Der Grund der Komplexität der klassischen
Van-Roosbroeck-Halbleitergleichungen liegt in ihrer
Nichtlinearität, die analytische Resultate sehr
erschwert. Nicht nur die Gleichungen selbst, auch
die physikalischen Parameter (z.B. ,,)
hängen nichtlinear von den unabhängigen Variablen ab.
Das gilt auch für das Shockley-Read-Hall-Modell
der indirekten transienten Generation und Rekombination.
Ein einfaches und doch
aussagekräftiges mathematisches Werkzeug ist die
Kleinsignalanalyse der linearisierten Gleichungen im thermischen
Gleichgewicht. Unter anderem ist es die Standardmethode
zum Beweis der Stabilität diskreter Approximationen
im Zeitbereich.
Im folgenden wird eine Kleinsignal-Analyse im
thermodynamischen Gleichgewicht der mit den
Halbleitergleichungen gekoppelten Störstellen-Bilanzgleichung
durchgeführt. Zur funktionalanalytischen
Notation ist folgendes grundsätzlich vorauszuschicken.
sei der (Sobolev-) Raum der Funktionen
.
Diese Funktionen und ihre partiellen
Ableitungen gehören dem -Funktionenraum an.
Eine Teilmenge dieser Funktionen, ,
aus
ist jene mit homogenen Dirichlet-Randbedingungen auf dem
Dirichlet-Teil der Berandung (ohmsche Kontakte).
Dieser Raum werde benannt, und sei das
Komplement dazu, sodaß das Paar und
vollständig ist.
Spitze Klammern (<, >) mit rechts tief gesetztem Symbol
notieren das innere Produkt zweier Funktionen,
d.h. für Funktionen
und aus sei
definiert. Doppelte Betragsstriche notieren gewichtete Normen in , d.h. für Funktionen und Gewichte ist
definiert. Weiters ist durch
eine Norm für den Funktionenraum
in definiert.
Ausgehend von den Werten , , und
, die die zeitlich festen Werte der unabhängigen
Variablen im thermodynamischen
Gleichgewicht darstellen, werden zeit- und ortsabhängige
komplexe Kleinsignalgrößen , , und
definiert, die über die Beziehungen
mit den unabhängigen Variablen , , und
verbunden sind. Die komplexe Variable
repräsentiert den Dämpfungskoeffizienten der Kleinsignalgrößen.
Abklingende Störungen des thermodynamischen Gleichgewichts
verlangen Re.
, , , und
genügen homogenen Dirichlet-Randbedingungen an den ohmschen
Kontakten und homogenen Neumann-Randbedingungen überall sonst.
Man setzt nun den Variablensatz (3.60)-(3.63)
in (3.54)-(3.56) ein und erhält so
nach Berücksichtigung des thermodynamischen Gleichgewichts
die Kleinsignalgleichungen wie folgt. Alle örtlich variablen Parameter dieses Gleichungssystems seien im thermodynamischen Gleichgewicht ausgewertet und zeitlich unveränderlich. Man definiert weiters die verteilten Parameter
wobei und die üblichen Emissionsparameter (siehe Abschnitt 3.1) im thermodynamischen Gleichgewicht sind. Die Auswertung der SRH-Gleichungen für das diskrete Energieniveau führt auf
Unter Vernachlässigung von Größen höherer als erster Ordnung erhält man die linearen Kleinsignalgleichungen
Man multipliziert die Poissongleichung (3.72) mit and integriert partiell, was unter Berücksichtigung der homogenen Randbedingungen auf
führt. Nun werden die linken Seiten von Gleichung (3.73) mit , (3.74) mit und (3.75) mit multipliziert und unter der Annahme von , , , als räumlich konstant, partiell integriert. Nach Division der sich nun ergebenden Vorfaktoren und Addition der drei Gleichungen erhält man für die linke Seite mit Hilfe von Gleichung (3.76) den Ausdruck
was nach Vereinfachung auf die Gleichung
führt.
