Am Beginn des 21-ten Jahrhunderts berührt die Mikroelektronik beinahe alle
Bereiche des alltäglichen Lebens. Die weltweite Halbleiterindustrie hat
einen atemberaubenden Wachstumschub in den letzten Jahrzehnten erfahren. Seit
der Erfindung der integrierten Schaltung hat sich die Packungsdichte der
Bauelemente alle 1.5 Jahre und die maximale Schaltgeschwindigkeiten alle
2 Jahre verdoppelt, wie Gordon Moore bereits früh erkannte [1]. Die vielfältigen Anwendungen und der starke Konkurrenzdruck auf dem Markt
erfordern schnelle, billige und effiziente Methoden zur Entwicklung und
Optimierung von neuen Technologien. Dabei spielen computerunterstützte
Methoden eine dominierende Rolle, da sie diesen Herausforderungen, sowohl in der Herstellung als auch im Entwurf, am besten
gewachsen sind.
Eine Konsequenz der Miniaturisierung und der Erhöhung der
Betriebsfrequenzen ist die steigende Bedeutung der Verbindungsleitungen für
das Verhalten der Schaltung.
In Zusammenhang mit steigenden Betriebsfrequenzen (kürzeren Anstiegszeiten)
und wachsenden Chipgrößen (steigender Länge der Verbindungsleitungen)
werden induktive Effekte signifikant, besonders in langen
Verbindungsleitungen, die vorzugsweise in oberen Metalllagen mit größerem
Querschnitt ausgeführt werden, um die Verteilung der Spannungsversorgung und des
Taktes sicherzustellen, sowie in niedrigohmigen globalen Bussen. Induktivitäten beeinflussen Verzögerungszeit, die Signalform aufgrund von Signalüberschwingen,
Neigung zur Oszillation und Steigerung von Übersprechen. Die
Hauptschwierigkeit bei der Extraktion von Induktivitäten ist die Tatsache,
dass Induktivität eine Eigenschaft von geschlossenen Stromkreisen ist, der
Strompfad oft aber nicht zur Gänze bekannt ist. Deshalb ist ein Strommodell
erforderlich, das nicht a priori die Festlegung von Stromschleifen
benötigt.
Im Rahmen dieser Dissertation wurde, basierend auf den Vorarbeiten von Robert
Bauer [2] und Rainer Sabelka [3], eine Erweiterung eines
bereits bestehenden Simulationspaketes durchgeführt, wobei mehrere Methoden zur
Induktivitätsberechnung implementiert wurden. Neben der numerischen
Induktivitätsberechnung basierend auf Integrationsformeln für
Tetraeder, einer computergerechten Implementierung der Monte Carlo Methode
existiert noch die Variante basierend auf dem magnetischen Vektorpotenzial. Das
Simulationspaket benutzt die Methode der Finiten Elemente (FEM) mit unstrukturierten Gitter zur elektromagnetischen Feldanalyse, das letzte
Kapitel demonstriert einige Anwendungen.
Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich vorwiegend mit verschiedenen Aspekten
der Verbindungsleitungen, wie z.B. Grenzen der Belastbarkeit, Anforderungen
bezüglich des Entwurfs und Materials, sowie der Modellierung von Verbindungsstrukturen,
insbesondere der Induktivitäten als wichtige Anwendung auf dem Chip.
In diesem Zusammenhang wird im Rahmen dieser Arbeit die Induktivität auch als
Induktor bezeichnet.
Da die Verbindungsleitungen von der idealen Form abweichen, gibt es im Abschnitt 1.2 einen kurzen Abriss über die Prozesstechnologie
mit besonderem Augenmerk auf die Herstellung der Metallisierungen.