Eine Ionenbahn wird aus einer Aufeinanderfolge von Stößen des Ions mit den Targetatomen berechnet. Zwischen den einzelnen Stößen legt das Ion einen kollisionsfreien Weg zurück, der als freie Weglänge bezeichnet wird. Der beim Stoß entstehende Energieverlust und der Streuwinkel werden nach Abschnitt 2.2 unter Zuhilfenahme der nach Abschnitt 2.3 bestimmten Tabelle berechnet. Die elektronische Stopping Power nach Abschnitt 2.4 wird hingegen entlang der freien Weglänge berücksichtigt. Es bleiben also noch die Länge und die Lage des Atomkerns in Bezug auf das Ion zum Kollisionszeitpunkt zu bestimmen. Die relative Lage des Ions zum Atom wird durch den Stoßparameter und den azimutalen Winkel bestimmt.
Bei amorphen Targets wird zuerst ein maximaler Stoßparameter für relevante Stöße eingeführt. Mögliche Stoßparameter liegen dann im Zylinder mit Radius . liegt in der Größenordnung des Abstandes benachbarter Atome im Festkörper, das heißt, , wobei die atomare Dichte des Targets ist. Eine andere Definition wäre die, daß Stöße mit einem größeren Stoßparameter sowohl einen vernachlässigbaren Energieübertrag als auch einen sehr kleinen Streuwinkel - nach Bedingung (2.34) - zur Folge haben.
Bei einem amorphen Körper ist die freie Weglänge eine statistische Größe, weil sich ja ein Atom in jedem Punkt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit aufhalten kann. In jedem Fall muß aber für die mittlere freie Weglänge Gl. (2.35) gelten.
Das bedeutet nichts anderes, als daß das Volumen eines Zylinders mit Länge und Radius gleich dem Volumen eines Atoms im Targetmaterial sein muß, weil ja das Ion nach einer mittleren freien Weglänge im Mittel genau mit einem Atom kollidiert. Bei einem maximalen Stoßparameter kleiner vergrößert sich wegen Gl. (2.35) die mittlere freie Weglänge, und damit verringert sich die Anzahl der Kollisionen, was sich günstig auf die Rechenzeit auswirkt.
Dieses Modell der gleichverteilten Atome im Target ist allerdings nicht realistisch. Wenn der amorphe Körper als Vereinfachung für ein kristallines Target angesehen wird, gibt es weder zu große Hohlräume noch können die Atome einander zu nahe kommen. Daraus folgt, daß in diesem Fall die extremen - also sowohl die sehr kleinen als auch die sehr großen - freien Weglängen überbewertet werden. Deshalb kann man auch gleich mit einer deterministischen freien Weglänge rechnen. Dabei gilt aber natürlich wieder Gl. (2.35).
Am Beginn der Ionenbahn, wo die Energie noch hoch ist, ist klein. Je langsamer das Ion wird, desto größer wird . Es gibt zwar keine analytische Formel, mit der man - den optimalen maximalen Stoßparameter - aus der Energie , und berechnen kann, es existiert aber eine Formel (Gl. (2.36)) für eine obere Schranke nach [Zie85].
In Gl. (2.36) ist die Abschirmlänge laut Gl. (2.11), ist die skalierte Energie nach Gl. (2.15) und ist der skalierte minimale Energieübertrag (ca. 5 eV). ist nach Gl. (2.37) gegeben.
Nach der Berechnung von aus Gl. (2.36) wird mittels Gl. (2.35) die freie Weglänge bestimmt. Der genaue Ort des Stoßpartners ist nach Bestimmung der freien Weglänge noch gleichverteilt in der Normalebene zur Bewegungsrichtung des Ions. Dabei muß noch berücksichtigt werden, daß sein muß. Der aktuelle Stoßparameter wird mittels einer gleichverteilten Zufallszahl im Bereich 0,1 aus der Funktion in Gl. (2.38) berechnet. Der azimutale Winkel schließlich ist gleichverteilt in 0,2 (siehe Gl. (2.39)).
Abbildung: Für die Bestimmung
des nächsten Stoßpartners im kristallinen Target wird das Lot auf
die aktuelle Bewegungsrichtung gefällt, und das nächste Targetatom in
einem Zylinder mit dem Radius p ist der nächste
Stoßpartner.
Unter der Voraussetzung eines kristallinen Targets ist der nächste Stoßpartner fix aus dem Kristallgitter vorgegeben. Wie der nächste Stoßpartner aus einer Menge von möglichen Stoßpartnern bestimmt wird, ist in Abb. 2.9 dargestellt. Es sei gerade der letzte Stoß berechnet worden, das heißt, das Ion steht vor der nächsten freien Weglänge . Dann wird die freie Weglänge so bestimmt, daß von jedem in Frage kommenden Atom das Lot auf eine Gerade in der Bewegungsrichtung des Ions gefällt wird. Die sich so ergebende kürzeste freie Weglänge legt dann den nächsten Kollisionspartner fest. Das Problem dabei ist allerdings die Bestimmung der Atome, von denen das Lot gefällt wird. Diese Atome müssen die in Flugrichtung nächsten Atome sein, die innerhalb eines Zylinders liegen. wird dabei wieder ungefähr gleich ( ist wieder - wie bereits weiter oben erwähnt - die atomare Dichte) gewählt. Für größere Stoßparameter wären die Voraussetzungen für die vorausgehenden Abschnitte - reine Zweikörperwechselwirkung - nicht mehr gültig, weil sonst ein zweites Atom mitberücksichtigt werden müßte. Solche Stöße haben keine merkbaren Auswirkungen beziehungsweise können sie mit guter Näherung durch zwei kurz hintereinander stattfindende Kollisionen berechnet werden.