3.8 Randbedingungen



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3.8 Randbedingungen

Um das System der den thermoelektrischen Transport beschreibenden Gleichungen (3.95), (3.96), (3.97) und (3.98) lösen zu können, müssen elektrische und thermische Randbedingungen spezifiziert werden. Im Hinblick auf unterschiedliche physikalische Eigenschaften der Ränder sind drei verschiedene Typen zu unterscheiden: Kontakte, isolierende Ränder und Materialgrenzschichten.

Bekannte Randbedingungen für Poissongleichung und Ladungsträgerkontinuitätsgleichungen im isothermischen Fall [72], [105], [141], [168] sind auch im nichtisothermischen Fall anwendbar. Allerdings ist die erweiterte Form der Stromrelationen (3.89), (3.90) zu verwenden.

Adäquate Randbedingungen der Wärmeflußgleichung müssen verschiedene Anforderungen erfüllen. Weil der Halbleiter als offenes System zu betrachten ist, kann ein Ladungsaustausch mit der Umgebung stattfinden. Mit dem Ladungsaustausch ist auch ein Energietransfer verbunden, der in die Randbedingung der Wärmeleitungsgleichung eingehen muß. Zudem muß die Möglichkeit thermoelektrischer Effekte an Materialschichtgrenzen (Oberflächenthermoelektrizität) in der Formulierung von Grenzbedingungen zum Ausdruck kommen. In homogenen, miteinander verbundenen leitenden Materialien ist die Oberflächenthermoelektrizität die wichtigere Form der Manifestation thermoelektrischer Effekte verglichen mit thermoelektrischen Volumseffekten. Schließlich müssen schlechte, d.h. realistische, nichtideale Kühlbedingungen beschrieben werden können. Diese Forderung ist besonders für transiente, elektrothermische Simulationen von Bedeutung, weil die charakteristische Zeit der Selbsterwärmung mit zunehmendem äußeren thermischen Widerstand steigt.

Alle Forderungen schließen Dirichletsche Randbedingungen für die Temperatur aus. Eine allgemeine Formulierung der Randbedingungen für die Wärmeflußgleichung muß vom Prinzip der Energieerhaltung ausgehen. Die Idee ist, die den Zustandsvariablen auferlegten Randbedingungen von denselben Erhaltungssätzen abzuleiten, die auch den Differentialgleichungen zugrundeliegen [200], [201]. An der Oberfläche müssen dieselben Prinzipien gelten, die auch im Volumen gültig sind.

Im stationären Fall ist die Energieerhaltungsgleichung der totalen inneren Energie (3.31) mit der Forderung der Quellenfreiheit der Gesamtenergieflußdichte äquivalent. Die Forderung der verschwindenden Volumsdivergenz entspricht an der Oberfläche der Forderung nach dem Verschwinden der Flächendivergenz. Betrachtet man die stationäre Form von Gl. (3.31) im Grenzwert eines unendlich dünnen Volumselements , gilt:

Daraus folgt:

 

Gl. (3.100) ist die auf den Normalvektor des Oberflächenelements projizierte Version der Erhaltungsgleichung (3.31). Die Indizes , kennzeichnen Variablen in verschiedenen angrenzenden Materialien. Nach Gl. (3.100) ist die Flächendivergenz für null. Dem Prinzip der Erhaltung der totalen inneren Energie entspricht die Forderung, daß die Gesamtenergiestromdichte stetig übergeht.

kann mit Hilfe von Gl. (3.37), (3.51) auf den Wärmestrom und die Ladungsträgerstromdichten zurückgeführt werden:

 

Gl. (3.101) zusammen mit (3.100) erlauben die Spezifikation von Randbedingungen für verschiedene Materialkombinationen.

Im Siliziumdioxid gibt es keine Ladungsträgerströme. Weil die Temperatur stetig übergeht, gilt folgende Übergangsbedingung:

 

Eine ähnliche Bedingung erhält man an isolierenden Rändern:

 

Die rechte Seite von Gl. (3.103) stellt das Newton'sche Gesetz der Wärmeabfuhr dar. Es hat die mathematische Form einer gemischten Randbedingung. bezeichnet die Wärmeübergangszahl, ist die Temperatur der umgebenden Wärmesenke. Die Wärmeübergangszahl erlaubt die Berücksichtigung externer thermischer Widerstände und gestattet auf diese Weise die Modellierung schlechter Kühlbedingungen. Bezieht man Randbedingungen für , in die Betrachtung ein [168],

können die Strombeiträge in Gl. (3.102), (3.103) als Oberflächenrekombinationswärme interpretiert werden. Sie verschwinden mit der Oberflächenrekombinationsrate. Die komplexesten Verhältnisse gelten an Kontakten:

 

Kontakte stellen Übergänge zwischen verschiedenen Halbleitern, zwischen unterschiedlich dotierten Halbleitermaterialien oder Übergänge vom Halbleiter zu Metallen dar (z.B. dotiertes Polysilizium). Der Elektronen- und Löcherstrom sowie die Temperatur gehen stetig über. Die Differenzen der Quasifermipotentiale bzw. der thermoelektrischen Kräfte bedingen 'Flächenwärmequellen'.



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Martin Stiftinger
Sat Jun 10 15:00:12 MET DST 1995