definition eines Temperaturtensors verwendet [120], [160], [178], [180]:
Gl. (2.108) stellt die kinetische Definition der Temperatur dar.
Es ist zu beachten, daß der in Gl. (2.107) und (2.108)
hergestellte Zusammenhang von
Bandenergie und Temperatur eine parabolische Bandstruktur impliziert.
Setzt man Gl. (2.107) und (2.108) in Gl. (2.105)
ein, erhält man nach der Division mit :
Der Ausdruck kann entsprechend der Zustandsgleichung
des idealen Gases als Druck des Elektronengases betrachtet werden.
Setzt man in die allgemeine
Transportgleichung (2.103) ein, ergibt sich das zweite Moment der
Boltzmanngleichung:
Die mittlere kinetische Energie pro Ladungsträger folgt aus
Gl. (2.107) und (2.108):
Der erste Summand stellt die Feldenergie dar, der zweite die thermische Energie. Die kinetische Energie aus dem Feld erscheint kurz nach dem Anlegen hoher, externer Felder als Drift-Energie. Die Streuung produziert eine große, zufällige Komponente der Geschwindigkeit, sodaß die kinetische Energie aus dem Feld schließlich als thermische Energie auftritt [120].
Die Energieflußdichte unter dem Divergenzoperator in Gl. (2.110) kann mit Hilfe von Gl. (2.106) folgendermaßen entwickelt werden [120], [160]:
Daraus ergibt sich ():
Der letzte Summand kann als Wärmefluß interpretiert werden [120], [160]:
Mit der Definition des Temperaturtensors (2.108) und des Wärmeflusses (2.114) folgt aus Gl. (2.110) und Gl. (2.113):
Die Flußdichte der kinetischen Energie besteht aus drei Anteilen.
Der erste Term bezeichnet die 'kinetische Energiedichte' eines
Volumenelementes mal der
Geschwindigkeit, mit der sich dieses Volumen bewegt.
beschreibt den Energieverlust dieses Volumenelementes durch
Wärmeleitung.
Der erste Term der rechten Seite stellt die
Arbeit dar, um ein Volumenelement gegen den Druck des Elektronengases
mit
zu bewegen.
Der zweite Ausdruck bezeichnet eine
Quelle kinetischer Energie aufgrund einer äußeren Kraft.
Gl. (2.104), (2.109) und (2.115) stellen drei Gleichungen
für die Unbekannten ,
,
und
dar.
Sowohl die Impulsbilanzgleichung (2.109) wie die
Bilanzgleichung der kinetischen Energie (2.115) haben die
Normalform der kontinuumsmechanischen Hydrodynamik.
Der korrespondierende Fluß setzt sich
jeweils aus einem Konvektions- und einem Leitungsanteil zusammen
[115], [180].
Gl. (2.109), (2.115)
können vereinfacht werden, wenn der Temperaturtensor
näherungsweise als Skalar aufgefaßt wird (
).
Diese Vereinfachung impliziert die Annahme, daß die thermische Energie
auch im Nichtgleichgewicht gleichmäßig auf die Freiheitsgrade
verteilt ist wie im Gleichgewicht.
Unter dieser Voraussetzung vereinfacht sich Gl. (2.111):
Um das System hydrodynamischer Gleichungen abzuschließen wird
der Wärmefluß mit Hilfe der phänomenologischen
Gleichung von Fourier [101], [115], [151] auf die skalare
Temperatur zurückgeführt:
Mit und Gl. (2.117) ergibt sich:
Durch Subtraktion der mit bzw.
gewichteten
Ladungsträgerkontinuitätsgleichung (2.104)
kann
Gl. (2.118) bzw. (2.119) weiter vereinfacht werden:
,
und
bezeichnen die zeitliche Änderung
von
,
und
aufgrund von Streuprozessen.
Übergänge infolge von Streuprozessen umfassen Interband- und
Intrabandübergänge, wobei letztere ihrerseits in Intertal- und
Intratalübergänge unterteilt werden.
Nur Übergänge zwischen Bändern können die Teilchenkonzentration
verändern.
In diesem Sinn kann
als die Rate der Interbandübergänge
interpretiert und zur Definition einer Nettorekombinationsrate
verwendet
werden.
