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Unterabschnitte


4.3 Methode der gewichteten Residuen

Man sucht eine Näherungslösung $ \tilde u$, sodass das Residuum

$\displaystyle R_\Omega=\nabla(\makebox{\boldmath$\underline m$}\nabla\tilde u)+f$ (4.18)

unter Einhaltung der Randbedingungen verschwindet. Ist die Bedingung $ R=0$ im Gebiet $ \Omega$ erfüllt, dann hat man die Lösung mit $ \tilde u=u$ erreicht. Da der Funktionsraum der Näherungslösungen $ \tilde U$ nur eine Teilmenge des Funktionsraums der exakten Lösungen $ U$ ist, existiert für den allgemeinen Fall eine solche Lösung nicht. Deshalb versucht man die Residuumsbedingung nicht exakt zu erfüllen, sondern gewichtet bzw. gemittelt mit $ N$ linear unabhängigen Gewichtsfunktionen (Testfunktionen) $ W_i$, sodass

$\displaystyle \int_{\Omega}\!\left[W_i\nabla(\makebox{\boldmath$\underline m$}\nabla\tilde u)+W_i f\right]\,\textrm{d}\Omega =0, \qquad i=1, 2, 3, \ldots N\;.$ (4.19)

Es liegt nun daran geeignete Gewichtsfunktionen $ W_i$ zu wählen, denn von ihnen hängt die Qualität der Lösung ab. Z.B. werden bei der Methode der Kollokation Dirac-Impulse $ W_i=\delta(x-x_i)$ verwendet. Eine andere gebräuchliche Methode ist es, die Testfunktionen den Ansatzfunktionen gleichzusetzen $ W_i=N_i$. Diese Methode ist auch als Galerkin-Ansatz bekannt und soll in dieser Arbeit zur Anwendung kommen.4.3

Da die Konstruktion von Ansatzfunktionen, die sowohl die Dirichlet- als auch die Neumann-Bedingung exakt erfüllen, sehr schwierig ist, fordert man, dass lediglich die Dirichlet-Bedingung eingehalten wird. Damit auch die Neumann-Bedingung näherungsweise erfüllt ist, berücksichtigt man zusätzlich zum Gebietsresiduum $ R_\Omega$ noch ein Randresiduum $ R_\Gamma $

$\displaystyle R_\Gamma =\sum_{j=1}^{N}u_j\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displayst...
...\boldmath$\scriptscriptstyle n$}}\makebox{\boldmath$\underline m$}\nabla N_j-q,$ (4.20)

welches mit den Gewichtsfunktionen $ \overline{W_i}$ gewichtet wird, die im Prinzip völlig unabhängig von den $ W_i$ gewählt werden können. Die unbekannte Koeffizienten der Näherungslösung $ u_i$ bestimmt man dann aus der Forderung

$\displaystyle \sum_{j=1}^{N}u_j\int_{\Omega}\!W_i\nabla(\makebox{\boldmath$\und...
...\nabla N_j\,\textrm{d}{A} -\oint_{\Gamma }\!\overline{W_i}q\,\textrm{d}{A}=0\;.$ (4.21)

Hierbei ist anzumerken, dass das Randresiduum über den gesamten Rand des Gebietes ( $ \Gamma _1\cup\Gamma _2$) gebildet wird--im Gegensatz zum klassischen Ansatz, wo lediglich über $ \Gamma _2$ integriert wird. Die Dirichlet-Bedingung auf $ \Gamma _1$ wird hier formal völlig analog zur Neumann-Bedingung auf $ \Gamma _2$ behandelt, allerdings mit einer vorerst noch unbekannten Konormalableitung $ q$. Durch diese Vorgehensweise erhält man zwar zunächst ein größeres Gleichungssystem (Rang $ N$, im Gegensatz zu $ N_A$ beim klassischen Ansatz), hat dafür aber später die Möglichkeit eine Näherungslösung für $ q$ auf $ \Gamma _1$ relativ einfach berechnen zu können. Diese Eigenschaft kann beispielsweise bei der Berechnung elektrostatischer Felder dazu genutzt werden, um die auf den Elektroden vorhandene Ladung zu ermitteln, ohne dass dafür eigens der Gradient des Potenzials berechnet werden muss.

Im Folgenden werden die Gleichungen gemäß der Methode der gewichteten Residuen für die Feldberechnung in Isolatoren und Leitern, der Berechnung des transienten elektrischen Feldes und der Wärmeleitungsgleichung angeschrieben.

