2.3 Graphische Benutzeroberfläche



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2.3 Graphische Benutzeroberfläche

 

Ein modernes TCAD-System muß eine graphische Oberfläche zur Interaktion mit dem Benutzer beinhalten. Es ist nur für den Entwickler, nicht aber den Anwender, z.B. einem Prozeßingenieur möglich und sinnvoll, ein derart komplexes Software-System über eine Kommandozeile textuell zu beherrschen. Die Akzeptanz eines TCAD-Systems wird neben der angebotenen Funktionalität stark von der Qualität und dem Komfort der graphischen Benutzeroberfläche bestimmt.

Von den Benutzern eines TCAD-Systems wird also eine komfortable und uniforme Bedienung der einzelnen Systemkomponenten gefordert. Die Homogenität der Benutzeroberfläche innerhalb des Systems und die größtmögliche Einbeziehung externer Richtlinien (,,User Interface Policy``) und Standards (z.B. OSF/Motif [B0191] [Kob91]) bei der Bedienelementanordnung und des Interaktionsaufbaus ist Voraussetzung für die rasche Erlernbarkeit und den intuitiven Umgang mit dem Gesamtsystem.

Als Basis der graphischen Benutzerschnittstellen wird allgemein das am MIT entwickelte X Window System [Sch88] als De-facto-Standard unterstützt. Weniger eindeutig ist die Wahl des sogenannten ,,Toolkits`` - eine Unterprogrammbibliothek zur Unterstützung der X-Applikationsentwicklung, die zugleich das Erscheinungsbild (,,Look and Feel``) der graphischen Oberfläche festlegt - und des richtigen ,,Widget-Sets`` - ein Basissatz von Bedienelementen wie z.B Kommandoknopf, Menü, oder Texteingabefläche. Um dem Wettstreit zwischen den beiden kommerziellen Produkten Motif [B0191] [Kob91] von OSF und Open Look [Pro88] von Sun Microsystems und AT& auszuweichen, sind das X-Toolkit Xt [Pet62] und das Athena Widget Set [Pet91], beide mit dem X-Quellcode frei erhältlich, eine gute Alternative.

  
Abbildung: Struktur der graphischen Benutzeroberfläche von VISTA: Die Erweiterungen von XLISP und des X Window Systems sind grau unterlegt [Hal93].

In Winterp [May91] ist eine Anbindung des X-Toolkits an XLISP implementiert. Dazu wird allerdings direkt das nicht-standardisierte objekt-orientierte Subsystem von XLISP verwendet. Eine C-Zwischenebene, für eine gemeinsame Verwendung der graphischen Benutzerschnittstelle in C-Applikation und in LISP notwendig, fehlt im Aufruf der Widget-Funktionen, sodaß eine eigene X-Anbindung an XLISP realisiert wurde [Hal92].

Der strukturelle Aufbau der graphischen Benutzeroberfläche von VISTA ist in Abb. 2.4 dargestellt. Kernstück des VISTA User Interface (VUI) ist eine in C geschriebene Funktionsbibliothek zwischen den graphischen Applikationen inklusive XLISP und dem X Window System. In dieser Bibliothek sind die Gemeinsamkeiten in Aussehen und Benutzerinteraktion zwischen den verschiedenen eigenständigen graphischen Applikationen und den LISP-gesteuerten Bedienungspaneelen festgelegt, um eine einheitliche Präsentation der Systemkomponenten gegenüber dem Benutzer zu garantieren. Mehrmals gebrauchte, höhere Funktionalität als durch das Toolkit abgedeckt, ist hier implementiert. Die Benutzeroberfläche ist unter Zwischenschaltung dieser VUI-Bibliothek mit größtmöglicher Unabhängigkeit vom verwendeten Widget-Set gestaltet, um einen späteren Umstieg auf ein anderes (ev. OSF/Motif) zu unterstützen.

  
Abbildung: Symbolischer PIF Browser zur Selektion von PIF-Objekten: Die Hierarchie der PIF-Objekte wird durch Einrücken dargestellt, der Objekttyp erscheint als Ikone.

Die Kombination aus LISP-Interpreter und Widget-Anbindung ermöglicht die Generierung von Bedienungspaneelen für die Ansteuerung von Simulatoren oder Datenkonvertern zur Laufzeit. Eine einfache Beschreibung der Einzelelemente des Bedienungspaneels in LISP-Syntax wird von LISP-Makro-Programmen in die korrekte Sequenz der Widget-Funktionsaufrufe umgesetzt und unterstützt die Erstellung von einheitlichen graphischen Bedienfenstern ohne tiefere Kenntnis der Widget-Programmierung. Alle in Kapitel 3 gezeigten Bedienungspaneele wurden auf diese Weise erstellt. Ein anderes Beispiel für die Flexibilität der LISP-Makros bei Erstellung von graphischen Benutzerschnittstellen ist der ,,Symbolische PIF Browser`` in Abb. 2.5: Die genaue Hierarchie der PIF-Objekte in einer binären Datei wird graphisch dargestellt, wobei der Objekttyp als sogenannte Ikone erscheint.



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Martin Stiftinger
Mon Oct 17 21:16:53 MET 1994