2.2 Analyse von Rundungsproblemen



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2.2 Analyse von Rundungsproblemen

 

Wie in der Einleitung dieses Kapitels bereits angedeutet, stellt sich die genaue Berechnung sehr kleiner Ströme als schwierig heraus. In diesem Abschnitt werden die Gründe für diese Schwierigkeiten betrachtet und einer quantitativen Analyse unterzogen. Die Ungenauigkeiten entstehen an verschiedenen Stellen durch die jeweils gleiche Ursache:

Bei der Berechnung der Stromdichten , aus den Ladungsträgerkonzentrationen und , den Bernoullikoeffizienten und den Beweglichkeiten .

Bei der Berechnung der Zeitableitungen der Ladungsträgerkonzentrationen
( und ).

Bei der Berechnung der Rekombinationsraten aus den Ladungsträgerkonzentrationen und und der intrinsischen Leitungsdichte .

Eine einfache Abschätzung liefert die Größenordnung des numerischen Fehlers in . Ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei die Stromdichte der Elektronen betrachtet. Für sie gilt am Zwischengitterpunkt in x-Richtung

 

Numerische Ungenauigkeiten entstehen bei der Subtraktion der großen Zahlen in den eckigen Klammern in (2.20). Der relative Fehler dieser Operation ist die Maschinengenauigkeit . Unter der Annahme eines sehr kleinen elektrischen Feldes gilt . Die kleinstmögliche Differenz zwischen den beiden Ladungsträgerkonzentrationen ist . Für ein typisches Maschinenepsilon von und eine Ladungsträgerkonzentration von liegt dieser Wert bei . Für einen Gitterabstand von , eine Beweglichkeit von folgt für den endgültigen Fehler in der Kontaktstrom-Berechnung =. Dieser Wert ist nicht mehr vernachlässigbar. Integriert man diese Stromdichte auf einer Fläche von , so liefert das einen Kontaktstrom von . Dieser rein numerisch bedingte Fehlerstrom liegt bereits in der Größenordnung von Leckströmen. Der Fehler ist proportional zur Fläche des Kontaktes und kann entsprechend groß werden.
Eine vollkommen analoge Analyse folgt für die Zeitableitungen der Ladungsträgerkonzentrationen, die einen Teil der skalaren Gewichtskomponenten in (2.8)-(2.10) darstellen. Bildet man den zeitliche Differenzenquotienten für Elektronen zwischen den Zeitpunkten und

so ist die numerische Genauigkeit des Resultates sowohl von der Größe der Ladungsträgerkonzentrationen als auch vom Zeitschritt abhängig. Der relative Fehler der Subtraktion, die Maschinengenauigkeit , wird mit der Ladungsträgerkonzentration und dem inversen Zeitinkrement multipliziert. Zu bemerken ist weiters, daß die Zeitableitungen der Ladungsträgerkonzentrationen auch Rundungsfehler in den Kontinuitätsgleichungen verursachen. Dies führt zum Effekt, daß bei sehr kurzen Zeitschritten auch dann kleine Kontaktströme auftreten, wenn keine Änderung von Randbedingungen vorgenommen wird. Diese lokalen transienten Konzentrationsschwankungen führen zu Potentialfluktuationen, die sich in einem zeitlich nicht verschwindenden Verschiebungsstrom äußern.
Große Rundungsfehler entstehen in allen Gebieten mit hohen Ladungsträgerkonzentrationen. Dies sind in erster Linie die hoch dotierten Gebiete, aber auch invertierte oder akkumulierte Oberflächen oder Volumina im Halbleitergebiet.
Schließlich sind die Rekombinationsraten mit einem Rundungsfehler behaftet. Im stationären Fall gilt sowohl für die direkte (Auger) als auch indirekte (Shockley-Read-Hall) Rekombination die Proportionalitätsrelation

worin die Eigenleitungsdichte darstellt. In Gebieten mit thermodynamischem Gleichgewicht ist das Dichteprodukt gleich und die Rekombinationsraten verschwinden in exakter Arithmetik. In endlicher Arithmetik werden Zahlen der Größenordnung subtrahiert, wodurch bei einer Maschinengenauigkeit von ein Rundungsfehler von immerhin erzeugt wird. Diese kleinen Raten gehen in die Kontinuitätsgleichungen ein und verursachen auch im thermodynamischen Gleichgewicht kleine unphysikalische Kontaktströme.
Eine graphische Einsicht dieses Sachverhaltes zeigen die Abbildungen 2.2-2.3. Stromdichten (Abbildung 2.2) für Elektronen und Löcher werden für eine Dünnfilm SOI Gate-Diode im thermodynamischen Gleichgewicht dargestellt. Die anliegenden Kontaktpotentiale sind ==, weswegen bei exakter Lösung der diskreten linearen Gleichungssysteme (Kontinuitätsgleichungen) erstens die Leitungsstromdichten und zweitens die Rekombinationsraten im gesamten Bauelement-Gebiet identisch verschwinden müssen, da für das Dichteprodukt = gilt. In der SOI-Struktur existiert eine hoch dotierte -Zone am Source-Kontakt und eine -Zone am Drain-Kontakt, getrennt durch schwach dotiertes -Substratmaterial. Der dünne Siliziumfilm ist zwischen zwei Steuerelektroden (Frontgate/Backgate), die durch dünne Oxide vom Siliziumfilm getrennt sind, eingezwängt. Die dem vorderen Gate zugewandte Siliziumgrenzschicht ist invertiert, die rückwärtige Grenzschicht ist mit Löchern akkumuliert. Die Abbildungen 2.3 zeigen die Ladungsträgerkonzentrationen im Bauelement. Die Ähnlichkeit in den Verläufen von Elektronenkonzentration und Elektronenstromdichte bzw. von Löcherkonzentration und Löcherstromdichte ist evident. Die Behauptung, daß der Rundungsfehler, der in der Berechnung der Stromdichten entsteht, der jeweiligen Ladungsträgerkonzentration direkt proportional ist, ist dadurch anschaulich belegt.



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Martin Stiftinger
Fri Oct 14 21:33:54 MET 1994