next up previous contents index
Next: Schlußfolgerungen - Stand der Up: 6.2 Banddiskontinuitäten an Heterogrenzschichten Previous: 6.2.3 Gitterangepaßter Fall -

6.2.4 Einfluß mechanischer Spannung - die GaInAs/GaAs
Grenzfläche

  Die GaxIn1-xAs/GaAs Grenzfläche eignet sich zur Untersuchung des Einflusses von mechanischer Verspannung auf die Banddiskontinuitäten, da sie heute ebenfalls technologisch gut beherrscht wird und, zumindest für moderate Verspannung, eine große Anzahl experimenteller Studien vorliegen. Abbildung 6.39 zeigt analog zu Abbildung 6.38 eine Auswahl experimenteller Daten [6,226].


  
Abbildung 6.39: Relative Banddiskontinuität im LB für GaxIn1-xAs/GaAs Grenzflächen: Vergleich der ``model-solid'' Theorie (MS) mit experimentellen Daten.
\begin{figure}
 \epsfxsize0.90\textwidth
 \centerline{\epsfbox{ps/GaInAs_GaAs_dE...
 ...n{center}\begin{minipage}{0.8\textwidth}{}\end{minipage}\end{center}\end{figure}

Im Vergleich zu AlGaAs/GaAs ist der experimentelle Befund allerdings um vieles verworrener:

Es stellt sich also die Frage, was die beschriebenen Sachverhalte bewirkt:
Hängen sie mit der Qualität der Grenzfläche zusammen, ob also die Verspannung nur indirekt über Abweichungen von der idealen pseudomorphen Struktur wie Punkt- oder Liniendefekte eingeht, oder ist ein direkter Einfluß der Verspannung selbst unter idealen Bedingungen gegeben?
Dies hat zu neueren theoretischen Untersuchungen, meist SCIC, und sorgfältigen Messungen für InAs/GaAs Grenzflächen unter verschiedenen, genau definierten Verspannungsbedingungen, geführt, da für diese Kombination mit einer Gitterfehlanpassung von fast 7% die größten Effekte erwartet werden. In Tabelle 6.4 sind die Ergebnisse sowohl des ``model-solid'' Ansatzes als auch von SCIC (Taguchi und Ohno [196], Oloumi und Matthai [164]) mit Messungen von Kowalczyk et al.  [116], Hirakawa et al.  [92] und Ohler et al.  [163] für verschiedene Verspannungszustände der InAs/GaAs Grenzfläche angegeben. Die Zählrichtungen sind dabei so gewählt, daß $\Delta E_{\mathrm{c}}$ und $\Delta E_{\mathrm{v}}$ beim Typ I beide positiv sind, $\Delta E_{\mathrm{c}}:= {E_{\mathrm{c,GaAs}}^{}}-{E_{\mathrm{c,InAs}}^{}}$ und $\Delta E_{\mathrm{v}}:= {E_{\mathrm{c,InAs}}^{}}-{E_{\mathrm{c,GaAs}}^{}}$.
   
Tabelle 6.4: Banddiskontinuitäten von Grenzflächen zwischen InAs und GaAs für den unverspannten Fall, InAs pseudomorph auf GaAs und GaAs pseudomorph auf InAs Substrat
unverspannt InAs/GaAs GaAs/InAs  
$\Delta E_{\mathrm{c}}$ $\Delta E_{\mathrm{v}}$ Typ $\Delta E_{\mathrm{c}}$ $\Delta E_{\mathrm{v}}$ Typ $\Delta E_{\mathrm{c}}$ $\Delta E_{\mathrm{v}}$ Typ Ref.
0.80 0.27 I 0.49 0.45 I 0.24 -0.06 II MS
      0.75 0.31 I 0.38 -0.49 III [196]
      1.07 -0.07 II 0.65 -0.68 III [164]
0.90 0.17 I             [116]
      0.38 0.53 I 0.08 -0.16 II [92]
        -0.04 II   -0.57 III [163]

Auffällig ist zunächst neben der großen Diskrepanz sowohl innerhalb der Aussagen der numerischen als auch der experimentellen Studien, daß zu jedem Meßwert ein korrespondierender theoretischer Wert gefunden werden kann. SCIC haben aber klar gezeigt, daß die detaillierte Anordnung der Atome in unmittelbarer Nachbarschaft der Materialgrenze ein kritischer Punkt ist (Abbildung 6.40).

  
Abbildung 6.40: Anordnung der Atome für pseudomorphe InAs/GaAs Grenzfläche
\begin{figure}
 \epsfxsize0.70\textwidth
 \centerline{\epsfbox{ps/GaAs_InAs.eps}...
 ...n{center}\begin{minipage}{0.8\textwidth}{}\end{minipage}\end{center}\end{figure}

Kleine Änderungen der Bondlängen d  an der Grenzfläche[*], beziehungsweise der Position der Grenzschichtatomlage relativ zum Kristallgitter von Substrat und Epitaktikum, bewirken mikroskopischen Ladunstransfer zwischen beiden Materialien, der in großen Änderungen der Diskontinuitäten resultiert. Variationen der Bondlängen von nur 0.06 Å, das entspricht etwa 2% relative Änderung von d oder 1% der Gitterkonstante, ergaben Verschiebungen von $\Delta E_{\mathrm{v}}$ von $\approx 0.5$ eV [164]. Da verschiedene Methoden zur Berechnung der atomaren Konfiguration verwendet wurden, erklären sich so die verschiedenen Aussagen der theoretischen Studien. Aufgrund der Abhängigkeit dieser Atomanordnung von den mikroskopischen thermodynamischen Wachstumsbedingungen und Verspannung, Orientierung der Grenzfläche etc. resultieren die erheblichen Unterschiede in den Meßdaten.

Es erscheint also der Schluß gerechtfertigt, daß ebendiese komplexen Zusammenhänge allgemein eine quantitativ genaue Vorhersage der Banddiskontinuitäten in hochverspannten Schichten selbst für perfekt pseudomorphes Wachstum verhindern, auch wenn aufwendige SCIC benützt werden. Die obige Frage ist aus dieser Sicht eindeutig in Richtung eines direkten Einflusses mechanischer Verspannung zu beantworten. Umsomehr ist eine Vorhersage aus allgemeinen linearen Modellen, die keinen expliziten Verspannungseinfluß berücksichtigen, ein aussichtsloses Unterfangen. Für schwache bis mittlere Gitterfehlanpassung (In-Gehalte unter 50%) ist, wie aus Abbildung 6.39 ersichtlich, der ``model-solid'' Ansatz  ein brauchbares Richtmaß. Er liefert ein näherungsweise von der Legierungskonzentration unabhängiges Verhältnis $\Delta E_{\mathrm{c}}$:$\Delta E_{\mathrm{v}}$ von etwa 60:40 bis 65:35.



 
next up previous contents index
Next: Schlußfolgerungen - Stand der Up: 6.2 Banddiskontinuitäten an Heterogrenzschichten Previous: 6.2.3 Gitterangepaßter Fall -
Christian Koepf
1997-11-11