Die Freiheit in der Wahl der Gewichtsfunktionen ermöglicht eine Berücksichtigung der in Abschnitt 2.2 beschriebenen numerischen Probleme. Die Tatsache, daß die Elektronenstromdichte in Gebieten mit hoher Elektronenkonzentration, die Löcherstromdichte in Gebieten mit hoher Löcherkonzentration ungenau ist, legt nahe, für jede der Leitungsstromdichten eigene, also für Elektronen und Löcher getrennte Gewichtsfunktionen zu verwenden. Als Regel gilt, daß die Kontaktstrom-Integration Beiträge aus Gebieten, in denen eine genaue Berechnung der Stromdichten nicht möglich ist, also in Gebieten mit hohen Ladungsträgerkonzentrationen, ausschließen muß. Diese Forderung läßt sich als Gütefunktional für die beiden Typen von Gewichtsfunktionen formulieren: Gewichtsfunktionen für Elektronen bzw. Löcher, deren Gradienten - denn nur diese gewichten die Stromdichten - in Gebieten hoher Ladungsträgerkonzentrationen minimal sind, minimieren die Funktionale
Gewichtsfunktionen, die die
Funktionale (2.23)-(2.24)
global minimieren, haben ein minimales
Betragsquadrat der Gradienten in Gebieten
mit hohen Ladungsträgerkonzentrationen.
Hinreichende Bedingungen für ein Extremum der Funktionale
sind neben homogenen Neumann-Randbedingungen auf
dem Neumann-Teilbereich ( und )
die Euler-Lagrangegleichungen für =
Die Lösungen dieser linearen
partiellen Differentialgleichungen
sind die optimalen Gewichtsfunktionen für den Elektronen-
bzw. Löcherstrom.
Die Diskretisierung der
Gleichungen (2.25)-(2.26)
wurde in [73] abgeleitet. Die dort präsentierten
Ausdrücke für die Interpolation können vereinfacht
und numerisch robust implementiert werden.
Die ,,Scharfetter-Gummel``-Diskretisierung dieser Gleichungen
ist ein Lehrbuchbeispiel für das
Prinzip der harmonischen Mittelung, auf dem diese
Interpolationsmethode beruht.
Deshalb soll die Diskretisierung der
Gleichung (2.25)
im Licht dieses Prinzips skizziert werden.
Die Diskretisierung der Gleichung für die
Löcher-Gewichtsfunktionen (2.26) ist dazu analog.
Als Vorbemerkung sei erwähnt, daß sich die
Euler-Lagrangegleichungen (2.25)-(2.26)
hinsichtlich ihrer mathematischen Eigenschaften recht ähnlich
den Kontinuitätsgleichungen verhalten. Man
denke sich etwa ein beliebiges Halbleiter-Bauelement im
thermodynamischen Gleichgewicht.
Die Elektronen- bzw. Löcherkonzentrationen
sind dann ausschließlich vom
elektrostatischen Potential exponentiell abhängig.
Die Euler-Lagrangegleichungen der
Gewichtsfunktionen lauten für diesen Fall
Diese Gleichungen sind identisch mit Kontinuitätsgleichungen
in den Slotboom-Variablen [94].
Man beachte jedoch den unterschiedlichen Zahlenbereich.
Während die Slotboom-Variablen in praktischen
numerischen Anwendungen
aufgrund ihres sehr großen Zahlenumfangs nur sehr beschränkte
Anwendung finden, ist der Zahlenbereich der Gewichtsfunktionen
, mit eingeschränkt.
Die räumlich starken Variationen von und
bedingen entsprechenden Variationen in und .
Eine stabile Diskretisierung muß diesem Verhalten
Rechnung tragen.
Zentrale Differenzen zur Approximation der
Mittenwerte von
und
sind in solchen Fällen ungeeignet. Die Scharfetter-Gummel-Interpolation
bedient sich hingegen des harmonischen
Mittelwertes. Der harmonische Mittelwert
zweier Zahlen und ist gegeben durch
und für eine Funktion auf dem Intervall durch
Zur Mittenwertapproximation der Ausdrücke und auf den Intervallen , zieht man für und eindimensionale, analytische Lösungen des Randwertproblems der Kontinuitätsgleichungen für und heran. Es sind dies für das Intervall mit = elementare Exponentialfunktionen
Vollständig analoge Ausdrücke findet man für das Intervall in y-Richtung. Die Mittenwerte von und ergeben sich mit Hilfe der harmonischen Mittelwerte von und auf dem Intervall zu
Nach Ausführung der bestimmten Integration und Umformung findet man mit Hilfe der Bernoullifunktion
Die endgültige Diskretisierung der
Euler-Lagrangegleichungen (2.25)-(2.26)
erfolgt wie üblich unter Anwendung des Integralsatzes von
Gauß durch Oberflächenintegration über jedes finite
Volumenelement. Das resultierende lineare Gleichungssystem
ist naturgemäß symmetrisch, positiv definit und
schwach diagonaldominant, die Koeffizientenmatrix
ist somit eine schwache -Matrix [114].
