Während es für Silizium gerechtfertigt ist, in der Beschreibung der
Transporteigenschaften im Rahmen der erweiterten Drift-Diffusionsnäherung
die Bandstruktur auf ein parabolisches Band zu reduzieren, ist eine derartige
Annahme bei Galliumarsenid nur im Bereich sehr kleiner Feldstärken
() zulässig. Eine Betrachtung der Bandstruktur
(Abb. 3.10) legt jedoch nahe, den Elektronentransport mithilfe
eines Zweibandmodells zu beschreiben (siehe Kap. 3.4.1). Das würde
aber bedeuten, beide Bänder getrennt zu behandeln und für jedes
Band eine eigene Transport- und Erhaltungsgleichung zusammen mit
der Poissongleichung zu lösen. Dazu käme im einfachsten Fall noch eine
Beschreibung des Teilchentransfers zwischen den beiden Bändern.
Allerdings erfordert diese Methode beträchtlichen Mehraufwand bei der
numerischen Lösung des resultierenden Gleichungssystems, und eine effiziente
Implementierung in einen bestehenden Simulator, der auf der
Drift-Diffusionsnäherung basiert, ist nur schwer möglich.
Ein anderer Weg besteht darin, die Kopplung der Bänder ausgehend von einer getrennten Beschreibung der Teilchen- und Energieerhaltung im jeweiligen Band zu berechnen, und durch eine effektive Beweglichkeit auszudrücken. Darüberhinaus erhält man auch die Formulierung einer effektiven mittleren Energie, die durch eine effektive Temperaturspannung ausgedrückt wird. Dieser Weg wurde erstmals von Käsweber und Hänsch [43] beschritten. Das so erhaltene Modell bietet die Möglichkeit, ein physikalisch motiviertes Transportmodell für Zweibandhalbleiter in einem Simulator, der auf dem (erweiterten) Drift-Diffusionsmodell für ein einziges Band basiert, ohne weitere Änderungen einzusetzen.
Man geht dabei wieder vom Gleichungssatz (3.23) - (3.28) aus
Kap. 3.1.1 aus, der für zwei Bänder getrennt angeschrieben wird.
Hier werden die beiden Bänder als - und L-Band bezeichnet, da diese die
zwei tiefsten Minima in der Bandstruktur sind. Das so bezeichnete L-Band
repräsentiert jedoch auch den Einfluß höherenergetischer Bänder, wie den
des X-Bandes, was durch eine entsprechende Wahl der effektiven Masse erreicht
werden kann.
Größen mit Index oder
beziehen sich im folgenden immer auf das
jeweilige Band. Die neue Größe
bezeichnet die Anzahl jener Elektronen
im
-Band, die eine Energie größer als der Abstand
zwischen
- und L-Band besitzen (Abb. 3.1).
Die Zeitkonstanten
und
beschreiben
den Teilchen- und Energietransfer zwischen den Bändern.
Ziel der weiteren Vorgangsweise ist es, eine Formulierung für die effektive
Beweglichkeit und die effektive Temperaturspannung
zu
finden, die in einer einzigen Transportgleichung verwendet werden kann.
Die Gesamtteilchenzahl , die gesamte Teilchenstromdichte
und die
gesamte Energiestromdichte
erhält man durch Addition der Größen
aus beiden Bändern.
Unter der grundlegenden Annahme, daß auf die Teilchen in beiden Bändern
dieselbe Kraft wirkt, erhält man aus (3.54)
und (3.56)
und damit die effektive Beweglichkeit
wobei das Verhältnis zwischen den Anzahlen der Teilchen
im L-Band und der Teilchen in
-Band beschreibt. Ebenso erhält man aus
(3.57) unter Vernachlässigung der räumlichen Ableitung der
Temperaturspannungen mithilfe von (3.48) und (3.50) die
effektive Temperaturspannung
Der Zusammenhang zwischen bzw.
und
läßt sich in der in
Kap. 3.1.2 beschriebenen Weise herleiten.
Dabei erhält man auch die Temperaturspannungen und
.
Die Gleichungen (3.61) - (3.64) enthalten sechs Parameter,
die Beweglichkeiten für schwaches Feld ,
, die
Energierelaxationszeiten
,
und die
Sättigungsgeschwindigkeiten
und
. Von diesen sechs
Parametern sind aber nur drei direkt experimentell zugänglich.
Die Beweglichkeit
erhält man aus Messungen im schwachen
Feld, die Beweglichkeit
läßt sich aus Messungen bei niedrigen
Frequenzen bestimmen [7]. Die Energierelaxationszeit
kann
man aus der Krümmung der Feldabhängigkeit der mittleren Energie für
berechnen. Um die drei fehlenden Parameter
,
und
auf meßbare Größen zurückführen zu können,
benützt man die bisher noch nicht verwendeten Energieerhaltungsgleichungen
(3.48). Kombiniert man (3.48) und (3.50), so erhält
man unter den gleichen Voraussetzungen wie in Kap. 3.1.2 mit den
Abkürzungen
und
Betrachtet man (3.65) und (3.66) im Bereich für
, wo
gilt, erhält man für die Energierelaxationszeiten
Kennt man nun die Teilchenverhältnisse im thermischen Gleichgewicht
und
so kann man
auf
zurückführen.
