3.1.4 Das Transportmodell für Zweibandhalbleiter



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3.1.4 Das Transportmodell für Zweibandhalbleiter

 

Während es für Silizium gerechtfertigt ist, in der Beschreibung der Transporteigenschaften im Rahmen der erweiterten Drift-Diffusionsnäherung die Bandstruktur auf ein parabolisches Band zu reduzieren, ist eine derartige Annahme bei Galliumarsenid nur im Bereich sehr kleiner Feldstärken () zulässig. Eine Betrachtung der Bandstruktur (Abb. 3.10) legt jedoch nahe, den Elektronentransport mithilfe eines Zweibandmodells zu beschreiben (siehe Kap. 3.4.1). Das würde aber bedeuten, beide Bänder getrennt zu behandeln und für jedes Band eine eigene Transport- und Erhaltungsgleichung zusammen mit der Poissongleichung zu lösen. Dazu käme im einfachsten Fall noch eine Beschreibung des Teilchentransfers zwischen den beiden Bändern. Allerdings erfordert diese Methode beträchtlichen Mehraufwand bei der numerischen Lösung des resultierenden Gleichungssystems, und eine effiziente Implementierung in einen bestehenden Simulator, der auf der Drift-Diffusionsnäherung basiert, ist nur schwer möglich.

Ein anderer Weg besteht darin, die Kopplung der Bänder ausgehend von einer getrennten Beschreibung der Teilchen- und Energieerhaltung im jeweiligen Band zu berechnen, und durch eine effektive Beweglichkeit auszudrücken. Darüberhinaus erhält man auch die Formulierung einer effektiven mittleren Energie, die durch eine effektive Temperaturspannung ausgedrückt wird. Dieser Weg wurde erstmals von Käsweber und Hänsch [43] beschritten. Das so erhaltene Modell bietet die Möglichkeit, ein physikalisch motiviertes Transportmodell für Zweibandhalbleiter in einem Simulator, der auf dem (erweiterten) Drift-Diffusionsmodell für ein einziges Band basiert, ohne weitere Änderungen einzusetzen.

Man geht dabei wieder vom Gleichungssatz (3.23) - (3.28) aus Kap. 3.1.1 aus, der für zwei Bänder getrennt angeschrieben wird. Hier werden die beiden Bänder als - und L-Band bezeichnet, da diese die zwei tiefsten Minima in der Bandstruktur sind. Das so bezeichnete L-Band repräsentiert jedoch auch den Einfluß höherenergetischer Bänder, wie den des X-Bandes, was durch eine entsprechende Wahl der effektiven Masse erreicht werden kann.

 

 

 

 

 

Größen mit Index oder beziehen sich im folgenden immer auf das jeweilige Band. Die neue Größe bezeichnet die Anzahl jener Elektronen im -Band, die eine Energie größer als der Abstand zwischen - und L-Band besitzen (Abb. 3.1). Die Zeitkonstanten und beschreiben den Teilchen- und Energietransfer zwischen den Bändern.

Ziel der weiteren Vorgangsweise ist es, eine Formulierung für die effektive Beweglichkeit und die effektive Temperaturspannung zu finden, die in einer einzigen Transportgleichung verwendet werden kann.

 

Die Gesamtteilchenzahl , die gesamte Teilchenstromdichte und die gesamte Energiestromdichte erhält man durch Addition der Größen aus beiden Bändern.

   

Unter der grundlegenden Annahme, daß auf die Teilchen in beiden Bändern dieselbe Kraft wirkt, erhält man aus (3.54) und (3.56)

und damit die effektive Beweglichkeit

 

wobei das Verhältnis zwischen den Anzahlen der Teilchen im L-Band und der Teilchen in -Band beschreibt. Ebenso erhält man aus (3.57) unter Vernachlässigung der räumlichen Ableitung der Temperaturspannungen mithilfe von (3.48) und (3.50) die effektive Temperaturspannung

 

Der Zusammenhang zwischen bzw. und läßt sich in der in Kap. 3.1.2 beschriebenen Weise herleiten.

  

Dabei erhält man auch die Temperaturspannungen und .

  

Die Gleichungen (3.61) - (3.64) enthalten sechs Parameter, die Beweglichkeiten für schwaches Feld , , die Energierelaxationszeiten , und die Sättigungsgeschwindigkeiten und . Von diesen sechs Parametern sind aber nur drei direkt experimentell zugänglich. Die Beweglichkeit erhält man aus Messungen im schwachen Feld, die Beweglichkeit läßt sich aus Messungen bei niedrigen Frequenzen bestimmen [7]. Die Energierelaxationszeit kann man aus der Krümmung der Feldabhängigkeit der mittleren Energie für berechnen. Um die drei fehlenden Parameter , und auf meßbare Größen zurückführen zu können, benützt man die bisher noch nicht verwendeten Energieerhaltungsgleichungen (3.48). Kombiniert man (3.48) und (3.50), so erhält man unter den gleichen Voraussetzungen wie in Kap. 3.1.2 mit den Abkürzungen und

  

Betrachtet man (3.65) und (3.66) im Bereich für , wo

 

gilt, erhält man für die Energierelaxationszeiten

 

Kennt man nun die Teilchenverhältnisse im thermischen Gleichgewicht und so kann man auf zurückführen.