Separiert man Interband- und Intrabandübergänge in
und
,
können die Summen der beiden Streuterme der rechten Seiten von
Gl. (2.120), (2.121) als Nettoraten der zeitlichen
Änderung von
und
infolge von Intrabandübergängen
erkannt werden [17], [60], [160]:
Gl. (2.122), (2.123), (2.124) sind Definitionen, keine
Approximationen.
stellt die Nettorekombinationsrate der Ladungsträger dar.
Gewöhnlich werden Impuls- und
Energierelaxationszeiten definiert, weil
die direkte Bestimmung von
,
aus der allgemeinen
Transportgleichung
(2.103) die Kenntnis der (unbekannten)
Nichtgleichgewichtsverteilungsfunktion
verlangt.
Allerdings erfordert auch die Bestimmung der Relaxationszeiten
entweder Monte Carlo Simulationen oder
Annahmen über die Form der Verteilungsfunktion [120].
Um zu der in der Bauelementesimulation üblichen Form der Bilanzgleichungen
zu gelangen, müssen Gl. (2.104), (2.120), (2.121)
- unter Berücksichtigung der Definitionen (2.122), (2.123),
(2.124) -
mit Hilfe der elektrischen Stromdichte ,
der elektrischen Feldstärke
und
der Beweglichkeit
umgeformt werden (zusätzlich werden die Größen ,
und
mit dem Index
dem Elektronensystem zugeordnet).
Das hydrodynamische Transportmodell für Elektronen hat folgende Gestalt
[60], [160]:
Durch weitere Vereinfachungen erhält man aus Gl. (2.126),
(2.127) und (2.128) das seit den
Anfängen der Bauelementesimulation verwendete
Drift-Diffusionsmodell.
Es wird eine einheitliche, homogene Temperatur für Ladungsträger und
das Kristallgitter angenommen.
Somit kann die Energiebilanzgleichung
als Bestimmungsgleichung für die Elektronentemperatur vernachlässigt
werden.
In der Impulsbilanzgleichung können wegen der Kleinheit der
Impulsrelaxationszeit die ersten zwei Terme weggelassen
werden [160].
Der zweite Term der linken Seite in Gl. (2.127)
stellt den Impulsstrom aufgrund der Driftgeschwindigkeit dar.
Er wird oft
gegenüber dem Impulstransport aufgrund thermischer Anregung schon im
Ansatz (2.109) nicht mehr berücksichtigt [168].
Die Vernachlässigung des konvektiven Anteils des Impulsstromes
entspricht der Vernachlässigung der Driftkomponente der kinetischen
Energiedichte in Gl. (2.107).
Die stationäre Impulsbilanzgleichung stellt die Stromrelation des Drift-Diffusionsmodells dar:
Benutzt man die Einsteinrelation zur Definition einer Diffusionskonstante,
erhält man wegen der Ortsunabhängigkeit von
(Annahme konstanter Temperatur) die endgültige
Form der Stromrelation für das Drift-Diffusionsmodell:
Gl. (2.129) wird als Näherung der Impulsbilanzgleichung für das Drift-Diffusions-, für das thermoelektrische sowie für das hydrodynamische Transportmodell verwendet.
Eine Voraussetzung der Momentenmethode ist die Gültigkeit des Konzepts
einer konstanten, skalaren effektiven Masse eines Ladungsträgers im
periodischen Kristallgitter.
Diese Bedingung setzt ihrerseits istrope, parabolische Bandstruktur
voraus.
Im nichtparabolischen Fall gibt es keinen einfachen analytischen Zusammenhang
des Wellenvektors mit der Gruppengeschwindigkeit
des Elektrons,
des mittleren Impulses
und der Driftgeschwindigkeit,
sowie der
kinetischen Energie
und der Temperatur
.
Gl. (2.35), (2.107), (2.108), (2.116)
sind nicht mehr gültig.
Tatsächlich müssen
und
, sowie
und
jeweils als zwei Variablen betrachtet werden.
Die Konsequenz
ist
die Ungültigkeit der in diesem Abschnitt hergeleiteten Impuls- und
Energiebilanzgleichung.