Wie in der Einleitung dieses Kapitels bereits angedeutet, stellt sich die genaue Berechnung sehr kleiner Ströme als schwierig heraus. In diesem Abschnitt werden die Gründe für diese Schwierigkeiten betrachtet und einer quantitativen Analyse unterzogen. Die Ungenauigkeiten entstehen an verschiedenen Stellen durch die jeweils gleiche Ursache:
Eine einfache Abschätzung liefert die Größenordnung des numerischen Fehlers in . Ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei die Stromdichte der Elektronen betrachtet. Für sie gilt am Zwischengitterpunkt in x-Richtung
Numerische Ungenauigkeiten entstehen bei der Subtraktion
der großen Zahlen in den eckigen Klammern in (2.20).
Der relative Fehler dieser Operation ist die Maschinengenauigkeit
.
Unter der Annahme eines sehr kleinen elektrischen Feldes gilt .
Die kleinstmögliche Differenz zwischen den beiden
Ladungsträgerkonzentrationen
ist
.
Für ein typisches Maschinenepsilon von
und eine Ladungsträgerkonzentration von liegt
dieser Wert bei .
Für einen Gitterabstand von ,
eine Beweglichkeit von folgt für den
endgültigen Fehler in der Kontaktstrom-Berechnung
=.
Dieser Wert ist nicht mehr vernachlässigbar.
Integriert man diese Stromdichte auf einer Fläche von ,
so liefert das einen Kontaktstrom von .
Dieser rein numerisch bedingte Fehlerstrom liegt bereits in der
Größenordnung von Leckströmen. Der Fehler
ist proportional zur Fläche des Kontaktes und kann entsprechend
groß werden.
Eine vollkommen analoge Analyse folgt
für die Zeitableitungen der Ladungsträgerkonzentrationen,
die einen Teil der skalaren Gewichtskomponenten
in (2.8)-(2.10)
darstellen. Bildet man den zeitliche Differenzenquotienten
für Elektronen zwischen den Zeitpunkten und
so ist die numerische Genauigkeit des Resultates sowohl von der
Größe der Ladungsträgerkonzentrationen
als auch vom Zeitschritt
abhängig. Der relative Fehler der Subtraktion,
die Maschinengenauigkeit , wird mit der
Ladungsträgerkonzentration und dem inversen Zeitinkrement
multipliziert. Zu bemerken ist weiters, daß
die Zeitableitungen der Ladungsträgerkonzentrationen
auch Rundungsfehler in den Kontinuitätsgleichungen
verursachen. Dies führt zum Effekt, daß bei
sehr kurzen Zeitschritten auch
dann kleine Kontaktströme auftreten,
wenn keine Änderung von Randbedingungen
vorgenommen wird. Diese lokalen transienten
Konzentrationsschwankungen führen zu
Potentialfluktuationen, die sich in
einem zeitlich nicht
verschwindenden Verschiebungsstrom äußern.
Große Rundungsfehler entstehen in allen Gebieten
mit hohen Ladungsträgerkonzentrationen.
Dies sind in erster Linie die hoch dotierten Gebiete,
aber auch invertierte oder akkumulierte
Oberflächen oder Volumina im Halbleitergebiet.
Schließlich sind die Rekombinationsraten
mit einem Rundungsfehler behaftet.
Im stationären Fall gilt sowohl für die direkte
(Auger) als auch indirekte (Shockley-Read-Hall) Rekombination
die Proportionalitätsrelation
worin die Eigenleitungsdichte darstellt.
In Gebieten mit thermodynamischem Gleichgewicht
ist das Dichteprodukt gleich und
die Rekombinationsraten verschwinden in exakter
Arithmetik. In endlicher Arithmetik werden Zahlen
der Größenordnung subtrahiert, wodurch
bei einer Maschinengenauigkeit von
ein Rundungsfehler von immerhin
erzeugt wird. Diese kleinen Raten gehen in die
Kontinuitätsgleichungen ein und verursachen auch
im thermodynamischen Gleichgewicht kleine
unphysikalische Kontaktströme.
Eine graphische Einsicht dieses Sachverhaltes zeigen die
Abbildungen 2.2-2.3.
Stromdichten (Abbildung 2.2)
für Elektronen und Löcher
werden für eine Dünnfilm SOI Gate-Diode
im thermodynamischen Gleichgewicht
dargestellt. Die anliegenden Kontaktpotentiale sind
==,
weswegen bei exakter Lösung der
diskreten linearen Gleichungssysteme
(Kontinuitätsgleichungen)
erstens die Leitungsstromdichten
und zweitens die Rekombinationsraten
im gesamten Bauelement-Gebiet identisch verschwinden müssen,
da für das Dichteprodukt = gilt.
In der SOI-Struktur existiert eine hoch dotierte
-Zone am Source-Kontakt
und eine -Zone am Drain-Kontakt, getrennt durch
schwach dotiertes -Substratmaterial.
Der dünne Siliziumfilm ist zwischen zwei Steuerelektroden
(Frontgate/Backgate), die durch
dünne Oxide vom Siliziumfilm getrennt sind, eingezwängt.
Die dem vorderen Gate zugewandte Siliziumgrenzschicht ist
invertiert, die rückwärtige Grenzschicht ist mit Löchern
akkumuliert. Die Abbildungen 2.3
zeigen die Ladungsträgerkonzentrationen im Bauelement.
Die Ähnlichkeit in den Verläufen von Elektronenkonzentration und
Elektronenstromdichte bzw. von Löcherkonzentration und
Löcherstromdichte ist evident.
Die Behauptung, daß der Rundungsfehler,
der in der Berechnung der Stromdichten entsteht,
der jeweiligen Ladungsträgerkonzentration direkt proportional ist,
ist dadurch anschaulich belegt.