Bei der Simulation von Ätzprozessen muß darauf geachtet werden, daß sich die Ätzfront an Materialgrenzstellen richtig bewegt. Diese Materialübergänge bedeuten in den meisten Fällen einen Sprung der Ätzratenfunktion, wie Abbildung 3.14 zeigt. Für die folgende Überlegung betrachten wir einen Punkt, der sich im Zuge der Ätzung, ausgehend von der Oberfläche , in Richtung positiver z-Achse bewegt. kennzeichnet die Position des Punktes nach dem ersten Zeitschritt entsprechend der Multiplikation des Zeitschrittes mit der Ätzrate . Ohne Berücksichtigung der Materialgrenze würde sich der Punkt mit der Geschwindigkeit in das Material 2 hineinbewegen und damit einen Positionsfehler der Oberfläche hervorrufen.
Gilt im Material 2 die Ätzrate , so ergibt sich unter Berücksichtigung der Materialgrenze für die Position des Punktes :
Abbildung 3.14: Die Bewegung der Oberfläche über eine Materialgrenze.
Der Punkt wird in seiner Bewegung bei höherer Ätzrate beschleunigt oder, so wie in dem hier gezeigten Fall, bei niedrigerer Ätzrate gebremst. Die Wegstrecke, die der Punkt beim Übertritt in das Material 2 zurücklegt (), liegt zwischen den Wegstücken, die der Punkt in den Materialbereichen 1 und 2 während eines Zeitschrittes voranschreitet.
Für die praktische Simulation wird, um die Ätzfront korrekt zu bewegen, das strukturierende Element nur für jene Materialzellen angewendet, die mit dem selben Materialindex gekennzeichnet sind, als die Oberflächenzelle, an der das Element angreift. Damit bewegt sich die Ätzfront im Falle einer Materialgrenzstelle bis zur Materialgrenze mit der gültigen Ätzgeschwindigkeit, aber nicht in das andere Material hinein. Um zu erkennen, ob im Bereich des strukturierenden Elements eine Materialgrenze vorliegt, werden die in der zellulären Struktur diskretisierte Haupt- und Nebenachse des Elements bis zu dessen Berandung hin untersucht. Trifft man ausgehend von der ursprünglichen Oberflächenzelle auf eine Zelle mit unterschiedlichem Materialindex, so ist diese Zelle eine Zelle, an der ein zusätzliches strukturierendes Element anzuwenden ist, sodaß sich folglich für den betrachteten Zeitschritt ein zusammengesetztes Element an der Materialgrenze ergibt, wie Abbildung 3.15 zeigt.
Abbildung 3.15: Zusammengesetzte strukturierende Elemente bei der Ätzung über
eine Materialgrenze hinweg, kennzeichnet den Mittelpunkt
des zusätzlich angewendeten strukturierenden Elements für (a)
direktionale Ätzung und (b) isotrope Ätzung.
Das zusätzlich angewendete strukturierende Element legt über seine Abmessungen fest, wie weit sich die Oberfläche in das andere Material hineinbewegt. Für direktionale Ätzverfahren errechnet sich die Länge der Hauptachse entsprechend Gleichung 3.6, also aus dem Verhältnis der beiden Ätzraten, die entlang dieser Richtung gelten, multipliziert mit dem Längenabschnitt, um den das ursprüngliche strukturierende Element in das andere Material hineinreicht. Die Länge der Nebenachse wird nach Abschnitt 3.2 wieder so gewählt, daß sich ein konstantes Verhältnis von Haupt- zu Nebenachse ergibt. Für isotrope Ätzung wird analog verfahren. Die Ätzrate errechnet sich entsprechend Gleichung 3.6, sie bestimmt den Radius des für isotrope Ätzung zusätzlich angewendeten kreisförmigen strukturierenden Elements.