Die nichttrivialen Lösungen dieser Gleichung bezüglich
sind die komplexen Eigenfrequenzen des Systems.
Das Problem bei der Lösung dieser Gleichung liegt
in den inneren Produkten , die komplexe
Zahlen sind und definitive Aussagen zur Lage der
Eigenwerte nicht zulassen. Setzt man hingegen ,
so erhält man
mit Hilfe von Gleichung (3.78) und der Abschätzung
mit eine Eingrenzung der Eigenwerte auf der negativen reellen Achse [69]
Demzufolge sind die reell und negativ. Auf kleine
Störungen im thermodynamischen Gleichgewicht reagiert das
dynamische System mit exponentiell abklingenden
Bewegungen. Insbesondere ist mit Im
das System nicht schwingungsfähig.
Eine Erweiterung dieses Resultates auf Systeme
mit Störstellen nach dem Modell von Shockley-Read-Hall
erscheint nicht unbedingt gegeben.
Wenn auch die Gleichung (3.78) einer
trivialen Interpretation nicht zugänglich ist, so läßt
eine Vereinfachung Rückschlüsse auf die Eigendynamik zu.
Die Schwierigkeiten in der Analyse von (3.78)
besteht in der Kopplung von Elektronen und Löchern in (3.75).
Eine naheliegende Vereinfachung besteht darin, einen der
beiden Ladungsträger zu vernachlässigen, z.B. die Löcher.
Da die Gleichungen bezüglich der Kleinsignalgrößen der
Elektronen und Löcher symmetrisch sind,
ist die Analyse des komplementären Falles dazu analog.
Man betrachte also das System der Elektronen und
Störstellen und setze ,
und damit bzw. .
Eliminiert man die dynamische Gleichung der Störstellen (3.75),
so findet man für die Poissongleichung und die Kontinuitätsgleichung
der Elektronen
In analoger Vorgangsweise zu (3.76)-( 3.78) multipliziert man (3.81) mit und (3.82) mit und integriert partiell, was nach Berücksichtigung der homogenen Randbedingungen auf
führt. Man kann nun die Gleichungen (3.83) und (3.84) in ihren Real- und Imaginärteil trennen. Für den Realteil erhält man die Gleichungen
und für den Imaginärteil die Gleichungen
Die Gleichungen (3.85)-(3.88) sind unabhängig von . Setzt man (3.87) gleich (3.88), so sieht man, daß die Gleichung für eine Gleichung für darstellt:
Demzufolge können konjugiert komplexe in der linken Halbebene existieren. Weitere Lösungen folgen für . In diesem Fall ist wegen Gleichung (3.83) der Ausdruck reell. Mit Hilfe der Identität
findet man eine quadratische Gleichung mit positiven Koeffizienten für die beiden :
Aufgrund der elementaren Beziehung
hat die quadratische Gleichung zwei reelle Wurzeln mit
negativem Vorzeichen.
Das wichtige Ergebnis dieser Analyse ist
die Tatsache, daß alle
ganz in der linken Halbebene liegen. Das bedeutet, daß das
kontinuierliche dynamische System
innerhalb der gegebenen Einschränkungen stabil ist,
also nur zu abklingenden Eigenbewegungen fähig ist.
Dieses Resultat läßt sich für diskrete Approximationen
in folgender Weise anwenden [69]. Man setzt eine
konstante Zeitschrittweite voraus und
führt die zeitdiskreten Variablen
ein. Diskretisiert man das System (3.53)-(3.56) zeitlich mit dem impliziten Euler-Verfahren, so erhält man die zeitdiskreten Kleinsignalgleichungen, die in das System (3.72)-(3.75) übergeben, falls man durch
ersetzt. Durch die dadurch gegebene konforme Abbildung wird die linke -Halbebene in den -Einheitskreis abgebildet. Das bedeutet Stabilität einer impliziten Euler-Diskretisierung unter den gegebenen Einschränkungen.