Die Methode von Nanz liefert erwartungsgemäß genaue Ergebnisse
bei der Integration der Leitungsstromdichten
und . Siehe Abschnitt 2.5 mit den hierin
angeführten Beispielen.
Gemäß (2.8)-(2.10) treten
zusätzlich zu den Vektoranteilen
Skalaranteile auf, deren Integrand proportional zu den
Rekombinationsraten und zu
den zeitlichen Ableitungen der Ladungsträgerkonzentrationen ist.
Die numerischen Ungenauigkeiten
in diesen Größen gehen mit
entsprechend gewichtet in diese Skalaranteile ein.
Die recht aufwendig erlangte Genauigkeit bei der Integration
der Leitungsstromdichten wird hier wieder vermindert
(siehe Abschnitt 2.5).
Die Größe dieser numerischen
Ungenauigkeiten ist abhängig vom
Zeitschritt und von den Ladungsträgerkonzentrationen.
Dieser Nachteil der Methode von Nanz
kann beseitigt werden, wenn für
alle drei Stromdichten - also auch für den
Verschiebungsstrom - die gleiche
Gewichtsfunktion verwendet wird.
Die Skalarkomponenten verschwinden in diesem
Fall und brauchen erst gar nicht berechnet werden.
Ein weiterer Vorteil einer solchen Vorgangsweise
ist, daß die Berechnung getrennter
Gewichtsfunktionen für beide Ladungsträger
nicht mehr notwendig ist. Der Rechenaufwand
der Methode von Nanz, der im transienten Fall
nicht unterschätzt werden darf,
wird dadurch mehr als halbiert.
Einige Bemerkungen, den Verschiebungsstrom betreffend,
sollen an dieser Stelle noch angefügt werden.
Nanz schlägt vor, zur Berechnung der
Verschiebungsströme ebenfalls Gewichtsfunktionen zu
verwenden, nämlich Lösungen der Laplacegleichung
Die Laplacegleichung muß natürlich auch in Oxidgebieten gelöst werden, der Aufwand dafür ist verglichen mit den Gewichtsfunktionen der Leitungsstromdichten höher. Allerdings brauchen diese Funktionen nur einmal am Anfang bzw. nach jeder Gitteränderung berechnet werden. Die Vektorkomponente des Verschiebungsstroms für den Kontakt ergibt sich nach Anwendung des Integralsatzes von Gauß unter der Voraussetzung eines zeitlich konstanten zu
Der zweite Term in (2.38)
verschwindet im gesamten Definitionsgebiet aufgrund
von Gleichung (2.37).
Der erste Term in (2.38)
ist nur vom zeitlichen Verlauf
des Kontaktpotentials am Kontakt abhängig.
Bleibt jenes zwischen zwei Zeitschritten konstant,
so verschwindet die Vektorkomponente
vollständig (siehe auch Abschnitt 2.6.1).
Wie bereits erläutert hat diese Methode
den systematischer Nachteil,
daß die Ungenauigkeiten in den Zeitableitungen
der Ladungsträgerkonzentrationen durch die Skalaranteile
auch in den Verschiebungsstrom eingehen.
Im Grunde genommen besteht keine Notwendigkeit,
besondere Gewichtsfunktionen zur Berechnung
des Verschiebungsstromes zu verwenden.
Bei der Berechnung der Verschiebungsstromdichte
treten keinerlei Rundungsprobleme auf,
da die Werte des elektrischen Potentials
von moderater Größenordnung sind und deswegen
die Bildung des zeitlichen Differenzenquotienten
einen vernachlässigbaren Rundungsfehler liefert.
Das Oberflächenintegral liefert für den
Verschiebungsstrom gute Ergebnisse.
Es liegt daher nahe, für alle Teilströme,
, und die gleiche Gewichtsfunktionen
zu verwenden. Bei dieser Wahl verschwinden
alle Skalarkomponenten
im Gesamtstrom, und in Folge
alle Rundungsfehler, die in diesen Komponenten enthalten sind.
Diese und weiterführende Überlegungen
spielen eine zentrale Rolle in einer neuen,
im Rahmen dieser Arbeit
entstandenen Kontaktstrom-Integrationsmethode,
die im Abschnitt 2.4 erläutert wird.