Für gilt
und man erhält für die Sättigungsgeschwindigkeiten mit (3.69)
Mithilfe von (3.59) kann man die
Sättigungsgeschwindigkeiten und
auf die experimentell
zugängliche Sättigungsgeschwindigkeit
zurückführen.
Als letzter Schritt in der Herleitung des erweiterten Transportmodells bleibt
jetzt noch die Bestimmung der Feldabhängigkeit der Teilchenverhältnisse
und
. Der Teilchentransfer (Abb. 3.1) wird durch
folgende Ratengleichungen beschrieben:
Abbildung 3.1: Teilchentransfer zwischen - und L-Band
Die Änderung der Verteilungsfunktionen und
in Abhängigkeit
von der Bandenergie
wird hier durch vier energieabhängige Streuzeiten
beschrieben, wobei
und
Übergänge innerhalb
der Bänder,
und
dagegen Übergänge zwischen den
Bändern angeben. Die Koeffizienten
,
,
und
sind
energieunabhängig. Durch die Sprungfunktion
wird
berücksichtigt, daß Übergänge zwischen den Bändern erst bei einer Energie
größer als
erfolgen können.
und
sind die
energieabhängigen mikroskopischen Teilchengeschwindigkeiten.
Normiert man die Energie auf , erhält man mit den Abkürzungen
aus (3.76) und (3.77) drei partielle Differentialgleichungen für die Verteilungsfunktionen in den beiden Bändern.
Im thermischen Gleichgewicht soll die Boltzmannstatistik gelten, d.h. für die
Verteilungsfunktionen und
gilt
wobei die normierte Energie bezeichnet.
Mit dieser Annahme erhalten wir drei inhomogene lineare Differentialgleichungen
der Form
Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung lautet
Die Lösung der Gleichungen (3.82) - (3.84) lautet nun:
mit der Definition
wobei die komplementäre Fehlerfunktion bezeichnet.
Die Teilchendichten erhält man durch Integration des Produkts aus
Zustandsdichte und Verteilungsfunktion. Die Zustandsdichte in der Nähe der
Bandkante ist proportional zu
.
Integriert man (3.82) für so erhält man für
Ebenso erhält man aus (3.84)
Die Integration von (3.88)-(3.90) liefert mithilfe der
Gammafunktion mit dem Argument
die detaillierten Teilchenzahlen im - und L-Band
Die Transferintegrale ,
und
enthalten nun die
Feldabhängigkeit der Besetzungszahlen in den einzelnen Bändern. Damit ist es
jetzt möglich, die Feldabhängigkeit der Teilchenverhältnisse
und
zu berechnen. Aus den Forderungen für Teilchenerhaltung im
-Band
und der Teilchenerhaltung des Streuprozesses zwischen - und L-Band
(vgl. Abb. 3.1: alle aus dem -Band hinausgestreuten Teilchen
müssen im L-Band ankommen und umgekehrt)
erhält man mit (3.93) und (3.94) für die Teilchenverhältnisse
Mit (3.96), (3.102) und (3.59) - (3.64)
läßt sich die Feldabhängigkeit der effektiven Beweglichkeit und
der effektiven Temperaturspannung
konsistent beschreiben. Neben den
meßbaren physikalischen Größen
,
,
und
enthält das Modell die noch unbekannten Transferzeitkonstanten
,
und
. Darüberhinaus
müssen noch die Grenzwerte der Teilchenverhältnisse für schwaches und
starkes Feld berechnet werden, um die fehlenden Parameter
,
und
bestimmen zu können.
Die Abhängigkeit der Transferzeitkonstanten ,
und
von der Bandenergie
wurde in [14] berechnet. Sie wird hauptsächlich durch die Streuung an
polar optischen Phononen (Energie
) bestimmt.
Um daraus einen geeigneten Mittelwert zu berechnen, wird eine mit der jeweiligen Elektronentemperatur skalierte Boltzmann-ähnliche Verteilung (3.106) verwendet.
Nach Durchführung der Mittelwertbildung erhält man unter den Voraussetzungen
mithilfe der Definition der unvollständigen Gammafunktion
folgende Abhängigkeiten für die Transferzeiten:
Damit bleibt als letzter Schritt zur Vervollständigung des Modells
nur mehr die Berechnung der Teilchenverhältnisse
und
in den Grenzwerten für starkes und schwaches Feld.
Für starkes Feld erhält man für
Mit (3.67) - (3.72) erhält man
daraus mit (3.101), (3.102) und
Im Grenzwert gilt
Damit erhält man das Verhältnis
Die Beschreibung des Elektronentransports im Zweibandsystem ist nun komplett und
enthält neben den meßbaren Parametern ,
und
nur einen einzigen Fitparameter, nämlich die Transferzeit für
Übergänge im
-Band
. Der Wert für
liegt
in der Größenordnung von
Sekunden und bestimmt jenen Wert der
treibenden Kraft, für den merkliche Streuung der
-Elektronen in das
L-Band auftritt.
Zu bemerken ist, daß in dieser Beschreibung die Transportparameter
und
lokal von der treibenden Kraft abhängen. Nichtlokale Effekte
können also mit diesem Modell nicht beschrieben werden. Details zur
Implementierung und die numerische Auswertung und Überprüfung dieses Modells
werden in Kap. 3.4.3 beschrieben.