Ein grundlegendes Problem tritt auf, wenn man den Algorithmus für isotropes Ätzen auf ein Gebiet konstanter Ätzrate anwendet. Der Algorithmus zeigt bestimmte Vorzugsrichtungen für die Ausbreitung der Ätzfront, wodurch entlang der Koordinatenachsen sowie entlang der Zelldiagonalen schneller geätzt wird als in den übrigen Ausbreitungsrichtungen. Abbildung 2.28 zeigt dieses Verhalten. Ausgangspunkt für die Ätzung ist der Ursprung des Koordinatensystems. Die Geometrie wird durch Zellen beschrieben, die Ätzrate ist konstant über die Geometrie verteilt und wurde mit vorgegeben.
Abbildung 2.28: Der Cell-Removal-Algorithmus; Vorzugsrichtungen für die
Ausbreitung der Ätzfront; verwendete Zellen.
Nach 0.75 Sekunden Ätzzeit erkennt man deutlich die Bevorzugung bestimmter Ausbreitungsrichtungen, wodurch anstatt eines Halbkreises die Hälfte eines Achtecks entstanden ist. Nun könnte man vermuten, daß dieses Verhalten mit der Tatsache zu tun hat, daß nur sehr wenige Zellen für die Diskretisierung der Geometrie verwendet wurden. Abbildung 2.29 zeigt, daß sich an dem fehlerhaften Verhalten auch nichts ändert, wenn man die Anzahl der Zellen im Simulationsgebiet erhöht. In diesem Beispiel wurden Zellen verwendet, das Ergebnis wird zu vier verschiedenen Zeitpunkten dargestellt. Der Grund für das fehlerhafte Verhalten des Algorithmus liegt vielmehr daran, daß eine Zelle nur vier Nachbarzellen hat, man spricht von einer sogenannten Vierer-Nachbarschaft der Zellen. Dabei faßt man jene Zellen als benachbart auf, die mit der zentralen Zelle eine Kante gemeinsam haben. Während des Ätzens kann sich die Ätzfront ausgehend von einer betimmten Zelle daher nur in wenige Richtungen fortbewegen. Eine Verbesserung würde man erreichen, wenn man versuchte mehr Nachbarzellen zu berücksichtigen. Man könnte zum Beispiel sechseckige Zellen für die Simulation verwenden oder eine Achter-Nachbarschaft, wonach alle acht Zellen, die an die betrachtete Zelle angrenzen, also eine gemeinsame Kante oder Ecke mit ihr haben, im Algorithmus berücksichtigt werden.
Abbildung 2.29: Der Cell-Removal-Algorithmus; Vorzugsrichtungen für die
Ausbreitung der Ätzfront; verwendete Zellen.
Ein Verfahren, das das inkorrekte Verhalten des Cell-Removal-Algorithmus vermeiden soll, wurde von Pelka vorgestellt [Pel90b]. Hier wird ein konstanter Zeitschritt verwendet und damit die verbleibende Fläche einer Zelle berechnet. Zellen mit einer negativen Fläche am Ende eines Zeitschrittes werden entfernt, und der überschüssige Flächenanteil wird von den benachbarten Zellen abgezogen. Damit wird berücksichtigt, daß sich die Ätzfront in manchen Bereichen eigentlich schon in die angrenzenden Zellen hinein bewegt hat. Das Verfahren bringt auf jeden Fall eine wesentliche Reduzierung der benötigten Rechenzeit, da nicht für jeden Zeitschritt erst nach der Zelle gesucht werden muß, die am schnellsten geätzt wird. Ob damit auch die Ungenauigkeiten des Algorithmus beseitigt werden konnten, ist jedoch unklar und wird von manchen Wissenschaftern bezweifelt [Toh90], [Sch91a].
Vor allem für die praktische Anwendung in der Lithographiesimulation ist interessant, daß das fehlerhafte Verhalten des Algorithmus für eine inhomogene Ätzratenverteilung nicht oder nur sehr schwach auftritt. Abbildung 2.30 zeigt ein Simulationsergebnis des Cell-Removal-Algorithmus, wobei für die Ätzratenverteilung, wie schon in Abbildung 2.20, eine Exponentialfunktion der Form
vorgegeben wurde. Die Abbildung zeigt einen Vergleich mit dem String-Algorithmus wobei die stetige Funktion das Resultat des String-Algorithmus darstellt.
Abbildung 2.30: Der Cell-Removal-Algorithmus unter Vorgabe einer
inhomogenen Ätzratenverteilung; Vergleich mit dem
String-Algorithmus.
Am Beginn der Simulation erkennt man eine sehr gute Übereinstimmung der beiden Resultate, mit zunehmender Simulationszeit beginnt sich die Ätzfront des Cell-Removal-Algorithmus vor allem in Diagonalrichtung etwas schneller zu bewegen als die des String-Algorithmus. Auch dieses Beispiel zeigt also eine Bevorzugung einer bestimmten Ausbreitungsrichtung, obwohl dieses Verhalten nur sehr schwach auftritt.