Für gilt

und man erhält für die Sättigungsgeschwindigkeiten mit (3.69)

 

Mithilfe von (3.59) kann man die Sättigungsgeschwindigkeiten und auf die experimentell zugängliche Sättigungsgeschwindigkeit zurückführen.

Als letzter Schritt in der Herleitung des erweiterten Transportmodells bleibt jetzt noch die Bestimmung der Feldabhängigkeit der Teilchenverhältnisse und . Der Teilchentransfer (Abb. 3.1) wird durch folgende Ratengleichungen beschrieben:

  
Abbildung 3.1: Teilchentransfer zwischen - und L-Band

  

Die Änderung der Verteilungsfunktionen und in Abhängigkeit von der Bandenergie wird hier durch vier energieabhängige Streuzeiten beschrieben, wobei und Übergänge innerhalb der Bänder, und dagegen Übergänge zwischen den Bändern angeben. Die Koeffizienten , , und sind energieunabhängig. Durch die Sprungfunktion wird berücksichtigt, daß Übergänge zwischen den Bändern erst bei einer Energie größer als erfolgen können. und sind die energieabhängigen mikroskopischen Teilchengeschwindigkeiten.

Normiert man die Energie auf , erhält man mit den Abkürzungen

 

aus (3.76) und (3.77) drei partielle Differentialgleichungen für die Verteilungsfunktionen in den beiden Bändern.

   

Im thermischen Gleichgewicht soll die Boltzmannstatistik gelten, d.h. für die Verteilungsfunktionen und gilt

wobei die normierte Energie bezeichnet. Mit dieser Annahme erhalten wir drei inhomogene lineare Differentialgleichungen der Form

Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung lautet

Die Lösung der Gleichungen (3.82) - (3.84) lautet nun:

   

mit der Definition

wobei die komplementäre Fehlerfunktion bezeichnet. Die Teilchendichten erhält man durch Integration des Produkts aus Zustandsdichte und Verteilungsfunktion. Die Zustandsdichte in der Nähe der Bandkante ist proportional zu .

Integriert man (3.82) für so erhält man für

 

Ebenso erhält man aus (3.84)

 

Die Integration von (3.88)-(3.90) liefert mithilfe der Gammafunktion mit dem Argument

die detaillierten Teilchenzahlen im - und L-Band

 

Die Transferintegrale , und enthalten nun die Feldabhängigkeit der Besetzungszahlen in den einzelnen Bändern. Damit ist es jetzt möglich, die Feldabhängigkeit der Teilchenverhältnisse und zu berechnen. Aus den Forderungen für Teilchenerhaltung im -Band

und der Teilchenerhaltung des Streuprozesses zwischen - und L-Band
(vgl. Abb. 3.1: alle aus dem -Band hinausgestreuten Teilchen müssen im L-Band ankommen und umgekehrt)

erhält man mit (3.93) und (3.94) für die Teilchenverhältnisse

  

Mit (3.96), (3.102) und (3.59) - (3.64) läßt sich die Feldabhängigkeit der effektiven Beweglichkeit und der effektiven Temperaturspannung konsistent beschreiben. Neben den meßbaren physikalischen Größen , , und enthält das Modell die noch unbekannten Transferzeitkonstanten , und . Darüberhinaus müssen noch die Grenzwerte der Teilchenverhältnisse für schwaches und starkes Feld berechnet werden, um die fehlenden Parameter , und bestimmen zu können.

Die Abhängigkeit der Transferzeitkonstanten , und von der Bandenergie wurde in [14] berechnet. Sie wird hauptsächlich durch die Streuung an polar optischen Phononen (Energie ) bestimmt.

   

Um daraus einen geeigneten Mittelwert zu berechnen, wird eine mit der jeweiligen Elektronentemperatur skalierte Boltzmann-ähnliche Verteilung (3.106) verwendet.

 

Nach Durchführung der Mittelwertbildung erhält man unter den Voraussetzungen

mithilfe der Definition der unvollständigen Gammafunktion

 

folgende Abhängigkeiten für die Transferzeiten:

  

Damit bleibt als letzter Schritt zur Vervollständigung des Modells nur mehr die Berechnung der Teilchenverhältnisse und in den Grenzwerten für starkes und schwaches Feld. Für starkes Feld erhält man für

Mit (3.67) - (3.72) erhält man

daraus mit (3.101), (3.102) und

Im Grenzwert gilt

Damit erhält man das Verhältnis

Die Beschreibung des Elektronentransports im Zweibandsystem ist nun komplett und enthält neben den meßbaren Parametern , und nur einen einzigen Fitparameter, nämlich die Transferzeit für Übergänge im -Band . Der Wert für liegt in der Größenordnung von Sekunden und bestimmt jenen Wert der treibenden Kraft, für den merkliche Streuung der -Elektronen in das L-Band auftritt.

Zu bemerken ist, daß in dieser Beschreibung die Transportparameter und lokal von der treibenden Kraft abhängen. Nichtlokale Effekte können also mit diesem Modell nicht beschrieben werden. Details zur Implementierung und die numerische Auswertung und Überprüfung dieses Modells werden in Kap. 3.4.3 beschrieben.



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Martin Stiftinger
Fri Oct 14 19:00:51 MET 1994