2 Kontaktstrom-Integration



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2 Kontaktstrom-Integration

Ein wesentlicher Schritt nach dem Vorliegen einer selbst-konsistenten Lösung der Halbleiter-Bauelementgleichungen ist die Berechnung diverser integraler Größen. Im Gegensatz zu den verteilten Größen, deren Kenntnis zum physikalischen Verständnis des Bauelementes beitragen kann, geben die integralen Größen einen quantitativen Aufschluß über das Bauelement und werden zum Entwurf, zur Optimierung und bei der Schaltungsauslegung benötigt. Für spannungsgesteuerte ohmsche Kontakte sind die Kontaktströme der Gegenstand des Interesses. In transienten Simulationen sind sie nach jedem Zeitschritt zu berechnen. Von der Genauigkeit der Berechnung dieser Kontaktströme ist der Wert der gesamten Simulation entscheidend abhängig. Dieser Post-Processing-Schritt erweist sich als erstaunlich schwierig, wenn numerisch hochgenaue Ströme gefordert werden. Da dies bei einigen Simulationsaufgaben in dieser Arbeit der Fall war, wurde dieser Fragestellung hier breiter Raum gewidmet.
Die Definition des Kontaktstromes für den i-ten Kontakt eines Bauelementes erfolgt über das Oberflächenintegral der Gesamtstromdichte

 

über die Kontaktoberfläche :

bezeichnen Elektronen- bzw. Löcherstromdichten, die Verschiebungsstromdichte. Das hochgestellte bedeutet, daß das Integrationsgebiet eine Oberfläche ist, an der eine Dirichlet-Randbedingung gilt. In der diskreten Formulierung ist die Normalkomponente der Stromdichten mit den Oberflächenelementen gewichtet zu summieren.
Verschiedene Gründe führen dazu, daß die berechneten Ströme an den ohmschen Kontakten ungenau oder schlichtweg falsch sein können:

Ohmsche Kontakte liegen meistens, aber nicht ausschließlich, in den hoch dotierten Gebieten des Bauelementes. Dies gilt insbesondere für den Source- und Drain-Kontakt eines MOS-Transistors. Aufgrund der sehr hohen Ladungsträgerkonzentrationen der Majoritätsträger in diesen Regionen kommt es bei der Berechnung der Stromdichten (aber auch anderer Verteilungen) der Majoritätsträger zu signifikanten Rundungsfehlern, die unphysikalische, sehr kleine Stromdichten vortäuschen. Auf diese Fehler wird detailliert im Abschnitt 2.2 eingegangen.

Die typischen Formeln für direkte und indirekte Rekombination im stationären Zustand enthalten Faktoren, die eine Differenz zweier großer Zahlen sind

Der auftretende Auslöschung (Cancellation) von Ziffern bei dieser Operation erzeugt unphysikalische Rekombinationsraten in allen Gebieten eines Bauelementes. Aufgrund der genau gelösten Kontinuitätsgleichungen der Elektronen- und Löcherstromdichten äußern sich diese numerischen Fehler als kleine Kontaktströme, die natürlich ohne Anliegen einer Potentialdifferenz an den ohmschen Kontakten fließen.

Das Oberflächenintegral an Kontakten schließt Punkte ein, an denen Dirichlet-Randbedingungen in Neumann-Randbedingungen übergehen, sogenannte Singularitäten. An diesen Stellen tritt ein großer lokaler Diskretisierungsfehler auf. Dieser Diskretisierungsfehler läßt sich durch beliebig feine Gitterverfeinerung nicht beliebig verkleinern. Man beachte, daß der Diskretisierungsfehler ein Maß für die Genauigkeit der diskreten Approximation eines kontinuierlichen Problems, also kein numerischer Fehler ist. Jedoch existieren an den singulären Punkten große Residuen der linearen Gleichungssysteme. Diese Residuen sind insbesondere zu beachten, wenn ein iterativer linearer Gleichungslöser verwendet wird, der im Unterschied zu einem direkten Lösungs-Verfahren nach Unterschreitung einer geeigneten Residuennorm die Iteration abbricht.

