Siliziumcarbid (SiC) verspricht als Halbleiter mit großer Bandlücke (englisch: wide-band-gap, WBG) enorme Vorteile für Leistungshalbleiterbauelemente. Im Vergleich zu auf Silizium basierenden Metall-Oxid-Halbleiter Feldeffekttransistoren (englisch: MOSFETs), erlauben auf Siliziumcarbid basierende MOSFETs einen Betrieb bei höherer Temperatur, höherer Frequenz und höherer Leistungsdichte. Darüber hinaus sind durch die Verwendung von SiC-MOSFETs deutlich reduzierte statische und dynamische Verluste möglich, wodurch passive Bauteile und Kühlkörper auf Systemebene signifikant verkleinert werden können. All diese Vorteile machen auf SiC basierende Systemlösungen weitaus effizienter, leichter, kompakter und auch kostengünstiger als Systeme, welche rein auf Siliziumtechnologie aufgebaut sind.
Trotz all dieser Vorteile bleibt die erreichte Leistung aktueller 4H-SiC-MOSFETs immer noch weit entfernt von den theoretischen Materialgrenzen. Insbesondere die Ursachen der geringen Beweglichkeit der Kanalelektronen und der erhöhten Spannungs- und Temperaturinstabilität der Schwellspannung (englisch: bias temperature instability, BTI), welche sich in manchen Charakteristika grundlegend von siliziumbasierten MOSFETs unterscheidet, müssen verstanden und auf die Langzeitzuverlässigkeit hin bewertet werden.
Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit in der Untersuchung der Schwellspannungsinstabilität, welche nach Temperatur- und Spannungsbeanspruchung des Gate-Oxids auftritt. Im Gegensatz zu Si-MOSFETs, bei denen der größte Teil dieser Instabilität aus energetisch breit verteilten Defektstellen innerhalb des Gate Oxides stammt, spielen bei SiC-basierten MOSFETs zwei unterschiedliche Komponenten eine wichtige Rolle.
Die erste Komponente, welche insbesondere als Spannungshysterese in der Transferkennlinie für Gatespannungen unterhalb der Schwellspannung sichtbar ist, kann auf den Einfang von Löchern in Defektstellen direkt am Interface zwischen 4H-SiC und SiO2 zurückgeführt werden. Die Dichte dieser Defektzustände hängt wesentlich von der Kristallebene des Inversionskanals ab und ist bei MOSFETs mit dem Inversionskanal entlang der -Achse um etwa eine Größenordnung höher als bei MOSFETs mit dem Inversionskanal parallel zur Waferoberfläche. Im Gegensatz zu BTI in Si-MOSFETs, sind diese Zustände im normalen Betrieb über eine Gatespannung oberhalb der Schwellenspannung vollständig entladbar und zeigen keinerlei Einfluss auf das Langzeitdegradationsverhalten des Bauteils. Offene Kohlenstoffbindungen am Interface gelten als wahrscheinlichster Kandidat für diese Defektstellen.
Die zweite Komponente ist ähnlich zu BTI auf siliziumbasierten MOSFETs und stammt höchstwahrscheinlich von Defektzuständen im SiO2, welche energetisch nahe am Leitungsband von 4H-SiC liegen. In dieser Arbeit wurden kommerziell erhältliche state-of-the-art SiC-Leistungs-MOSFETs wurden auf ihr BTI Verhalten hin untersucht. Es wird gezeigt, dass alle derzeit auf dem Markt erhältlichen SiC-MOSFETs ein nahezu identisches Einsatzspannungsdriftverhalten zeigen. Im Gegensatz zu siliziumbasierten MOSFETs, führt selbst ein Betrieb nahe der Schwellenspannung zu einer Spannungsverschiebung im Bereich von mehreren hundert Millivolt. Weiters wurden verschiedene Techniken zur Messung der Spannungsverschiebung untersucht. Insbesondere wird dargestellt, dass in standardisierten Messvorschriften wie dem JEDEC Standard, der Großteil der extrahierten Spannungsverschiebungen aus vollständig reversiblen, schalt- und stressunabhängigen Effekten stammt. Aus diesem Grund wird eine neue Driftauswertungstechnik vorgeschlagen, welche mittels Vorkonditionierung durch einen Akkumulationspuls eine exakte Extraktion der permanenten Komponente der Spannungsverschiebung ermöglicht. Ein weiterer signifikanter Vorteil ist, dass diese Messmethode kaum von der Zeitverzögerung der Messung abhängt.
Im letzten Teil dieser Arbeit werden die Auswirkungen der verschiedenen Hochtemperaturprozesse, welche für die Fertigung der Leistungshalbleiterbauelemente nötig sind, auf den Ladezustand der SiC/SiO2-Grenzfläche untersucht. Es wird gezeigt, dass ein hohes Wärmebudget zu einer signifikanten Anhäufung von positiven Ladungen an der SiC/SiO2 Schnittstelle führt. Dieser Aufbau von positiven Ladungen beginnt nach der Abscheidung des polykristallinen Gate-Kontakts und setzt sich in allen weiteren Prozessschritten, welche über ein hohes Wärmebudget mit Temperaturen über 500 °C verfügen fort. Der atomare Ursprung der eigebauten Ladungen ist nach wie vor unbekannt. Möglicherweise spielt hier Wasserstoff, welcher durch die Abscheidung des polykristallinen Gate Kontakts in großen Mengen eingebaut wird, eine wichtige Rolle. Durch die Abhängigkeit des Ladungseinbaus vom Temperaturbudget wurde eine Energiebarriere von ca. 1,3 eV aus den experimentellen Daten extrahiert, welche gut zu den theoretischen, auf Wasserstoff basierenden, Defektmechanismen passen würde.
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