Anmerkung zur Notation: Die Gleichungen werden nun speziell für das elektrische Potenzial $ \varphi$ und die Temperatur $ T$ aufgestellt. Anstelle der Materialkonstanten  $ \makebox{\boldmath $\underline m$}$ tritt entweder die Permittivität  $ \makebox{\boldmath $\underline\varepsilon$}$, die elektrische Leitfähigkeit $ \gamma$, bzw. die thermische Leitfähigkeit $ \gamma_T$. Bei Formeln mit allgemeiner Gültigkeit werden weiterhin die Buchstaben $ u$ und $ \makebox{\boldmath $\underline m$}$ verwendet.

Elektrostatisches Feld

Für die Lösung der Gleichung des elektrischen Potenzials in anisotropen Dielektrika (2.16) mit den Randbedingungen (2.17) und (2.18) bzw. allgemein mit (2.19) erhält man die Koeffizienten $ \varphi_i$ aus

$\displaystyle \sum_{j=1}^{N}\varphi_i\int_{\Omega}\!W_i\nabla(\makebox{\boldmat...
...a N_j\,\textrm{d}{A} -\oint_{\Gamma }\!\overline{W_i}\sigma\,\textrm{d}{A}=0\;.$ (4.22)

Mit (4.12) (partielle Integration) und Gauß'schem Integralsatz erhält man eine sogenannte schwache Form, mit reduzierter Ordnung des Differentialoperators

\begin{displaymath}\begin{split}-\sum_{j=1}^N\varphi_j\int_{\Omega}\!(\nabla W_i...
...\Gamma }\!\overline{W_i}\sigma\,\textrm{d}{A}&=0\;. \end{split}\end{displaymath} (4.23)

Durch Wahl der Gewichtsfunktionen des Randresiduums mit

$\displaystyle \overline{W_i}=-W_i$ (4.24)

verschwinden die beiden Randintegrale mit den Konormalableitungen. Gemäß dem Galerkin-Verfahren werden die Gewichtsfunktionen den Ansatzfunktionen gleichgesetzt

$\displaystyle W_i=N_i\;,$ (4.25)

wodurch sich (4.23) zu

$\displaystyle \sum_{j=1}^{N}\varphi_j\int_{\Omega}\!(\nabla N_i)\makebox{\boldm...
...lon$}(\nabla N_j)\,\textrm{d}\Omega = \oint_{\Gamma }\!N_i\sigma\,\textrm{d}{A}$ (4.26)

vereinfacht. Für die Ladungsverteilung $ \sigma$ wird folgender Ansatz getroffen

$\displaystyle \sigma=\sum_{j=1}^{N}\sigma_j N_j$ (4.27)

und man erhält somit das Gleichungssystem

$\displaystyle \sum_{j=1}^{N}\varphi_j\int_{\Omega}\!(\nabla N_i)\makebox{\boldm...
...xtrm{d}\Omega = \sum_{j=1}^{N}\sigma_j\oint_{\Gamma }\!N_iN_j\,\textrm{d}{A}\;.$ (4.28)

Leitungsströme

Für die Berechnung der Potenzialverteilung in elektrischen Leitern ist ebenfalls die Laplace-Gleichung (2.27) mit den Randbedingungen (2.29) und (2.30) zu lösen. Hier wird völlig analog zum elektrostatischen Fall vorgegangen und erhält zur Berechnung der unbekannten Koeffizienten $ \varphi_j$ das Gleichungssystem

$\displaystyle \sum_{j=1}^{N}\varphi_j\int_{\Omega}\!(\nabla N_i)\gamma(\nabla N_j)\,\textrm{d}\Omega = \sum_{j=1}^{N}J_j\oint_{\Gamma }\!N_iN_j\,\textrm{d}{A}\;.$ (4.29)

Elektro-quasistatische Feldberechnung

Für die Berechnung des transienten Verhaltens des elektrischen Potenzials gilt es (2.38) zu lösen, die auch folgendermaßen angeschrieben werden kann:

$\displaystyle \mathop\mathrm{div}\left(\gamma\mathop\mathrm{grad}\varphi\right)...
...akebox{\boldmath$\underline\varepsilon$}\mathop\mathrm{grad}\dot\varphi \right)$ (4.30)

wobei mit $ \dot\varphi =\frac{\partial{\varphi}}{\partial{t}}$ die Ableitung des Potenzials nach der Zeit bezeichnet wird. Die Randbedingungen lauten gemäß (2.17) und (2.39)