In gewissen Fällen kann eine ungenau berechnete, sehr große Stromkomponente, z.B. ein großer, dominanter Strom eines ohmschen Widerstandes in lateraler Richtung, eine sehr kleine Stromkomponente, z.B. einen kleinen Sperrstrom in vertikaler Richtung, maskieren. Ein solcher pathologischer Fall ist in [73] geschildert. Vorausgesetzt sei, daß die Stromdichten frei von Rundungsfehlern sind und die Halbleitergleichungen exakt erfüllen. Eine mögliche Einflußquelle auf die Kontaktstrom-Integration ist eine Fehlerakkumulation bei der Linienintegration. Werden abwechselnd positive und negative Strombeiträge aufsummiert, wobei das Resultat ein extrem kleiner Strom ist, so können sich bei der inneren Produktbildung, also der diskreten Linienintegration, Rundungsfehler akkumulieren [32]. Der akkumulierte Fehler kann größer als das Resultat sein. Allgemein tritt ein Phänomen dieser Art auf, falls zwei Vektoren und nahezu orthogonal sind, d.h.

Fehler dieser Art lassen sich umgehen, wenn der Integrationspfad Summationsbeiträge verschiedenen Vorzeichens vermeidet. An ohmschen Kontakten ist das immer der Fall, nicht jedoch, wenn der Integrationspfad durch das Bauelement hindurch verläuft.

Eine Trennung der einzelnen Einflußmechanismen des Fehlers ist nicht einfach möglich. Ein eleganter Weg, den Einfluß dieser Fehlerquellen drastisch zu vermindern, ist die Methode der Kontaktstrom-Integration mittels Gewichtsfunktionen.
Dieses Kapitel ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst wird im Abschnitt 2.1 die Methode der Gewichtsfunktionen als generelle Methode zur Berechnung von Kontaktströmen vorgestellt, und verschiedene Eigenschaften der Gewichtsfunktionen werden erklärt. Eine besondere Eigenart dieser Methode ist die Nicht-Eindeutigkeit der Gewichtsfunktionen. Aufgrund dieser Freiheit in der Wahl der Gewichtsfunktionen ist die Möglichkeit einer optimalen Lösung gegeben. Dazu ist es notwendig, Optimalitätskriterien, das sind im vorliegenden Fall quadratische Funktionale, anzugeben. Die Voraussetzungen dazu werden im Abschnitt 2.2 erarbeitet: Bei der Berechnung der Stromdichten, aber auch anderer physikalischer Größen, treten in manchen Bereichen eines Bauelementes Rundungsfehler auf, die kleine Kontaktströme verfälschen können. Zur Unterdrückung der Integration solcher Rundungsfehler bei der Kontaktstrom-Berechnung ist ein optimaler Verlauf der Gewichtsfunktionen im Halbleiterbereich des Bauelementes notwendig. Solche optimale adaptive Gewichtsfunktionen wurden erstmals in der Dissertation von Nanz [72] bzw. in [73] eingeführt. Einer Diskussion dieser Methode ist der Abschnitt 2.3 gewidmet. Die Methode von Nanz hat im transienten Fall eine nicht unbedeutende Komplexität. Weiters führt die Verwendung von verschiedenen adaptiven Gewichtsfunktionen für die Kontaktstrom-Integration der drei Teilströme (Elektronen-, Löcher- und Verschiebungsstrom) auf numerische Ungenauigkeiten. Deswegen wurde in der vorliegenden Arbeit eine neue Methode der Kontaktstrom-Integration entwickelt, die im Abschnitt 2.4 vorgestellt und diskutiert wird. Im Abschnitt 2.5 werden die Eigenschaften der neuen Gewichtsfunktionen gemäß Abschnitt 2.4 anhand einiger Beispiele qualitativ erläutert. Im Abschnitt 2.6 werden verschiedene numerische Resultate der neuen Methode mit der Methode von Nanz bzw. dem Linienintegral verglichen. Das Kapitel wird mit einer Diskussion der Implementationsaspekte der Kontaktstrom-Integration mittels Gewichtsfunktionen abgeschlossen.





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Martin Stiftinger
Fri Oct 14 21:33:54 MET 1994