$\displaystyle \varphi\vert _{\Gamma _1}=g$ (4.31)

und

$\displaystyle \gamma\mathop\mathrm{grad}\varphi\cdot\mathchoice{\mbox{\boldmath...
...n$}} {\mbox{\boldmath$\scriptscriptstyle n$}}\vert _{\Gamma _2}=J-\dot\sigma\,.$ (4.32)

Dabei soll die Ladungsdichte am Rand durch

$\displaystyle \sigma=\mathchoice{\mbox{\boldmath$\displaystyle n$}} {\mbox{\bol...
...$\scriptscriptstyle n$}}\makebox{\boldmath$\underline\varepsilon$}\nabla\varphi$ (4.33)

ausgedrückt werden.

Mit dem Verfahren der gewichteten Residuen werden hier lediglich die räumlichen Ableitungen des Differentialoperators diskretisiert--die Zeit bleibt hier noch kontinuierlich. Man erhält somit folgenden Ansatz zur Berechnung der Näherungslösung

\begin{displaymath}\begin{split}\sum_{j=1}^{N}\varphi_j\int_{\Omega}\!W_i\nabla(...
...derline\varepsilon$}\nabla N_j\,\textrm{d}{A}&=0\;. \end{split}\end{displaymath} (4.34)

Mittels partieller Integration erhält man wiederum die schwache Form

\begin{displaymath}\begin{split}-\sum_{j=1}^N\varphi_j\int_{\Omega}\!(\nabla W_i...
...derline\varepsilon$}\nabla N_j\,\textrm{d}{A}&=0\;. \end{split}\end{displaymath} (4.35)

Für die Gewichtsfunktionen am Rand wird wieder $ \overline{W_i}=-W_i$ angenommen. Weiters gilt gemäß dem Galerkin-Ansatz $ W_i=N_i$. Für die Normalkomponente der Stromdichte am Rand wird die folgende Näherung verwendet:

$\displaystyle J=\sum_{j=1}^{N}J_j N_j\;.$ (4.36)

Man erhält somit die folgende Gleichung zur Bestimmung der unbekannten Koeffizienten:

$\displaystyle \sum_{j=1}^N\varphi_j\int_{\Omega}\!(\nabla N_i)\gamma(\nabla N_j...
... N_j)\,\textrm{d}\Omega = \sum_{j=1}^NJ_j\oint_{\Gamma }\!N_iN_j\,\textrm{d}{A}$ (4.37)

Wärmeleitung stationär

Für die stationäre Wärmeleitungsgleichung (2.44) mit den Randbedingungen (2.51) und (2.53) wird

$\displaystyle \sum_{j=1}^NT_j\int_{\Omega}\!W_i\nabla(\gamma_T\nabla N_j)\,\tex...
...\nabla N_j\,\textrm{d}{A} -\oint_{\Gamma }\!\overline{W_i}\Theta\,\textrm{d}{A}$ (4.38)

Mittels schwacher Formulierung und Wahl der Gewichtsfunktionen analog zu den elektrischen Systemen erhält man das Gleichungssystem

$\displaystyle \sum_{j=1}^NT_j\oint_{\Gamma }\!(\nabla N_i)\gamma_T(\nabla N_j)\...
...,\textrm{d}\Omega + \sum_{j=1}^N\Theta_j\oint_{\Gamma }\!N_i N_j\,\textrm{d}{A}$ (4.39)

Wärmeleitung transient

Für die Lösung der transienten Wärmeleitungsgleichung (2.43) mit den Randbedingungen wie in (2.51) und (2.53) gilt analog

$\displaystyle \sum_{j=1}^NT_j\oint_{\Gamma }\!(\nabla N_i)\gamma_T(\nabla N_j)\...
...extrm{d}\Omega + \sum_{j=1}^N\Theta_j\oint_{\Gamma }\!N_i N_j\,\textrm{d}{A}\;.$ (4.40)



Fußnoten

... kommen.4.3
Das Ritz'sche Verfahren und die Methode der gewichteten Residuen mit Galerkin-Ansatz liefern für die hier behandelten partiellen Differentialgleichungen exakt die gleiche Lösung. Die Methode der gewichteten Residuen ist dabei das allgemeinere Verfahren, mit dem zu jedem Variationsansatz eine äquivalente Formulierung gefunden werden kann (aber nicht umgekehrt).

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